Fußball-WM 2006

Tote als Chance

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So viel schlecht getarnte Schadenfreude wie nach dem Mord an zwei Supportern des englischen Erstligisten Leeds United kann man in deutschen Zeitungen nur sehr selten lesen. Die Aussichten der Bundesrepublik, die FußballóWeltmeisterschaft 2006 auszutragen, hätten sich mit dieser Gewalttat rapide verbessert, titelten B.Z. und Bild unisono, denn der britische Fußball habe wieder einmal sein wahres Gesicht gezeigt und daher sei

ja jetzt völlig klar, dass die WM nur in Deutschland stattfinden könne.

Tote als Chance ó dass es sich bei den 37 und 40 Jahre alten Männern nicht um Hooligans, sondern um ganz normale Fans handelte, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass die türkische Polizei bemerkenswert schlecht auf das Viertelfinale zwischen Galatasaray Istanbul und Leeds vorbereitet war und die verletzten Fans beider Mannschaften teilweise mit Privatautos ins Krankenhaus gebracht werden mussten. Denn jeder Engländer gilt in deutschen Sportredaktionen als ein potenzieller Hooligan und daher mit als das Gefährlichste, was frei herumläuft ó dass die Briten es noch niemals gewagt haben, im Ausland einen Polizeibeamten ins Koma zu prügeln, wird dabei ebenso übersehen wie die Tatsache, dass während englischer LigaóSpiele schon seit Jahren sehr viel weniger passiert als bei jedem durchschnittlichen Match der deutschen Regionalliga NordóOst.

Auch dass die Verantwortlichen von Leeds United nun angekündigt haben, im Rückspiel die GalatasarayóFans aussperren zu wollen, um mögliche Racheakte zu vermeiden, dient der deutschen Presse nur als weiterer Beleg für die absolute Unfähigkeit der Engländer, große Sportereignisse sicher auszutragen. Obwohl es ein deutscher Verein war, der zuerst auf die Idee kam, eine ganze Fangruppe zu unerwünschten Personen zu erklären und damit den Präzedenzfall schuf, auf den sich Leeds nun berief: Borussia Dortmund hatte sich im letzten Jahr vor einem UefaóCupóSpiel erfolgreich geweigert, Feyenoord Rotterdam das übliche Kartenkontingent zur Verfügung zu stellen, und war damit trotz massiver niederländischer Proteste durchgekommen.

Aber womöglich ist der deutsche Jubel um die beiden englischen Toten von Istanbul doch arg verfrüht. Denn wenn es dem Weltverband Fifa um attraktive Spiele geht, dann muss er die WM zwangsläufig an das Mitglied Südafrika vergeben. Nicht nur, weil es sowieso höchste Zeit wird, dass endlich eine WM in Afrika stattfindet, und ausgerechnet die beiden europäischen Bewerber England und Deutschland schon jeweils zwei Mal Gastgeber einer FußballóWeltmeisterschaft waren.

Auch sonst scheint Südafrika ein sehr passender Bewerber zu sein, die RugbyóWM hat man bereits erfolgreich organisiert, die südafrikanische Infrastruktur ist von der FifaóKommission schon sehr gelobt worden, und genügend Stadien gibt es auch. Der größte Vorteil der WM 2006 in Südafrika liegt aber darin, dass die Bilder von Ausschreitungen, die alle Verbände so gern vermeiden wollen, aus Südafrika ganz sicher nicht um die Welt gehen. Denn die Nazis würden dort auf keinen Fall hinfahren, und auch die Hooligans aller europäischen Länder legen keinerlei Wert darauf, um die halbe Welt zu reisen, um sich dann vor Ort ins Gefängnis sperren zu lassen.