Ruderrennen zwischen Oxford und Cambridge

Out of the Blues

Beim jährlichen Ruderrennen zwischen den englischen Universitäten Oxford und Cambridge gewannen in diesem Jahr die Underdogs.

Oxford ist ein idyllisches Städtchen. Neben den aus mehreren Jahrhunderten stammenden Collegegebäuden trägt dazu vor allem das viele Grün im Stadtbild bei: Parks, etwas Wald, Auen und nicht zuletzt die Uferlandschaften der beiden Flüsse Cherwell und Themse.

Oxford ist aber keine normale englische Kleinstadt, sondern eine der beiden wichtigen Universitätsstädte des Landes. Und deswegen heißt die Themse dort auch nicht Themse, sondern Isis. Trotzdem kann man auf ihr Boot fahren. Tatsächlich ist das Bootfahren sogar eine der beliebtesten Ausflugsvarianten in Oxford, die Touristen schätzen neben den konventionellen Ruderbötchen vor allem die schmalen Boote, die den Gondeln in Venedig sehr ähnlich sehen.

Bei einer solchen Bootsfahrt entstand übrigens das Buch »Alice im Wunderland«. In die Literaturgeschichte ging die Isis durch Max Beerbohms 1911 veröffentlichten Oxford-Roman »Zuleika Dobson« ein. Er endet damit, dass sich sämtliche Oxford-Studenten (bis auf einen) aus unerfüllter Liebe von Themsebooten aus in den Selbstmord stürzen.

Neben Ausflüglern aller Art wird die Themse aber auch von Sportlern benutzt. Jedes der Colleges besetzt seinen eigenen Ruderclub. Und wie die Universität durch die Colleges gebildet wird, setzen sich auch die Universitätsteams aus den besten Ruderern dieser eigenständigen Anstalten zusammen. Zweimal im Jahr, im Frühjahr und im Frühsommer finden universitätsinterne Bootsrennen statt. Zu ganz besonderen Bedingungen: Die Boote fahren nicht neben einander her, sondern in einer langgezogenen Linie hintereinander. Wer es schafft, das Vorderboot zu berühren, rückt im nächsten Rennen einen Platz auf. Insgesamt dauern diese Wettkämpfe jeweils vier Tage und sind dabei ebenso sozialer Event wie sportlicher. Die Siegerparty des Gewinnercolleges, des so genannten Head of the River, bietet dann eine gute Gelegenheit, auf gleichermaßen betrunkene wie alberne Elitestudenten zu treffen.

Höhepunkt ist natürlich das jährliche Rennen Oxford gegen Cambridge. »Das Bootsrennen« wie es in Großbritannien nur genannt wird, entstand 1828. In der Sportgeschichte der Neuzeit ist es damit schon eine sehr alte Veranstaltung, universitätsgeschichtlich ist es jedoch noch ausgesprochen jung - beide Unis wurden immerhin im 13. Jahrhundert gegründet. Zwei Freunde, die zwar beide aus Cambridge kamen, von denen aber einer in Oxford studierte, hatten damals die Idee zu einem gegenseitigen Wettkampf. Oxford gewann und wurde im nächsten Jahr von Cambridge herausgefordert. Auch heute noch ist die Herausforderung des im letzten Jahr Unterlegenen der eigentliche Auslöser für das Rennen - obwohl die Revanche-Begehren in den ersten Jahren noch sehr unregelmäßig eintrudelten. Erst seit 1856 wird das Rennen alljährlich ausgetragen, seither fiel es nur während der beiden Weltkriege aus.

Der Wettbewerb findet von Oxford gesehen flussabwärts auf der Londoner Themse von Putney nach Mortlake statt. Die Strecke ist gut doppelt so lang wie eine Olympia- oder WM-Strecke, führt um zwei Kurven und ist den Witterungsbedingungen sehr viel stärker ausgesetzt als dies im Hochleistungsrudern üblich ist. Das führte in den letzten 170 Jahren zu den dramatischsten Situationen, denn das Rennen wurde noch nie auf Grund schlechter Witterungsbedingungen abgesagt.

Der Wettkampf ging dieses Jahr in seine 146. Auflage. Immerhin seit 1982 nehmen auch Frauen als Steuerfrauen teil. Meistens gewinnt Cambridge - wie vor dem diesjährigen Rennen sieben Mal hintereinander seit 1992. Einmal jedoch, im Jahr 1877, gab es keinen Gewinner. Der Zielrichter Jack »der Ehrliche« Phelps war unter einem Busch eingeschlafen. Aufgeweckt und nach dem Ergebnis gefragt, verkündete er: »Unentschieden für Oxford mit zwei Metern Vorsprung.«

Traditionell treten die Mannschaften in blauen Ruderoutfits gegeneinander an. Oxford trägt seit 1829 in Erinnerung an die ersten beiden Schlagmänner, die in der Farbe des Christ Church-Colleges antraten: Dunkelblau. Cambridge, mittlerweile hellblau gekleidet, trat dagegen 1829 noch in Rosa an, da ihr Schlagmann, Mr. Snow, am St. Johns College eingeschrieben war.

Der Pokal allerdings ist keiner Tradition verpflichtet, sondern wird vom Sponsor gestellt. Dieses Jahr hatte sich die geldgebende Bank für einen 15-Kilo-Pokal zweifelhafter Schönheit entschieden.

Der sportliche Wert des Bootsrennens hat zwar in den letzten 100 Jahren nachgelassen, noch aber sind hier einige der besten Ruderer der Welt vertreten. Vor allem, weil die Bootsteams der beiden Universitäten genauso aus Studenten bestehen wie die ehemaligen Olympiamannschaften der DDR aus Amateuren. Das Diplom, das an erfolgreiche Ruderer verschenkt wird, ist das in Sozialwissenschaften. Ziemlich oft ist der Sozialwissenschafts-Ruderer ein 1,90

m grosser breitschultriger Texaner. Aber dieses Jahr finden Olympische Spiele statt, da haben die echten Stars Besseres zu tun, als ausgerechnet auf der Themse anzutreten. Neben mehreren Amerikanern, einem Südafrikaner und einem Norweger waren überwiegend 18- und 19jährige Briten am Start. Die Wetten standen bei einem moderaten 6 zu 4 gegen Oxford, 13 zu 2 sogar, falls das Team mit mehr als einer Länge gewänne. Das Wetter war englisch, die beiden Themseufer waren trotzdem gefüllt, und Cambridge hatte bereits das Rennen der Reservemannschaften Isis versus Goldie verloren.

Im eigentlichen Rennen lag Oxford von Beginn an vorne. Das Boot unter Steuerfrau Kajsa McLaren kaperte die Mitte des Flusses, sodass Cambridge meistens auf die schlechter zu befahrenden Uferbereiche ausweichen musste. Die Hellblauen griffen zwar immer wieder an, konnten aber durch das Oxford-Team knapp in Schach gehalten werden. Neun Millionen Zuschauer in Großbritannien und 250 Millionen weltweit verfolgen nach Angaben der BBC zumindest die Zusammenfassung des Rennens.

Und erlebten ein Rennen, das bis hinter die zweite Themsebiegung offen war. Der Wind kam dann direkt von vorne, der Wellengang wurde stärker und die Dunkelblauen konnten sich absetzen. Schließlich erreichten sie die Ziellinie mit überraschenden drei Längen Vorsprung. Beide Teams brauchten ungefähr 600 Schläge bis ins Ziel, das heißt, dass jeder Ruderer für jeden Ruderschlag im letzten Jahr ca. eine Stunde trainiert hat.

Die beiden Universitäten treten aber nicht nur sportlich gegeneinander an. Zur Zeit dürfte Oxford auch im akademisch-politischen Wettstreit die Nase vorn haben. Schließlich besuchte nicht nur Anthony Blair die Uni, sondern auch William Clinton, der dort während seiner Studienzeit ganz ausdrücklich nicht inhalierte. Oxford kann überdies noch mit einem weiteren sportlichen Höhepunkt glänzen: Dem jährlichen Schildkrötenrennen zwischen den Colleges Brasenose, Balliol, und Corpus Christ.