Landsmannschaft Ostpreußen trennt sich von ihrer Jugendorganisation

Schaufel abgeworfen

Die Landsmannschaft Ostpreußen trennt sich wegen neofaschistischer Umtriebe von ihrer Jugendorganisation - und gründet rasch eine neue, damit die Vertriebenen nicht aussterben.

Image ist alles. Die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) will mit Neofaschisten - vor allem in den eigenen Reihen - nichts zu tun haben. Bereits Ende Januar hatte die Vertriebenenvereinigung ihren Jugendverband, die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), vor die Tür gesetzt - doch erst in den letzten Wochen wurden auch Erklärungen nachgeliefert. Als Grund werden zahlreiche neofaschistische Vorfälle und Äußerungen von einigen JLO-Landesverbänden aus den vergangenen Monaten genannt.

Bereits im März letzten Jahres hatte René Nehring, der damalige Bundesvorsitzende der JLO, auf rechtsextreme Tendenzen in den Landesverbänden Hessen und Sachsen hingewiesen. Diese hätten ein »negatives Außenbild« produziert, schrieb Nehring damals an Mitglieder der JLO. Zudem sei der Anschein erweckt worden, dass »es sich bei unserem Verein um eine extremistische Gruppierung handelt«.

In seinem Schreiben ging Nehring auch auf den Hessenrundbrief, das Mitteilungsblatt des hessischen Landesverbandes, ein. Dort war von der »großartigen Idee« geschwärmt worden, ein »neues, vereintes, nationales, soziales Deutschland zu schaffen«. Man wolle gegen »Scheindemokraten, EU-Bürokraten und Großkapitalisten« kämpfen, »solange noch das Blut für die Interessen des deutschen Volkes in unsern Adern fließt«.

Die Sächsische JLO war schon einen Schritt weiter: Der dortige Landesverband demonstrierte gemeinsam mit der rechtsextremen NPD in Dresden und setzte auf offenen Rassismus: Mit einer antisemitischen Darstellung wurde für eine Veranstaltung zum »Schwarzbuch des Kommunismus« geworben. Dies rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan, die deswegen ein Ermittlungsverfahren gegen die JLO einleitete.

Gegen derartigen »Extremismus« verwahrte sich Nehring, der bei der letzten Bundestagswahl für den Bund Freier Bürger kandidiert hatte. Gemeinsam mit einem Teil der Führungsriege der JLO versuchte er auf vereinsrechtlichem Weg, die neofaschistischen Kräfte aus dem Verband zu drängen - ohne Erfolg: Eine Gruppe um Christian Schaar, einem der Beisitzer im JLO-Bundesvorstand, setzte sich bei den letzten Bundesvorstandswahlen durch. Schaar, der frühere baden-württembergische Landesvorsitzende der JLO und Regionalbeauftragte der Deutschland-Bewegung von Alfred Mechtersheimer, übernahm das Kommando in der JLO.

Offenbar aus Sorge um das eigene Ansehen sah sich die Mutterorganisation zu einer öffentlichen Abgrenzung von neofaschistischen Umtrieben gezwungen. Ein Mitglied des LO-Bundesvorstandes betonte, dass es sich wohl um eine »gezielte Unterwanderung der JLO durch Mitglieder radikaler, zum Teil verbotener Organisationen« gehandelt haben müsse.

Weil sich aber gerade die neofaschistischen gegenüber den rechtskonservativen Kräften auf längere Sicht in der JLO durchgesetzt hatten, musste schließlich der Bundesvorstand der Landsmannschaft eingreifen: Die finanzielle und organisatorische Unterstützung für die Junge Landsmannschaft sei mit sofortiger Wirkung eingestellt, die JLO habe als Jugendorganisation ausgedient, beschloss der Bundesvorstand im Januar.

Ferner untersagte die Versammlung den traditionsbewussten Jungvertriebenen, die Elchschaufel - das Symbol des Vertriebenverbandes - zu verwenden und die Bezeichnung »Landsmannschaft Ostpreußen« zu führen. Auch um eine neue Postanschrift muss sich der Vertriebenen-Nachwuchs nun kümmern. Bei der Landsmannschaft Ostpreußen werden Solidaritätsbriefe an die Rausgeworfenen wohl im Papierkorb landen.

Die Trennung muss zwar noch vom obersten Gremium der Landsmannschaft Ostpreußen, der Ostpreußischen Landesvertretung (OLV), bestätigt werden, die erst gegen Jahresende tagt. Doch dabei dürfte es sich nur um eine Formsache handeln. Obwohl die Rechtsverbindlichkeit bis zur Entscheidung der OLV noch aussteht, wurde bereits eine Nachfolge für die JLO gefunden: Der Bund Junges Ostpreußen in der Landsmannschaft Ostpreußen (BJO), der Mitte Februar gegründet wurde.

Mit René Nehring an der Spitze und seinen Stellvertretern - dem Gildenschafter Rüdiger Stolle und dem Burschenschafter Bernhard Knapstein, beide ehemalige JLO-Vorsitzende - sollen die Jungvertriebenen wieder auf Kurs gebracht werden. Die »Zukunft der ostpreußischen Jugend«, so Knapstein, liege in der »engen Anbindung an die Landsmannschaft«. Man wolle den »Nachwuchs und damit den Fortbestand der Landsmannschaft und ihrer Untergliederungen« sichern.

Damit greift der BJO die ursprünglichen Konzepte der JLO wieder auf - nur unter anderem Namen. Die JLO hatte erst 1991 die damalige Nachwuchsorganisation Gemeinschaft Junges Ostpreußen (GJO) beerbt. Der Grund für den Jugendverbandswechsel war seinerzeit nicht die Durchdringung von neofaschistischen Kräften, sondern die zu sehr auf die apolitische Brauchtumspflege ausgerichtete Arbeit der GJO.

Denn im Ostpreußen-Look bei Vertriebenenveranstaltungen am Biertisch zu lümmeln oder Volkstänze aufzuführen, reicht für den ernsthaften Kampf um das, was sie Heimat nennen, nicht aus: Schon 1985 hatte das Ostpreußenblatt den Generationswechsel bei den Landsmannschaften als die »größte Bewährungsprobe ihrer Geschichte« bezeichnet: »Nur wenn es gelingt, einer geschichts- und heimatbewußten, sachkundigen und tatkräftigen Bekenntnisgeneration die Verantwortung zu übertragen, ist eine reibungslose Kontinuität in der Arbeit der Landsmannschaften gewährleistet.«

Wenn dies nicht gelingen würde, so die damalige Befürchtung, »wäre auch die deutsche Frage in der Tat nicht mehr offen«, sondern »von uns selbst abgeschlossen und zu den Akten« gelegt worden. Zum Glück für die Ostpreußen ist die Kontinuität nun wieder gewährleistet.