120000 plus x

<none>

»Thirty are better than one« – so erklärte einst Andy Warhol seine Vorliebe dafür, das immergleiche Motiv zu duplizieren – ein Credo, über das Deutschlands wohl ältester Graffiti-Sprüher, der 58jährige Hamburger Walter F., wohl nur milde lächeln würde. Walter F., besser bekannt als »OZ«, wurde kürzlich dabei erwischt, wie er seinem rekordverdächtigen Gesamtwerk, das das Hamburger Abendblatt schon im Jahr 2002 auf über 120 000 ­Pieces schätzte, weitere Schriftzüge in einer Bahnunterführung hinzufügte. Bald könnte er dafür wieder hinter Gitter müssen.
Seit über 15 Jahren prägt der Künstler das Straßenbild der Hansestadt, und dies mit nur zwei äußerst reduzierten Sujets. Sein gesprühtes Namenskürzel wiederholt sich entlang der Hamburger S-Bahn-Strecken tausendfach, seine Smileys säumen Stromkästen und Mülleimer entlang des vornehmen Ostufers der Alster, setzen sich von dort über das prekäre St. Georg fort, finden sich im hippen Schanzenviertel, überziehen in St. Pauli Laternenpfosten ebenso wie Straßenpoller und erstrecken sich westwärts weiter bis hin in die nördlichsten Ausläufer Altonas.
Das gesprühte Punkt-Punkt-Strich, das neben der blechernen Friedhofsordnung des Friedhofs Ohlsdorf auch die unterschiedlichsten Verkehrsschilder in Hamburg ziert, erklärte Walter F. einmal so: »Immer stehen die Autos im Vordergrund, nicht die Mütter. Ich hatte nie eine Mutter.« Das Landgericht Hamburg verurteilte ihn damals dennoch wegen Sachbeschädigung, trotz verminderter Zurechnungsfähigkeit.
Einen radikalen Bruch mit seinem langjährigen Medium, der dunklen Sprühfarbe, vollzog der Künstler nur kurzzeitig, im Jahr 2003 aus Anlass einiger Aktionen an Hamburger Bahnhofsaufzügen: Nichts taugt besser zur »Dekonstruktion« als ein Hammerschlag auf Glas.
Bei seiner neuerlichen Festnahme beschimpfte Walter F. die Polizisten unter anderem als »Nazis«. Kurz darauf wurde er wieder frei gelassen. Während derzeit die Anklage gegen ihn vorbereitet wird, sind schon wieder neue Smileys in Hamburg aufgetaucht, wie die Website www.smiley-hamburg.de vermeldet. Two hundred thousand are better than one!