Neonazis ermordeten einen Obdachlosen

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Zwei junge Männer, 18 und 21 Jahre alt, sollen in Templin in der Uckermark einen 55jährigen obdachlosen Tischler erschlagen haben. Der Mann starb an seinen Kopf­­verletzungen, die Ermittler sprechen von einem »fast unvorstellbaren Ausmaß an Brutalität«.

Die mutmaßlichen Täter sind polizeibekannte Neo­nazis, beide bereits wegen gefährlicher Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilt; das Opfer war obdachlos und übernachtete in seiner bankrotten ehemaligen Werkstatt. Der 21jährige hat seine Tatbeteiligung inzwischen gestanden.
Es war einer dieser Morde, die vor allem deshalb Schlagzeilen machen, weil kein auch nur ansatzweise zweckrationales Motiv zu erkennen ist – das Opfer wurde offenbar nicht ausgeraubt, es ging nicht um Eifersucht oder Rache. Die Staatsanwaltschaft vermutet viel eher, dass die Täter sich gezielt ein »vermeintlich schwaches, am Rande der Gesellschaft lebendes Opfer« suchten. Trotzdem zeigen sich die Ermittler unsicher, ob politische Motive bei der Tat eine Rolle gespielt haben.
Daran wird deutlich, wie wenig die deutschen Behörden von den Zusammenhängen begriffen haben zwischen einer neonazistischen Gesinnung und der scheinbar wahllosen Gewalt gegen einen Obdachlosen. Zwar mögen mörderische Gewaltausbrüche wie jüngst in Templin nicht so unmittelbar politisch erscheinen wie etwa die so genannten Propagandadelikte, bei denen Neonazis Hakenkreuze sprühen oder rassistische Parolen. Die Gewalt gegen Obdachlose ist politisch in einem vermittelten Sinn: Die Täter rationalisieren ihr Handeln in der Regel damit, dass sie für »Sauberkeit« sorgen wollten und dass »Asoziale« keinen Platz hätten in »ihrem« Dorf. Gemäß der Nazi-Ideologie ist das Scheitern, das die Obdachlosen in ihre Lage bringt, nämlich kein Ergebnis gesellschaftlicher Umstände, sondern ein Ausdruck ihrer Minderwertigkeit.
Gleichzeitig wissen die Nazis gerade in ostdeutschen Kleinstädten aber, dass ihnen Vergleichbares drohen kann – eine Existenz jenseits der Gesellschaft, ausgeschlossen vom sozialen Leben und nach den Verwertungskriterien überflüssig. Indem sie auf die vermeintlich Minderwertigen einprügeln, wollen sie sich ihres eigenen Wertes versichern. So vermutet der Verein Opferper­spektive eine hohe Dunkelziffer bei Übergriffen von Nazis auf diejenigen, die gemäß ihrer Dik­tion als »Asoziale« gelten. In den offiziellen Statistiken der letzten beiden Jahre für Brandenburg wird jedoch kein solcher Fall erwähnt.