Promiboxen bei RTL

Immer auf Sendung

RTL schickt jetzt boxende Prominente in den Ring. Neu ist die Idee nicht. von

Der erste Boxkampf läuft unter dem Titel »Hippiekiller« gegen »Ironman«, der zweite heißt »Bad Boy« versus »Brown Sugar«, und beim dritten stehen sich »Wild Thing« und »Super Sam« gegenüber.

Das Ganze nennt sich »Promiboxen auf RTL«, und hinter den nur partiell originellen Kampfnamen verbergen sich der Schauspieler Ralf Richter (»Hippiekiller«), der nebenher auch seine »Kelly Family« managende Musiker Joey Kelly (»Ironman«, denn er ist Ausdauersportler), der durch sein Narbengesicht bekannt gewordene Schauspieler Claude-Oliver Rudolph (»Bad Boy«), der ehemalige »Herzblatt«-Moderator Pierre Geisensetter (»Brown Sugar«), sowie die als Pornoschauspielerin bekannt gewordene Michaela Schaffrath (»Wild Thing«, was an ihren früheren Künstlernamen Gina Wild erinnert) und das ehemalige Nacktmodel Samantha Fox (»Super Sam«), das heute als Sängerin auftritt.

RTL freut sich am 26. Oktober dieses Jahres auf etwa 1 800 Zuschauer im Kölner Coloneum und auf eine TV-Quote, die an alte Kampfabende mit Henry Maske, Axel Schulz oder Graciano Rocchigiani erinnern soll.

Vor zehn Jahren war der Sender schon einmal sehr erfolgreich damit, das Boxen zu inszenieren. Die Idee der Redaktion war damals eine ähnliche wie heute. Nicht der Sport sollte inszeniert werden, sondern ein sportives Event.

Burkhard Weber, der damalige Sportchef bei RTL, verkündete, »wenn wir da etwas machen, dann müssen wir auch im Umfeld arbeiten«. Der Sender zeigte nicht nur Boxkämpfe, sondern er baute sich seine Helden selbst auf. Der wichtigste hieß Henry Maske, er wurde zum Weltmeister des Verbandes IBF gemacht. Ein Weltmeister, der keinen WM-Kampf außerhalb Deutschlands absolvierte und der nicht nur den besten US-amerikanischen Boxern aus dem Weg ging, sondern auch der heimischen Konkurrenz, vor der er Angst hatte: etwa Dariusz Michalczewski, dem Weltmeister des Verbandes WBO.

Beim nun bevorstehenden Promiboxen bringt der Kölner Privatsender wieder seine eigenen Kämpfer mit und behauptet gar nicht erst, dass sie Sportler seien, die ihr Handwerk beherrschten. Von Schaffrath veröffentlichte RTL lediglich das Zitat, sie wolle sehen, »wie viel Power ich besitze«. Von ihrer Gegnerin Fox erfährt man, dass sie seit zehn Jahren Kampftraining macht.

Rudolph war angeblich als Neunjähriger Deutscher Meister im Judo und im Kickboxen, während Geisensetter in seiner Jugend Leichtathlet war und heute gerne ins Fitnessstudio geht. Über Richter ist in Erfahrung zu bringen, dass er sich privat fürs Boxen interessiert, und von seinem Gegner Kelly listet RTL auf, welche Herausforderungen er schon bewältigt hat: mehrere Ironman-Triathlons, einen Ultraman, einen 240 Kilometer langen Wüstenlauf etc.

Kampfrekorde, wie man im Boxsport die Leistungsbilanzen der Sportler nennt, sind das nicht. Aber so etwas anzunehmen, hieße ja bloß zu vermuten, dass es sich doch um so etwas wie Sport handele. Dabei weist RTL doch lediglich nach, dass es sich bei den Prominenten um halbwegs sportliche Akteure handelt. So wie Henry Maske ein Boxer war, aber Zweifel an der Legitimität seines Weltmeistertitels formuliert werden können, so sind Richter, Kelly, Geisensetter, Schaffrath und Fox durchtrainierte Menschen, aber eben keine Boxer.

Sportliche Prominente, die sich öffentlich in Boxringe begeben, um dort verhauen zu werden, sind nichts Neues. In den USA gibt es das Promiboxen schon eine Weile. Der Pionier dieser zweifelhaften Disziplin war jedoch ein Europäer. Arthur Cravan, einer der frühen Dada-Dichter, gab im Pariser Kunstbetrieb damit an, französischer Amateurboxmeister zu sein.

Und weil er bald selbst glaubte, er könne boxen, trat Cravan am 23. April 1916 in einer Stierkampfarena in Barcelona gegen Jack Johnson an, den ersten schwarzen Schwergewichtsweltmeister der Geschichte. »Einmal im Jahr muss man seine Zukunft aufs Spiel setzen«, lautete Cravans überzeugende Begründung, als Kampfrekord gab er »vier Gedichte« an. Eine coole Geste, aber nach weniger als einer Minute ging Cravan von Johnsons erstem Schlag K.o.

Deutsche Dichter, die in Ringe stiegen, fanden sich nur wenige, der immer gern genannte Bertolt Brecht drosch nur gegen den Punching Ball. Prominente boxende Schauspieler hingegen fanden sich im Deutschland der zwanziger Jahre zu Hauf. Marlene Dietrich, Carola Neher und Leni Riefenstahl propagierten das Frauenboxen, und der Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner ließ sich von Max Schmeling Unterricht erteilen. »Was sich im Ring tut, spiegelt das Leben«, urteilte Kortner. »So erbarmungslos, so wütend, wie ihr aufeinander losgeht, so erbittert kämpfen wir alle ums Dasein.«

Sein Boxlehrer wiederum wollte in den zwanziger Jahren gerne Schauspieler werden, Schmeling heiratete die bekannte Darstellerin Anny Ondra und fiel auch in etlichen Filmen auf, etwa in »Liebe im Ring« (1930) oder »Knockout« (1934).

Außerhalb Deutschlands waren schauspielernde Boxer und boxende Schauspieler noch häufiger anzutreffen. Max Baer, im Mai 1933 der Boxer, der mit auf die Trousers gesticktem Davidstern Max Schmeling K.o. schlug, von 1934 bis 1935 Schwergewichtsweltmeister, spielte noch während seiner aktiven Karriere in »The Pricefighter and the Lady« (1933) mit. 1956 war er an der Seite von Humphrey Bogart in »The Harder They Fall« zu sehen.

Als boxender Schauspieler präsentierte sich in Deutschland Mario Adorf. Der in Italien lebende Weltstar, in seiner Jugend Mitglied eines Amateurboxvereins, trat 1986 in der ARD-Sendung »Mensch Meier«, moderiert von Alfred Biolek, zu einem Showsparring gegen Birgit Nuako an, die sich als Deutschlands erste Profiboxerin vorstellte.

Deutlich über ein Showsparring hinaus ging der Einsatz, den der US-Schauspieler Mickey Rourke am 20. November 1993 in der Hamburger Alsterdorfer Sporthalle bot. Weil die Veranstalter dem Hauptkämpfer des von Premiere übertragenen Abends, Markus Bott, den Erfolg im WM-Kampf gegen Nestor Giovannini aus Argentinien nicht zutrauten, wurde zusätzlich Rourke verpflichtet. Er kämpfte gegen den Gärtner und Gelegenheitsprofi Thomas McKay (USA) und gewann durch einen umstrittenen K.o.-Schlag in der dritten Runde. Die Zeitlupe zeigte später, dass Rourkes »Wirkungstreffer« aus einer leichten Nackenberührung bestand.

Immerhin, Rourkes Auftritt bildete bislang den Höhepunkt des Prominentenboxens in deutschen Ringen. Seine Besonderheit lag darin, dass Rourke wirklich eine Boxlizenz besaß und im Rahmen eines lizenzierten und, wenn man so möchte, richtigen Kampfabends auftrat.

Sein Nachfolger wurde Stefan Raab. Er ließ sich in einem Kampf von der Juniorleichtgewichtsweltmeisterin Regina Halmich im März 2001 die Nase brechen. Die Quote für den Fernsehsender Pro 7 stimmte, und RTL, das seine TV-Rechte am Profiboxen schon längst an die ARD verloren hatte, erkannte eine Möglichkeit, das Boxen neu zu inszenieren.

In der Pressemitteilung des Senders zum für den 26. Oktober angekündigten Promiboxen heißt es: »Erstmals im deutschen Fernsehen steigen mehrere Prominente in den Ring.« Dass es auch mal eine Zeit gab, als richtige Boxer auch richtige Prominente waren, scheint eine Illusion gewesen zu sein.

Bleibt nur zu hoffen, dass der mit dem grundsympathischen Kampfnamen »Hippiekiller« in den Ring steigende Ralf Richter seinen Kampf gewinnt.