All-Inclusive-Hotel auf den Bahamas

Die singenden Steine des Butch Stewart

Nur für Paare gilt das Angebot der karibischen All-Inclusive-Hotelgruppe. Das Sandals Royal Bahamian ist die Stein gewordene Hollywood-Phantasie vom großen Happy End.

Der dicke schwarze Mann neben mir an der Rezeption des Sandals Royal Bahamian redet mit der kleinen asiatischen Frau auf der anderen Seite des Counters. Weiße Nike-Sneakers, die Shorts und das riesige rote Tommy-Hilfiger-Poloshirt, das Gold um Hals, Handgelenke und Finger, die Glatze identifizieren ihn eindeutig als Gangsterrapper, aber mir will nicht einfallen, ob ich ihn tatsächlich schon mal in einem Clip auf MTV oder Viva gesehen habe.

Ich habe Zeit mir darüber Gedanken zu machen, denn ich warte auf den Bellboy, der mich zuerst aufs Zimmer bringen soll und dann in eins der Restaurants zu der Gruppe deutscher Reisejournalisten, die schon seit gestern hier ist. Draußen ist es immer noch schwül und heiß, und so genieße ich die Zeit in der kühlen Lobby. Mir fällt auf, dass dem Dicken die immense Körperfülle wirklich gut steht, manche Dicke die ihnen gemäße, perfekte Körperform gefunden haben: kein Gramm Fett zuviel. Trotz seiner mindestens zwei Zentner sieht der Mann einfach sehr gut und respekteinflößend aus, wie er dort steht, sich mit der Frau unterhält und dabei jeden Satz mit Körperhaltung und Armbewegung unterstreicht. Der Mann hat eindeutig Bühnenerfahrung.

Aber die kleine Frau lässt sich davon nicht beeindrucken. Kleine Schweißperlen bilden sich auf der Stirn des Gangsterrappers. Er beginnt noch mal von vorn: Er ist nur kurz aus seiner teuren Deluxe Suite heruntergeklettert, um hier unten Bescheid zu geben. Dass nachher zwei Freunde kommen würden. Die extra aus Miami rübergeflogen sind. Um ihm und seiner Frau Gesellschaft zu leisten. Ein Dinner zu nehmen. Einen angenehmen Abend zu verbringen. Mit ein paar Drinks auf der Terrasse. Unter karibischem Sternenhimmel. Und über Geschäfte zu reden.

Aber nochmal lässt die kleine Frau ihn abblitzen. Nein, Sir, das ist leider nicht möglich, Sandals ist ausschließlich für Paare. Der Manager würde in seinem Fall bestimmt eine Ausnahme machen und Außenstehende hineinlassen, aber wenn es kein Paar ist, ist es unmöglich: Das verstößt gegen die Philosophie von Sandals. Aber es ist doch ein Paar! Es sind doch zwei!, macht der Mann einen letzten Versuch. Sir, antwortet die Frau, ohne eine Miene zu verziehen, Sandals akzeptiert keine homosexuellen Paare! Ich kann nicht erkennen, ob der schwarze Mann rot wird, der Rap ist jedenfalls zu Ende. Es gibt noch einen kurzen Blick zwischen beiden, eine hingemurmelte Abschiedsfloskel des Mannes, einen entschuldigenden Gruß der Frau, dann trollt der Dicke sich hinaus, fügt sich in sein Schicksal, in den Kodex des Sandals-Clubs.

Er wird sich hinaufbegeben in seine Suite, seine Freunde anrufen und sich mit ihnen in einem Restaurant in Nassau verabreden. Er wird ein wenig sein Gesicht verlieren. Die Freunde werden die tolle Suite nicht sehen, das unglaubliche Ambiente des Clubs nicht kennenlernen, jedenfalls nicht heute und nicht ohne weibliche Begleitung. Und ich bin mir nicht mehr sicher, ob der Gangsterrapper nicht doch vielleicht nur ein Autoverkäufer aus Michigan ist, der hier seine Flitterwochen verlebt.

Die Sandals-Resorts sind eine vor allem bei US-amerikanischen und japanischen Kunden sehr beliebte karibische All-Inclusive Hotelgruppe, die seit Jahren World-Travel-Awards einheimst und endlich auch in Europa Fuß fassen will. Gut situierte Männer und Frauen, die ihre Flitterwochen oder eine gemeinsame Zeit ohne Kinder verbringen wollen, buchen dort ihren Urlaub. Kein Swingerclub, eher das Gegenteil: eine komplett entsexualisierte protestantische Vorhölle oder besser: eine Variation des Paradieses. Der Baum, von dem herab die Schlange Eva den Apfel anbieten wird, ist entweder noch nicht gepflanzt oder schon abgeholzt. Pärchen, die auf der Suche nach Abwechslung sind, haben ihr Geld zum Fenster hinausgeworfen, wenn sie hierher kommen. Es gibt kaum einen Ort, an dem ein Flirt mit der Partnerin eines anderen weniger angebracht wäre als hier.

Stattdessen pflegen die Gäste eine sehr entspannte Langeweile, lassen sich in den Spas vom ausschließlich schwarzen Personal die Pickel ausdrücken, gehen auf harmlose Segeltörns oder Tauchexkursionen, schlagen sich den Bauch voll in tollen Restaurants oder probieren Cocktails aus, die sie bisher nicht mal dem Namen nach kannten - alles inklusive und auf höchstem Niveau, versteht sich. Kaum jemand bleibt länger als eine Woche, und das ist auch gut so: Die Methode ist vielleicht eine andere, aber wer auf der Suche nach spiritueller Entleerung ist, ist hier mindestens so gut aufgehoben wie in einem buddhistischen Kloster.

Das Flaggschiff der Gruppe, das Sandals Royal Bahamian liegt in Cable Beach, in der Nähe von Nassau/Bahamas. Den prosaischen Namen bekam die Gegend als dort 1892 das erste Unterwasserkabel zwischen Jupiter/Florida und Nassau/Bahamas an Land gezogen wurde und damit die Inselgruppe nach jahrhundertelanger Abgeschiedenheit seit der glorreichen Piratenzeit wieder mit dem Rest der Welt verbunden wurde. Trotzdem befand sich an diesem Ort bis hinein in die zwanziger Jahre eine Ananasplantage, ehe eine Rennbahn die mondäne Welt und die Aristokratie Nassaus anzog. Die neuen Hotels erlebten gleich ihren ersten Boom, denn während der Prohibitionszeit entdeckten wohlhabende amerikanische Alkoholiker, dass der Ort wie geschaffen zur Ausübung ihres Hobbys war. Weil in Nassau die Schmuggelflotte startete, die den Südwesten der Staaten mit Rum und Whisky versorgte, waren sie in Cable Beach sozusagen an der Quelle. Die örtliche Bacardi-Rum-Destillery befindet sich noch heute in der Gegend, was den Vorteil hat, dass sie ihre Werbespots gleich ein paar hundert Meter von der Fabrik entfernt drehen könnte.

Auf dem Gelände des Sandals Royal Bahamian befand sich bis 1985 einer der exklusivsten Hotels der Welt, der Balmoral Beach Club. Als die Beatles 1966 auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs keinen Ort mehr fanden, an den sie gehen konnten, ohne von kreischenden Teenagern belagert zu werden, zogen sie sich hierhin zurück. Später legte dann während des Watergate-Desasters manchmal die Yacht von Richard Nixon nachts am Bootssteg an. Der enterte dann die Bar des Balmoral und ertränkte seine Verzweiflung in Whiskey.

Wer das Sandals Royal Bahamian heute besucht, betritt die Stein gewordene Phantasie eines Kulissenbauers aus Hollywood vom antiken Rom oder vielleicht von Ostia Antica oder Pompeii. Eine Landschaft aus halbversunkenen Tempeln, die sich als Poolbars entpuppen, stehen gebliebenen Säulenreihen, labyrinthischen Wasseradern mit sprudelnden Buchten, Palmengärten unter tropischem Himmel, Fassaden, aus denen plötzliche Wasserfälle sich ergießen und herumliegenden Felsbrocken, aus denen liebliche Musik ertönt: die singenden Steine des Butch Stewart. Ein baudrillardscher Ort, dessen Interpretation Kopfschmerzen bereitet.

Der Besitzer dieser phantastischen Welt, Gordon »Butch« Stewart, wirkt wie ein Teddybär oder wie ein netter Handwerksmeister. Niemand käme auf die Idee, dass er hier einen der mächtigen Männer der großen Antillen vor sich hat. Sehr jovial, sehr freundlich: Haut einem mit den großen Pranken von hinten auf die Schulter und fragt wie's geht, während man sich einen Augenblick lang nicht zwischen dem karibischen Meer und dem Pool entscheiden kann. Der Mann hat sein erstes Geld im Schrotthandel auf Jamaika gemacht, dann sehr erfolgreich Klimaanlagen verkauft und ist 1981 bei einem geplatzten Immobiliengeschäft an ein marodes Hotel an einem Strand geraten, das Bay Roc Hotel in Montego Bay. Mit dem musste irgendwas passieren. Und so ist er fast aus Verlegenheit zum großen Tycoon der All-Inclusive-Couples-Only-Resorts der Karibik geworden.

Um klar zu machen, was ihn und seinen Laden von anderen Hotelunternehmen unterscheidet, erzählt er eine Geschichte aus der Klimaanlagenzeit: »If someone called at midnight and wanted an air conditioner because he'd forgotten to buy a birthday present for his wife, we'd go out and install it right away. Say. We just took this attitude to the hotel business.« Eine Klimaanlage als Geburtstagsgeschenk für die Ehefrau? Das ist nicht besonders sexy und nicht mal romantisch, aber das macht nichts. »Nicht wirklich« könnte auf einer Tafel stehen, die an der Hotelarchitektur angebracht wäre, denn diese Kulissen wollen an nichts erinnern und nicht einmal idyllisch oder romantisch sein, sondern vor allem und erklärtermaßen: falsch, und so könnte auch jeder der Hotelgäste eine Droge nehmen, die ihn auf angenehme Weise für eine Woche außer Gefecht setzt.

Jedem, der ein Sandals Resort besucht ist klar, dass er das Risiko eines Urlaubs, in dem irgendwas schiefgeht, auf ein Minimum reduziert. Wer ein Abenteuer erleben will, bucht keinen Urlaub bei Butch Stewart. Aber welcher amerikanische Mann will sich schon auf Abenteuer einlassen, wenn er mit seiner Freundin, seiner Braut, seiner Frau in Urlaub oder gar in die Flitterwochen fährt. Da wird aus einem Abenteuer leicht Stress.

Die Betten sind vielleicht nicht so toll, das Restaurant auf der anderen Straßenseite hat einen Stern mehr, der Yachtausflug ist im Preis nicht mehr drin. Niemand pfeift hier der Braut auf der Straße hinterher oder macht ihr abends an der Hotelbar Komplimente. Angenehm ist das vor allem für die Männer.

Es ist fünf Uhr Nachmittags, vor ein paar Minuten hat es einen kurzen, aber heftigen Regenguß gegeben, der den tropischen Garten hinten bei den Honeymoon-Villa-Suites in der Nähe des Goldfischteichs noch verzauberter wirken lässt, als er sowieso erscheint. Und ausgerechnet jetzt, als sich Christopher und Kareen aus North Carolina das Jawort geben sollen, bricht die Abendsonne wieder hervor und taucht die Szene in ein goldenes Licht. Christopher hält es nicht mehr aus, ihm schießen vor Ergriffenheit plötzlich Tränen in die Augen, und er muss leise schluchzen.

Schon für 750 Dollar kann in einem Sandals-Club geheiratet werden. Reverend A.DeWitt Hutcheson ist »Minister of Christian Education, Marriage Officer & Counsellor« und inszeniert die Hochzeiten im Sandals Royal Bahamian am Cable Beach in Nassau/Bahamas. Insgesamt über 1 400 seit etwas mehr als einem Jahr. Inszenieren ist schon das richtige Wort, denn der Reverend hat zusammen mit dem Kameramann Vince Miller einen perfekten Ablauf aus den klassischen zeremoniellen Formeln und genauen Regieanweisungen für das Brautpaar entwickelt. An dessen Ende sowohl die Ringe an den richtigen Fingern stecken als auch eine VHS-Kassette aus dem Schacht der Kamera springt, die nicht mehr geschnitten, nur noch in eine vorbereitete Hülle gesteckt und dem Brautpaar übergeben werden muss.

Vince hatte den Wolkenflug beobachtet und dem Reverend ein Zeichen gegeben und ihn die Zeremonie noch ein paar Sekunden herauszögern lassen, sodass die Sonne zum exakt richtigen Zeitpunkt hervorbrach. Jetzt wird das leise Schluchzen Christophers und dann das gehauchte Jawort Kareens über ein kleines Funkmikrofon, das Vince auf das Revers des Bräutigams gesteckt hat, direkt auf das Band übertragen und auch in einigen Jahren noch für Ergriffenheit in den Livingrooms North-Carolinas sorgen. Nachher, die Zeremonie ist beendet und das Paar und die Eltern trinken Champagner und futtern ein kleines Buffett leer, will ich meiner Berichterstattungspflicht Genüge leisten und frage Christopher, wie er auf die Idee kam, ausgerechnet hier zu heiraten. An seinem Gesicht kann ich erkennen, dass er die Frage nicht richtig verstanden hat. Wie, will er wissen, hier im Garten und nicht am Strand? Nein, antworte ich, hier in Sandals, an einem so künstlichen Ort, in einem Ferienclub. Jetzt hat er die Frage verstanden, aber ist so verdutzt, dass er weitere drei Sekunden braucht, um dann zu sagen: Aber hier ist es doch perfekt! Und er hat Recht, und meine Frage war wirklich dumm, und ich werde rot und beende das Interview.

Es ist doch so offensichtlich. In Mitteleuropa heiratet man in öffentlichen Bussen und beim Bungeejumpen, und ich stelle einen Ort in Frage, der wie geschaffen ist zum Heiraten, wo die Flitterwochen direkt im Anschluss an die Zeremonie mit einem Sprung in den Pool beginnen, besser kann man es doch wirklich nicht haben. In den USA ist Honeymoon inzwischen gleichbedeutend mit Sandals, jedes junge Paar träumt davon, dorthin zu fahren. Die, die es sich leisten können, tun's dann auch.

Eine Woche Sandals/Bahamas inkl. Flug mit BA ab 3 985 DM, Verlängerungstag ca. 400 DM p.P. Heiraten: 1 330 DM, im Paket enthalten: Geistlicher, Trauzeugen, Sektempfang, 5x7 cm großes Hochzeitsfoto, zweistöckige Hochzeitstorte, Hochzeitsanzeigenkarten, Hintergrundmusik während der Trauung, Blumenstrauß für die Dame, Blumenanstecker für den Herrn, romantisches Hochzeitsessen für das Brautpaar, Frühstück im Bett am nächsten Morgen, »Just Married«-T-Shirt, Video der Zeremonie