Durchsuchungen bei Linken in Baden-Württenberg

Grillen ist verdächtig

18 zum Teil minderjährige linke Jugendliche mussten in Baden-Württemberg Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen. Eine neue Antirepressionsgruppe will die Öffentlichkeit über die seltsamen Umstände der Durchsuchungen aufklären.

Bühl, Gaggenau, Achern, Gernsbach – diese Namen klingen eher nach mehr oder weniger idyl­lischen Flecken im Schwarzwald als nach Orten, an denen linke Politik betrieben wird. Dennoch besteht seit kurzer Zeit in der Region zwischen Freiburg und Baden-Baden eine »Antirepressionsgruppe Mittelbaden«. Aus gutem Grund: Im Juli kam es zu 18 Hausdurchsuchungen bei linken Jugendlichen. Das ist angesichts der Größe der Ortschaften eine beachtliche Zahl. Die Antirepressionsgruppe möchte den Betroffenen helfen und die Öffentlichkeit über die seltsamen Umstände der Durchsuchungen aufklären. Angefangen hat alles mit einer Grillparty.

Anfang Juli veranstalteten etwa 50 Jugendliche ei­ne Grillparty auf einem ungenutzten Gelände in Bühl. Sie wollten so auch für einen selbstverwalteten Jugendraum demonstrieren. »Die Besitzerin des Grundstücks hat vor der Grillparty ihr münd­liches Einverständnis gegeben«, sagt Pauline von der Antirepressionsgruppe. Der Polizei zufolge wurden nach dem Ende der Feier gezielt Steine und Flaschen geworfen, als mehrere Streifenwagen eintrafen. Die Antirepressionsgruppe bestreitet dies. Die Polizei nahm drei Personen in der Nähe des Geländes in Gewahrsam.
Mitte Juli erhielten 18 Jugendliche dann Besuch von der Polizei. Die jüngste Person, bei der eine Hausdurchsuchung stattfand, ist gerade einmal 15 Jahre, die älteste immerhin 21 Jahre alt. Der Großteil der Betroffenen ist jedoch minderjährig. Warum gerade diese 18 Personen heimgesucht wurden, sagt die Staatsanwaltschaft Baden-Baden: »Hausdurchsuchungen wurden bei Personen durchgeführt, die im Zuge der Ermittlungen iden­tifiziert werden konnten. Es werden ja nicht irgendwelche Leute für Hausdurchsuchungen herausgesucht.« Der Antirepressionsgruppe Mittelbaden zufolge verdankt die Polizei die Identifizierung der Jugendlichen eher dem Zufall: Durchsucht wurden nicht nur die Räume der drei, die in der Nähe des Grillgeländes in Gewahrsam genommen worden waren, sondern auch Räume von Personen aus einer Gruppe, die sich am Abend in der Stadt oder am Bahnhof aufgehalten hatte und dort von der Polizei kontrolliert worden war. »Außerdem wurden die Wohnungen von Leuten durchsucht, die an dem Abend in ihrem Auto angehalten wurden«, sagt Pauline.

Die Jugendlichen werden des Landfriedensbruchs beschuldigt. Die Polizei beschlagnahmte Computer, CDs, Zeitungsartikel, Handschuhe, aber auch Fotos, auf denen mit Skimasken vermummte Personen zu sehen sind. So sieht mancher im Ski­urlaub nun mal aus. Die Polizei suchte nach Bildern, die die »Besetzung« des Grillgeländes zeigen. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft stehen die Hausdurchsuchungen »in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat«.
Wie unglaublich dringlich der Staatsanwaltschaft und der Polizei die Hausdurchsuchungen schienen, zeigt der Antirepressionsgruppe zufolge, dass auf der Ausfertigung des Durch­suchungs­beschlusses die Unterschrift eines Rich­ters fehlt. Die Staatsanwaltschaft bestreitet das: »Das kann ja gar nicht sein. Die muss da irgendwo stehen.« Vielleicht wollten die Behörden dem unliebsamen Nachwuchs einfach eine Lektion erteilen. Denn für eine Stadt mit 29 000 Einwohnern gibt es in Bühl sehr viele linke Jugendliche, die sich noch dazu rege betätigen. Da könnten der Polizei die Grillparty und die angeblichen Stein­würfe gelegen gekommen sein, um die Hausdurch­suchungen in die Wege zu leiten.
Wie es für die Betroffenen weitergeht, ist derzeit noch unklar. »Die Auswertung der Materialien wird noch einige Zeit dauern«, sagt die Staatsanwaltschaft. Drei Jugendliche konnten nach Vernehmungen der Polizei Rastatt zwar als »Gewalttäter« ausgeschlossen werden. Eingestellt wurde bisher aber noch kein Verfahren. Die Auswertung der Urlaubsfotos dauert schließlich noch an.