Türkische Armee will sparen helfen

Freikauf gegen Spende

<none>

Die Staatskassen sind leer, harte Währung muß her. Damit der türkische Staat wieder zu Geld kommt, will nun selbst der Generalstab der türkischen Armee mithelfen: Männer im Wehrpflichtalter sollen sich künftig gegen eine "Spende" von 15 000 Mark - türkische Lira werden wegen des Währungsverfalls nicht angenommen - für die Erdbebenopfer von einem großen Teil des Wehrdienstes befreien können. So würde der Staat bei der Unterstützung der Angehörigen der mehr als 15 000 Toten und der zahlreichen Obdachlosen entlastet.

Das Militär aber will nur einen Teil der Wehrpflichtigen entbehren. Daher soll die Regelung nur für jene gelten, die vor dem 1. Januar 1973 geboren wurden - sehr zur Verärgerung der Wehrpflichtigen, die jünger sind. Seit der Entwurf in der vorletzten Woche vorgelegt wurde, beschweren sie sich in der türkischen Presse: "Sind wir nicht auch die Kinder dieser Nation?" Die über 40jährigen, die bisher den Dienst an der Waffe umgehen konnten, sollen gegen eine Zahlung von 20 000 Mark komplett vom Wehrdienst befreit werden.

Die Spendensumme ist drei-, bzw. viermal so hoch wie das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Türkei. Viele Banken bieten nun auf ihre Weise eine Lösungsmöglichkeit an. Seit der vergangenen Woche kündigen sie an, Sonderkredite in der Höhe des Freikaufsbetrages bereitzustellen - gegen hohe Zinsen.

Obwohl der Vorschlag des Militärs und der dazugehörige Gesetzesentwurf von der Nationalversammlung in Ankara bisher weder besprochen noch abgesegnet wurde - der Startschuß zum Freikauf somit noch nicht gegeben ist -, hatten sich schon bis zum vorletzten Wochenende 40 000 Männer gemeldet, um sich kostenpflichtig vom Wehrdienst befreien zu lassen. Dies gab der türkische Verteidigungsminister Sabahattin Cakmakoglu bekannt. Ministerpräsident Bülent Ecevit erwartet insgesamt 200 000 wehrpflichtige Männer, die lieber zahlen als marschieren.

Geht der Plan auf, würden nach Berechnungen der Staatsplanungskommission rund drei Milliarden Mark eingenommen. Die Frage ist jedoch, ob die Milliarden wirklich den Erdbebenopfern zugute kommen oder ob die Gelder hauptsächlich zum Wiederaufbau der militärischen Anlagen und der Industrie in der zerstörten Region dienen sollen.

Und auf die, die zahlen, wartet schon die Provinz Burdur: Schließlich ist mit den gezahlten 15 000 Mark nicht der komplette Wehrdienst von 18 Monaten abgeleistet - zwei Monate Grundausbildung sollen verbindlich für alle bleiben. In Burdur, nördlich der Ferienregion Antalya gelegen, sollen die meisten der Freigekauften für die zwei verbleibenden Monate stationiert werden.

Die Mitglieder der dortigen Handels- und Industriekammer (BTSO) reiben sich deshalb schon die Hände. Der BTSO-Vorsitzende Salih Dincer erklärte kürzlich der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, der Aufenthalt dieser Kurzzeitsoldaten in Burdur werde zu einem enormen wirtschaftlichen Zuwachs führen: "Das bedeutet für unsere Wirtschaft einen Zuwachs von 2 000 Prozent."

Wer in der Türkei berechtigt ist, sich vom Kriegsdienst freizukaufen, sollte rasch zugreifen, solange es dem Staat noch an Geld mangelt: Bis zum nächsten Erdbeben könnte es noch einige Jahre dauern.