Geplatzte Fusion von Dresdner und Deutscher Bank

Vertrauensbruch im Powerhaus

Der MegaóDeal ist geplatzt. Doch auch ohne Fusion steht der Deutschen und der Dresdner Bank ein grundlegender Wandel bevor.

Wer auch immer am Ende übrig bleibt, eine Branche wird sich ganz gewiss an steigenden Einnahmen erfreuen können: die Drogenindustrie. Kam doch eine Fachtagung an der Universität Oldenburg jüngst zu dem Ergebnis, dass Fusionen bei den betroffenen Beschäftigten Stress erzeugen und in der Folge Suchtprobleme schüren. Bei gescheiterten Fusionen dürfte sich die Sache kaum anders verhalten.

Nicht die besten Aussichten also für die Angestellten der Deutschen und der Dresdner Bank. Und schon gar nicht für deren bisherige Vorstandssprecher Rolf Breuer und Bernhard Walter. Was zumindest Banker Walter zu schnellen Konsequenzen veranlasste: Kaum einen Tag alt war die Nachricht vom Scheitern der Vereinigung beider Geldinstitute, da gab er seinen Rücktritt als Chef der Dresdner Bank bekannt.

Kein Wunder, schließlich fielen die Noten nach dem geplatzten Bankendeal vergangene Woche denkbar schlecht aus. »Ich habe, wenn ich meine Meinung sagen darf, in Unternehmen schon reifere Leistungen gesehen«, reagierte etwa Kanzler Gerhard Schröder, von einer »MegaóBlamage« sprach die Süddeutsche Zeitung. Und in der Tat wies die offizielle Erklärung für das Scheitern der Fusion auf reichlich unprofessionelles Vorgehen hin. Entgegen anderer Absprachen, hieß es vom Management der Dresdner, habe die Deutsche Bank die Londoner Investmenttochter Kleinwort Benson (DKB) verkaufen wollen. Für Walter ein inakzeptabler Vertrauensbruch.

Dabei hatte alles sehr optimistisch begonnen. »Überbank« titelte etwa die New Yorker Business Week nach Bekanntgabe der Fusionsverhandlungen vor gut einem Monat, Deutschbanker Breuer beschrieb die geplante Vereinigung als »Europas Powerhaus« und »europäischen Champion mit globaler Reichweite«.

Der Optimismus war nicht unbegründet: Schon seit längerer Zeit versuchten beide Finanzunternehmen, ihre Aktivitäten im hochprofitablen Investmentbanking auszubauen. Mit der Abwicklung von Fusionen und Übernahmen, Vermögensverwaltungen oder Aktienemissionen wollte man das große Geld machen. Dieser schnell wachsende Bereich wird weltweit von großen amerikanischóbritischen Spezialbanken wie Goldman Sachs und Merrill Lynch dominiert. Die Deutsche Bank hat deshalb vor einem halben Jahr für 17,1 Milliarden Mark die USóInvestmentbank Bankers Trust übernommen. Die Dresdner Bank investierte zugleich in den Ausbau ihrer 1995 eingekauften DKB und fährt dort mittlerweile fast die Hälfte ihres Gewinns ein.

Mit der Fusion wollten die Banker diesen Prozess beschleunigen. Das neue Geldinstitut sollte das gesamte, wenig profitable Kleinkundengeschäft in die Bank 24 auslagern und diese dann verkaufen, um sich noch mehr auf das Investmentbanking zu spezialisieren. In diesem Bereich arbeiten zwar lediglich vier bis fünf Prozent aller in der gesamten deutschen Kreditwirtschaft abhängig Beschäftigten. Aber gerade diese Leute sorgen für den größten Gewinn und verdienen deshalb zweistellige Millionenbeträge. In den USA sind die Summen sogar noch weit höher.

Mit der DKB war es nun ausgerechnet dieser Bereich, der die Fusion platzen ließ. Dabei sprach Deutschbanker Breuer noch zu Beginn der Verhandlungen von einer vollständigen Integration des Investmentunternehmens in die weit größere Abteilung seiner Bank. Doch diese Strategie hatte nicht lange gehalten. Der Grund: Edson Mitchell, hauseigener Chef im Bereich der Global Markets, machte Druck. Nur ein kleiner Teil von DKB dürfe übernommen und rund 90 Prozent der Beschäftigten müssten herausgeworfen werden.

Das wiederum hätte den DresdneróBoss Walter vor ernsthafte Legitimationsprobleme gestellt, zumal auch der DKBóVorsitzende Gerd Häusler mächtig Ärger machte. In den letzten Wochen hatten zahlreiche Broker die DKB verlassen oder wurden von USóamerikanischen Konkurrenten abgeworben. Nachdem der Bonusz für das letzte Jahr ausbezahlt worden war, verschlechterte sich die Situation noch weiter. Zusätzlich goss die Deutsche Bank Öl ins Feuer, als sie während der ohnehin schwierigen Fusionsverhandlungen die gesamte MalaysiaóSparte von der DKB abwarb. Die angedrohte Zerschlagung der DKB war dann endgültig zuviel.

Dabei wäre die anvisierte Vereinigung im Interesse der Banken recht wichtig gewesen. So beispielsweise mit Blick auf die Größe des geplanten Unternehmens, ergo auf Marktmacht. Denn trotz gemeinhin gegenteiliger Einschätzungen spielt Monopolbildung auch in der Finanzwirtschaft eine entscheidende Rolle. Für beinahe jedes dritte Unternehmen in Deutschland wäre der fusionierte Bankenkonzern zur Hausbank geworden, in einzelnen Bereichen und Regionen wäre der Anteil sogar wesentlich größer gewesen. Eine eindeutige Verschärfung vor allem für kleine Unternehmen, den klassischen Mittelstand. Denn diese Betriebe, denen der Kapitalmarkt de facto nicht zur Verfügung steht, klagen schon jetzt über ihre Abhängigkeit von der Kreditwilligkeit der Banken.

Wohin dieser Weg führen kann, zeigt sich in Großbritannien. Dort wurde eine Untersuchungskommission gebildet, um die Macht der vier größten Banken, die einen Marktanteil von 80 Prozent auf sich vereinigen, zu durchleuchten. Der dabei entstandene CruickshankóBericht kommt zum Schluss, dass die sehr hohen Profite der vier Geldinstitute zu großen Teilen aus der teilweise illegalen Ausnutzung oligopolistischer Marktstrukturen stammen ó auf Kosten der einfachen Sparer und kleiner Unternehmen. Nahe liegend also, dass hiesige Manager ständig auf die hohen Rendite der britischen Banken verweisen.

Trotz geplatzter Fusion werden auch die deutschen Banker am Ball bleiben müssen. Folglich können die Beschäftigten ihre durch die neue Nachricht kurzzeitig aufgeflammte Hoffnung wieder aufgeben. Zwar steht der durch die Fusion offiziell verkündete Abbau von weltweit 16 000 Arbeitsplätzen nicht an. Dennoch werden beide Banken versuchen, die entgangenen Gewinne durch weitere Rationalisierungen wieder einzuspielen. So steht nun auf dem Programm der Deutschen Bank ein schon länger geplantes Restrukturierungsprogramm, während der Stellenabbau bei der Dresdner Bank noch von den weiteren Entwicklungen abhängt. Chef Bernhard Walter ließ es sich nicht nehmen, noch vor seinem Abgang die Zukunft des Betriebes zu zeichnen: Die Bank müsse »schlanker« und »fit gemacht« werden.

Verloren hat aber bereits die mächtige Allianz. Mit fünf Prozent ist das Versicherungsunternehmen bei der Deutschen und mit 21,7 Prozent bei der Dresdner Bank beteiligt. Nicht zufällig war sie die treibende Kraft hinter den Fusionsbemühungen. Schließlich versprach das Konzept reichen Gewinn: Die Allianz hätte nicht nur knapp die Hälfte der Bank 24 übernommen, sondern als Bonus auch noch die Vermögensverwaltung DWS der Deutschen Bank geschluckt. In der Folge hätte sie in allen Filialen der Bank 24 ihre eigenen Produkte, also vor allem Versicherungen, vertreiben können ó ein einmaliger Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Trotz der geplatzten Fusion wird das Bild der in sich verschachtelten und nach außen abgeschirmten deutschen Bankenlandschaft auch in Zukunft von Fusionen und Übernahmen gekennzeichnet sein. DeutscheóBankóChef Breuer hat die Perspektive des Finanzunternehmens bereits vorgezeichnet: »Wir handeln aus einer Position der Stärke und gehen weiter unseren Weg.« Nebenbei verwies er auf die 19 Milliarden Euro schwere Kriegskasse, gelagert in den zahlreichen Industriebeteiligungen, die dank den liberalen Beschlüssen der rotógrünen Regierung zu Unternehmensveräußerungen bald steuerfrei und gewinnträchtig verkauft werden können.

Auch die Dresdner Bank wird in ihrer jetzigen Form nicht mehr lange existieren. Sie hat in den letzten Wochen nicht nur hochbezahlte Investmentbanker, sondern auch zahlreiche Kleinkunden verloren. Die Dresdner ist schlichtweg zu schwach, um selbstständig zu bleiben, und so dürften auch die Tage des WalteróNachfolgers Bernd Fahrholz gezählt sein. Die beiden USóBanken Chase Manhattan und Citygroup, hier zu Lande bekannt als Citybank, werden schon jetzt als eventuelle Käufer gehandelt. Ebenso die Banque Nationale de Paris.

Die Allianz hingegen würde wohl die Fusion mit der Nummer zwei in Deutschland, der Münchner Hypovereinsbank bevorzugen. Schließlich hält sie auch dort 17,4 Prozent des Betriebskapitals. Deren Chef Albrecht Schmidt hat sich allerdings bereits gegen eine solche Lösung ausgesprochen. Schmidt wendet sich stattdessen nach Österreich, der dortigen Bank Austria, dem weitaus größten Geldinstitut des Landes, zu. Möglich wäre auch eine ganz andere Variante: Auf Drängen der Allianz könnte die Dresdner Bank in ihre Einzelteile zerlegt und getrennt verkauft werden.