Kurzgeschlossen

Auf dem liberalisierten Strommarkt überbieten sich die Konkurrenten: Mit Niedrigpreisen, Fusionen und Entlassungen

Wer im kommenden Winter mit einem Radiator heizt, muß sich weniger Sorgen um seine Rechnung zu machen. Ähnlich wie bei der Telekommunikation fallen nach der Deregulierung des Strommarktes die Preise fast im Wochentakt. Vor allem kleine Firmen wie Yello machen immer neue Dumping-Angebote. Und die großen Energieunternehmen geraten durch den schärferen Wettbewerb in Bedrängnis. Fusionen sollen nun helfen, Kosten einzusparen. Jüngstes Beispiel dafür ist die geplante Verbindung zwischen den Konzernen Veba und Viag.

Beide Unternehmen gehören zu den größten Energielieferanten in Deutschland, auch wenn sie in noch vielen weiteren Geschäftsfeldern tätig sind. Mit rund 84 Milliarden Mark Umsatz und 116 700 Mitarbeitern ist die Veba dabei der mächtigere Partner. Außer U-Booten und Unterwäsche hat der Mischkonzern fast alles zu bieten: Chemie, Öl, Logistik, Immobilien und Telekommunikation zählen zu den wichtigsten Geschäftsbereichen, dazu kommen aber auch Dienstleistungen aller Art. Die Stromsparte wird von dem Tochterunternehmen PreussenElektra bedient.

Auch die Viag AG kann mit großen Zahlen protzen: Der Jahresumsatz betrug 1998 fast 50 Milliarden Mark, der von rund 86 000 Beschäftigten erwirtschaftet wurde. Der Freistaat Bayern hält rund ein Viertel der Anteile und ist damit größter Einzelaktionär.

Eine Verbindung wäre für beide Unternehmen lukrativ. Gemeinsam wären sie nach DaimlerChrysler und VW mit einem Umsatz von 125 Milliarden Mark drittgrößter deutscher Konzern. Durch eine Fusion könnten die beiden Gemischtwarenläden in einigen lukrativen Sparten zum Marktführer aufsteigen - vor allem im Bereich Energie, Chemie und Telekommunikation. Den Rest könnten sie teuer verkaufen.

Beste Voraussetzungen bietet dafür vor allem der Energiesektor. Die Viag-Tochter Bayernwerke und Preussen-Elektra zusammen wären mit etwa 180 Milliarden verkauften Kilowattstunden die Nummer eins in Deutschland - weit vor dem Hauptkonkurrenten RWE - und Nummer zwei in Europa hinter dem französischen Giganten EdF.

Bis zu 1,5 Milliarden Mark an Ein-sparungen jährlich würde eine Fusion nach Angaben des Handelsblatts bringen - und jede Menge Jobs kosten. Allein bei PreussenElektra könnten rund 700 Mitarbeiter überflüssig werden, berichtete die Berliner Zeitung.

Die Einsparungen hat vor allem die Viag bitter nötig. Denn der harte Wettbewerb auf dem liberalisierten europäischen Strommarkt macht den Bayern schwer zu schaffen. Preisbedingte Einbußen im Stromgeschäft haben dem Gesamtkonzern bis Ende Juni einen Rückgang um 15 Prozent bei den Gewinnen beschert, teilte die Viag in ih-rem Jahreszwischenbericht mit. Weder das rigorose Sparprogramm - bis zum Jahr 2001 sollen rund 2 000 Arbeitsplätze wegfallen - noch der Zuwachs an neuen Kunden konnten den Verfall der Strompreise bisher kompensieren: Während die Bayernwerke den Absatz im ersten Halbjahr immerhin um fünf Prozent gesteigert haben, blieben die Umsätze konstant.

Und die Preise fallen weiter. So will die RWE ab 1. November von ihren Kunden zwei Pfennig weniger pro Kilowattstunde verlangen und nur noch 25,9 Pfennig berechnen. Die RWE setzte damit ihre "Ende Juli begonnene Wettbewerbsoffensive konsequent fort", sagte Vorstandschef Manfred Remmel. Ein Ende des Preiskampfes auf dem europäischen Strommarkt ist dabei noch gar nicht abzusehen. Derzeit verfügt Energie Baden-Württemberg (EnBW) mit rund 19 Pfennig über einen der günstigsten Tarife - die EnBW liefert vor allem billigen französischen Atomstrom. In Finnland etwa zahlen die Verbraucher 14 Pfennig pro Kilowattstunde.

Auch PreussenElektra will da nicht zurückstehen und kündigte eine eigene Strommarke unter den Namen Elektradirekt an. Diese wird ab sofort einen Tarif anbieten, der mit den Dumping-Angeboten anderer Stromverkäufer mithalten soll.

Eines der noch verbleibenden Hindernisse auf dem Weg zu einem vollständig deregulierten Strommarkt stellen vor allem die rund 500 Stadtwerke dar. Insbesondere die Werke, die ihren Strom selbst erzeugen, können bei dem Preiskampf nicht mithalten. Viele lokale Energieversorger verweigern daher noch die Durchleitung; auch gibt es keine bundeseinheitlichen Tarife; Transfers müssen jeweils einzeln ausgehandelt werden.

Das soll bald anders werden. Erst vergangene Woche hatte das Bundeskartellamt die Berliner Bewag dazu verdonnert, ein Fünftel seiner Leitungen für seine Konkurrenten zu öffnen. Man habe damit deutlich machen wollen, daß das Amt keine Verhinderungen des Wettbewerbs hinnehmen werde, sagte Kartellamtspräsident Dieter Wolf.

Den harten Wettbewerb vor Augen haben auch die beiden Energieriesen Viag und Veba. Doch die Verhandlungen kommen nicht so recht voran. Vergangene Woche konnten Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Veba-Chef Ulrich Hartmann bei einem Spitzengespräch keine Entscheidung treffen. Vielleicht lag es auch daran, daß Veba angeblich eine feindliche Übernahme vorbereitet hatte, wie das Handelsblatt berichtete. Demnach hatte die Veba ohne Abstimmung mit der Viag eine Offerte für Bayerns 25,1 Prozent abgegeben. Der Freistaat wie die beide Unternehmen dementierten eilig.

Viel Zeit für ihre Verhandlungen bleibt den beiden Konzernen auf dem rasanten Strommarkt allerdings nicht, wenn sie nicht riskieren wollen, daß ihnen die Konkurrenz doch noch den Saft abdreht. Die RWE und die französische EdF denken ebenfalls bereits über eine Verbindung mit der Energie Baden-Württemberg nach - niedrige Preise und Massenentlassungen inklusive.