Ein Besuch bei KI-Forschern

Bienenschwarm statt Torschützenkönig

Das Fußballspiel gilt als Labor der Künstlichen Intelligenz. So gut wie die Stürmer des Herbstmeisters Hoffenheim sind die humanoiden Roboter noch lange nicht.

So ziemlich jedes Institut für Informatik, sei es in Teheran oder Chemnitz, besitzt mindestens eine Professur für Künstliche Intelligenz und mehrere daran angeschlossene Abteilungen, an denen beispielsweise »stereoskopische Visionen für zweifüßige Roboter« oder »generische Algorithmen und Komplexitätsschranken für koalgebraische Modallogiken« erforscht werden.
So ziemlich jedes Institut hat auch seine eigenen Fußballroboter, denn mit diesen will die KI-Forschung seit einigen Jahren ihre Fortschritte unter Beweis stellen.

Zu einem der besten humanoiden Roboterteams der Welt zählen die FU-Fighters des Erfolgstrainers Raul Rojas, Professor für Künstliche Intelligenz an der Freien Universität Berlin. Im Keller des Instituts ist ein kleines Fußballfeld aufgebaut, zwei Mitarbeiter, die an der Programmierung und Entwicklung der Humanoiden beteiligt sind, führen ihre Modelle vor. Lola und Lean sollen zeigen, was sie können. Während Lean, der das Torwart-Programm geladen hat, sofort auf seine Position marschiert, trippelt Lola apathisch um den Ball herum und fällt auch noch mehrmals um, ohne dass sie gefoult worden wäre. Zwar rappelt sie sich immer wieder auf, doch die studentische Mitarbeiterin kann das nicht länger mit ansehen. Sie wechselt Lola aus und nimmt dafür Kiki rein. Doch bevor sie den Auswechselspieler aufs Feld schickt, spielt sie ihm ein torgefährliches Programm auf die Festplatte. Zwar reicht auch Kikis Torgefährlichkeit nicht an den Topscorer Vedad Ibisevic vom Herbstmeister Hoffenheim heran, aber immerhin holt Kiki einen Elfmeter raus, verfehlt aber das Tor.
Die Programme seien ein wenig durcheinander, weil die Studenten daran herumexperimentieren würden, entschuldigen sich die beiden Mitarbeiter. Immerhin waren die FU-Fighters bereits zwei Mal Weltmeister, man muss den Assistenztrainern also glauben, dass Lola und Kiki besser in Form sind, wenn es wirklich darauf ankommt.
Das erklärte Ziel der Weltmeisterschaft RoboCup ist es, im Jahr 2050 ein vollständig autonom agierendes Team aus humanoiden Robotern aufstellen zu können, das den amtierenden Fußballweltmeister der Fifa schlägt. Professor Rojas hält das für illusorisch: »Es sieht nicht danach aus, als würden die Humanoiden 2050 die Menschen schlagen können. Dazu fehlen noch viel zu viele Erkenntnisse. Weder sind wir dazu in der Lage, die menschlichen Bewegungsabläufe derart perfekt nachzubilden, noch dazu, die Energieleistung der Muskeln mit den bestehenden elektrischen Mitteln zu imitieren oder gar die Fähigkeit zur sozialen Interaktion ausreichend zu programmieren.« Rojas hat sich deshalb mit seinem Team mittlerweile auf Objekte wie das autonome Fahrzeug oder die Robo-Bees, mit denen der Tanz der Honig­biene imitiert werden soll, konzentriert.
»Mit dem Auto sind wir viel näher an der Realität des Menschen dran als mit dem Fußballroboter«, sagt Rojas. Bei der Berechnung des autonomen Automobils seien wesentlich präzisere Berechnungen notwendig, die vor allem Reaktionszeit und Objekterkennung beträfen. Ein Fehler des Fußballroboters würde lediglich ein Tor, ein Fehler des autonomen Autos eventuell ein Menschenleben kosten.

Allerdings ist die Objekterkennung eine vertrackte Angelegenheit: »Es gibt immer noch keinen Computer, der einen Menschen erkennt oder eine Tasse von einem Tisch unterscheiden kann«, erklärt Rojas. Es habe in dieser Hinsicht lediglich einige Fortschritte im Forschungszweig des »emotional computing« gegeben, ein Computer könne inzwischen angeblich durch Videoaufnahmen erkennen, ob eine Person gelangweilt oder erfreut gucke.
Längst sei der anfängliche Glaube der KI-Forschung, man könne die Komplexität menschlicher Intelligenz lückenlos erschließen, geschwunden. »Man kehrt zu den Basics zurück und schaut sich an, welche intelligenten Reflexe beispielsweise Insekten haben.« Dabei würde der Begriff der Intelligenz dementsprechend weiter gefasst. »Intelligenz besteht nicht nur aus kognitiven Fähigkeiten. Auch das Sehvermögen von Adlern kann man als intelligent beschreiben«, sagt Rojas. So weit hat es die KI-Forschung also bisher gebracht. Da wollte man verstehen, wie der Mensch funktioniert, und ist bei Bienen und Blümchen gelandet.