Identität mit Bart

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Aus einem der meistgesuchten Männer Europas ist einer der berühmtesten Häftlinge Europas geworden. Rund zehn Jahre nach seinem Verschwinden ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Radovan Karadzic nahe Belgrad von serbischen Behörden festgenommen worden. Karadzic ist in Den Haag wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. All das wird ihm im Zusammenhang mit dem Bosnien-Krieg der Jahre 1992 bis 1995 vorgeworfen. Zusammen mit dem weiterhin flüchtigen General Ratko Mladic wird er für den Mord an 8 000 Muslimen in Srebrenica verantwortlich gemacht.
Ob Karadzic in einer Villa oder in einem Linienbus, in einem Außenbezirk von Belgrad oder in einer nahe bei der Stadt gelegenen Ortschaft, am Montag oder bereits am Freitag voriger Woche festgenommen wurde, sei einmal dahingestellt. Allzu originell scheint sein Versteck jedenfalls nicht gerade gewesen zu sein. Dafür möglicherweise seine Tarnung: Serbischen Fahndern zufolge soll er unter falschem Namen mit grauer Matte, Bart und Brille unterwegs gewesen sein und in einer Arztpraxis in Belgrad gearbeitet haben. Der Psychiater und Arzt habe sich mit alternativer Medizin beschäftigt.
Sicher ist, dass Karadzic nach wie vor nicht wenige Anhänger in Serbien hat. Vor dem Belgrader Gerichtsgebäude und vor der US-Botschaft versammelten sich Menschen, die Karadzic als Helden bejubelten und den serbischen Präsidenten Boris Tadic von der Demokratischen Partei als »Verräter« bezeichneten. Tadic gilt als Freund der Europäischen Union.
Im April unterzeichnete Serbien als ersten Schritt für Beitrittsverhandlungen ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU und verpflichtete sich, mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zusammenzuarbeiten. Nach der Festnahme von Karadzic würdigten die diplomatischen Vertreter der 27 EU-Staaten in Brüssel das pro-europäische Engagement von Boris Tadic.