Präsidentschaftswahlen in El Salvador

El Mariachi spielt ein neues Lied

Seit fast 20 Jahren regiert die rechtsextreme Arena in El Salvador. Doch bei den Präsident­schaftswahlen am Sonntag werden dem Kandidaten der linken FMLN gute Sieges­chancen eingeräumt.

Die Analogie ist derzeit wohl unvermeidlich. »Mauricio Funes ist unser Barack Obama«, war auf etlichen Plakaten von Anhängern der FMLN in San Sal­vador zu lesen. Die Wählerinnen und Wähler des Präsidentschaftskandidaten der Na­tionalen Befrei­ungsfront Farabundo Martí (FMLN), Mauricio Funes, hoffen auf change. Seit fast 20 Jahren regiert die ultrarechte Nationalistische Re­pu­bli­ka­ni­sche Allianz (Arena) das kleine zentralamerikanische Land. Mit Funes als Kandidaten werden der FMLN gute Chancen eingeräumt, dies zu ändern.
Die Meinungsumfragen prognostizieren, dass Funes gewinnen wird. Doch vor den Parlaments- und Kommunalwahlen im Januar schien die Bürgermeisterin der Hauptstadt San Salvador, Vio­leta Menjívar von der FMLN, ebenfalls zu führen. Schließlich gewann jedoch Norman Quijano von der Arena. Obwohl eine der Hochburgen der FMLN verloren ging, wertete die ehemalige Guerillabewegung die Wahl insgesamt als Erfolg. Die linke Partei regiert nun in 93 Landkreisen, zu­vor waren es 58. Sie gewann drei Sitze im Parlament hinzu und stellt nun 35 Abgeordnete. Die Are­na zählt nur 32 Abgeordnete, doch an den Mehr­heitsverhältnissen ändert das wenig, da die elf Parlamentarier der Partei der Nationalen Versöhnung (PCN) mit der Arena abzustimmen pflegen.

In der Hymne der Arena wird gedroht: »El Salvador wird das Grab der Roten sein.« Die Partei bestreitet den Wahlkampf wie immer mit antikommunistischen Parolen. Doch in diesem Jahr dürfte eine Angstkampagne wie bei den Wahlen 2006 nicht so erfolgreich sein. Der damalige Kandidat und derzeitige Präsident Elías Antonio Saca behauptete, dass unter einer linken Regierung alle ausländischen Unternehmen das Land verlassen würden und Massenarbeitslosigkeit drohe. Menschenrechtsorganisationen beschuldigten Unternehmer, Arbeiter unter Druck zu setzen, damit sie Arena wählen. Der Botschafter der USA verkün­dete, dass nach einem Sieg der FMLN keine Rücküberweisungen aus den USA mehr ankommen würden. Diese remesas machen derzeit etwa 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Erst nach den Wahlen widerrief der Diplomat seine Aussagen.
Bei den diesjährigen Wahlen ist der Widerspruch zwischen den antikommunistischen Parolen und der Realität größer denn je. Denn anders als der Kandidat der FMLN im Jahr 2006, Shafik Han­dal, kommt Mauricio Funes nicht vom linken Flü­gel der Partei. Handal war bereits während des von 1980 bis 1992 andauernden Bürgerkriegs in der damaligen Guerillabewegung FMLN aktiv. Doch Mauricio Funes war Fernsehjournalist, bevor er in die Politik ging. Er repräsentiert den rechten Flügel der FMLN und tritt mit einem gemäßigten sozialdemokratischen Programm an (siehe Interview auf Seite 20).
Bei der Arena sieht man offenbar dennoch keinen Anlass für eine Abkehr von den alten Parolen. Gegründet wurde die Partei 1980 von Roberto d’Abuisson. Ihm wird vorgeworfen, die Todes­schwa­dronen gegründet zu haben, die während des Bürgerkriegs Dorfbewohner terrorisierten und ermordeten, um sie davon abzuhalten, die FMLN zu unterstützen. Den Todesschwadronen wird die Verantwortung für den größten Teil der über 70 000 Toten des Bürgerkriegs gegeben. Rechtlich belangt wurde d’Abuisson nie. Bis heute hat die Arena einen großen Einfluss auf Polizei und Justiz.

Auch etliche nach dem Bürgerkrieg begangene Morde an linken Aktivisten wurden den Untersuchungen von Menschenrechtsorganisationen zufolge von Arena-Politikern in Auftrag gegeben. Das im September 2006 verabschiedete Antiterrorismusgesetz ermöglicht es, selbst Straßensper­ren als terroristische Aktionen zu werten.
Dass die Arena die Herrschaft der alten Oligarchie bewahren und Gräber für die »Roten« schau­feln will, erscheint mittlerweile auch vielen Unternehmern nicht mehr zeitgemäß. Der Präsidentschaftskandidat Rodrigo Ávila repräsentiert den traditionalistischen und oligarchischen Flügel der Partei. Viele Unternehmer sympathisie­ren mit Funes, dessen Modernisierungspläne auch ihren Interessen dienlich sein könnten.
Deshalb bemüht sich die Arena nun, die FMLN als von Venezuela gesteuert zu diffamieren, so wie es viele rechte Parteien in Lateinamerika in den vergangenen Jahren vormachten. »Es gibt ein Sprichwort im Spanischen: ›Wer immer den Mariachi bezahlt, bestimmt, welches Lied gespielt wird‹«, sagte Rodrigo Ávila kürzlich auf einer Wahlveranstaltung. »Egal was sie sagen und was sie tun, die Kampagne der FMLN wird von Ve­nezuela bezahlt.«
Derartige Vorwürfe weist die FMLN zurück. Vielmehr sei es die Arena, die aus Venezuela Geld erhalte. Sie werde von der rechten venezolanischen NGO Solidarische Kraft unterstützt. Unter den Oppositionsgruppen Venezuelas ist diese Organisation des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Peña Esclusa zwar nicht besonders aufgefallen, doch auf ihrer Homepage bekennt sie sich zum Kampf gegen »subversive Gruppen, die Verbindungen zum Castro-Kommunismus« pflegten. Der Solidarischen Kraft wird auch vorgeworfen, mit der klerikalfaschistischen Organisation Tradition, Familie und Privateigentum (TFP) zu kooperieren, die in den sechziger Jahren in Brasilien gegründet wurde. Zumindest gibt es eine programmatische Übereinstimmung zwischen diesen Gruppen.
Auch der Vorwurf, die FMLN sei Hugo Chávez hörig, scheint der Arena nicht den gewünschten Erfolg zu bringen. Deshalb ließen sich die Rechts­extremisten im letzten Moment doch noch etwas Neues einfallen. Kürzlich kündigte Ávila an, er werde als Präsident ein umfangreiches Sozialpro­gramm einleiten. Doch dieser Sinneswandel kommt wohl allzu plötzlich, als dass er für die Sal­vadorianer glaubwürdig wäre.

Der Einfluss der Arena auf den Staatsapparat könnte allerdings Wahlmanipulationen ermöglichen. Bei den Wahlen im Januar sollen Arena-Politiker mit Bussen Nicaraguaner und Honduraner nach San Isidro gekarrt haben, wo die mit falschen Pässen Ausgestatteten ihr Kreuz an der rechten Stelle machten. Viele Linke in Zentral­amerika fürchten, bei der Wahl am Sonntag könn­ten die Rechtsextremisten ähnlich vorgehen.
Sollte Mauricio Funes die Wahl gewinnen, wird seine Regierung vor enormen Problemen stehen. El Salvador hat eine der höchsten Mordraten der Welt, dazu leistet auch die Polizei einen Beitrag, die, wie die Justiz, weiterhin von der alten Oligarchie konrolliert wird. Die Krise führt zu einem Rückgang der remesas (Jungle World 10/09), auch die Wirtschaft des Landes wird unter der globalen Rezession leiden. Eines zumindest hat Funes dann mit Obama gemeinsam. Er hätte die Macht zu keinem schlechteren Zeitpunkt über­nehmen können.