Einige Thesen über die Fußballweltmeisterschaft

Ein Turnier halt

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1. Die Champions League frisst ihre Stars. Die Anfangsphase der WM wurde vor allem durch müde Stars geprägt, denen die Champions League noch in den Knochen steckte. Dass die Brasilianer unter dieser Situation weniger litten als andere Teams, dürfte in erster Linie dem enormen Kickerpotenzial des Landes geschuldet sein. Trainer Luiz Felipe Scolari konnte es sich leisten, nur einen der Bundesligaspieler zu berücksichtigen und mit einer ausgewogenen Mischung von einheimischen Akteuren und Legionären nach Asien zu reisen. In der Qualifikation kamen über 60 brasilianische Spieler zum Einsatz.

Diese Qualifikation war der schwierigste Akt für die Selecao. Der Aufenthalt in Japan und Südkorea war dagegen fast eine Erholung.

2. Asien und Afrika: Mehr Stagnation als Fortschritt. Der Einzug Südkoreas in das Halbfinale ist das bislang beste Abschneiden eines asiatischen Landes bei einem Weltturnier. Senegal konnte mit dem Erreichen des Viertelfinales den Erfolg Kameruns aus dem Jahr 1990 wiederholen. Noch niemals zuvor gelang gleich zwei Vertretern dieser Kontinente der Einzug ins Viertelfinale. Aber befinden sie sich deshalb auf dem Vormarsch? Im Falle Asiens stehen dem guten Abschneiden der beiden Gastgeber die einer WM kaum würdigen Darbietungen Saudi-Arabiens und Chinas gegenüber. Südkorea profitierte von der Müdigkeit der Großen, von fragwürdigen Entscheidungen der Schiedsrichter und von seinem Heimvorteil. Und die Mannschaft des Senegal wurde de facto aus Frankreich importiert. Fast alle Akteure kicken im französischen Profifußball, was die kollektive Spielidentität förderte.

3. »Spirit« siegt - jedenfalls in einem WM-Turnier. Die taktische und technische Nivellierung im Weltfußball, eine logische Folge der von Europa dominierten Globalisierung, hat zur Folge, dass dem »Spirit«, wie Arsene Wenger, der Trainer von Arsenal London, es formuliert, eine entscheidende Bedeutung zukommt. Ein solcher zeichnete insbesondere Südkorea, Irland, Senegal, die USA, aber auch Deutschland aus. Bisher als konservativ betrachtete Werte feiern eine Renaissance.

Zweifelsohne begleitete das DFB-Team viel Glück auf dem Weg ins Finale. Es darf sich insbesondere bei Südkorea bedanken, das quasi die Drecksarbeit für die Deutschen erledigte. Als die Asiaten den Deutschen im Halbfinale begegneten, hatten sie sich bereits gegen Portugal, Italien und Spanien die Lunge aus dem Hals gelaufen und ließen die gewohnte Aggressivität vermissen.

4. Weltmeister wird nicht die beste Mannschaft der Welt. Ein Turnier ist anderen Gesetzen unterworfen als eine 34 Spieltage dauernde nationale Meisterschaft oder die Champions League. Die Globalisierung des Weltfußballs bewirkt, dass die besten Ensembles nicht Nationalmannschaften, sondern Klubteams sind: 321 der 736 gemeldeten Spieler standen bei europäischen Arbeitgebern unter Vertrag; von 32 Teams kamen zwar nur 15 aus Europa, aber 31 von ihnen griffen auf in Europa tätige Nationalspieler zurück; neun der 32 Teams wurden von Ausländern trainiert. Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen spielen einen besseren Fußball als die DFB-Elf.

Diese Tatsache und die Konkurrenz des global verwerteten Produkts Champions League führen zu einer gewissen sportlichen Abwertung eines von Nationalmannschaften bestrittenen WM-Turniers, der bei anhaltender Tendenz auch eine kommerzielle Abwertung folgen könnte.