Da hilft kein Beten

Anti-Antifa hetzt in Jena gegen einen engagierten Jugendpfarrer

"Am Nachmittag verteilen sie Flugblätter, und am Abend jagen sie Andersaussehende und Andersdenkende." Die Mitarbeiterin der Jungen Gemeinde Jena weiß wovon sie spricht. Die Neonazis der thüringischen Universitätsstadt terrorisieren seit Wochen das evangelische Haus der Kirche und die dort ansässige Junge Gemeinde (JG).

Unter Leitung von André Kapke, Landesvorstandsmitglied der Thüringer NPD und Sprecher des "Thüringer Heimatschutzes", führten die Neonazis am 10. Oktober einen unangemeldeten Aufmarsch "gegen Linksterrorismus" durch. Das Motto: "Liebe predigen, Haß schüren!" Anschließend versuchten sie, das Haus der Evangelischen Gemeinde zu stürmen. Nur das Einschreiten der herbeigeeilten Polizei verhinderte den Angriff der über 50 Neonazis aus Jena, Gera, Altenburg und Saalfeld.

Besonderen Groll hegen die Rechtsextremen gegen den Stadtjugendpfarrer Lothar König. Sie werfen ihm vor, "unter dem Deckmantel der kirchlichen Jugendarbeit die gewaltbereite linksautonome Szene" zu unterstützen. In einem Flugblatt behaupten die Nazis: "Die von Pfarrer König geleitete JG wird u.a. als Zufluchtsort genutzt, um sich nach diversen Straftaten polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen zu entziehen." Und weiter: "Solange Lothar König und die JG in der Jenaer Innenstadt ihr Unwesen treiben, ist ein Ende der Gewalt nicht abzusehen." Neben dem "Thüringer Heimatschutz" haben das Schreiben verschiedene, allesamt vermutlich wenig relevante Gruppen unterschrieben, darunter ein "Nationaler Mädelbund Thüringen", eine Initiative "Gewaltfrei für Deutschland", der "Fränkische und Uckermarker Heimatschutz" sowie das "Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland".

Hintergrund für die Verleumdungs- und Hetzkampagne gegen die JG ist ihr Engagement gegen Rechts. Jugendpfarrer König: "Die JG hat sich in den letzten Jahren zu einem der entschiedensten Gegner der rechtsextremen Szene in Jena und Thüringen entwickelt. Vermutlich ärgert die Neonazis ganz besonders, daß wir - zusammen mit über 300 Menschen - am 18. Juli eine Republikaner-Veranstaltung mit Rolf Schlierer in Jena verhindern konnten."

Seit Anfang Oktober mehren sich die Aktionen der Neonazis. "Bei einem Punkkonzert im Innenhof der JG entrollten zwei Vermummte ein Plakat mit der Aufschrift 'Lieber tot, als rot'", erzählt eine JG-Mitarbeiterin, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte. Während eines Vortrags über Jenas Ärzte im Dritten Reich hätten etwa 20 bekannte Neonazis die Veranstaltung gestürmt und die Gäste bedroht. "Und nachts machen sie immer öfter vermummt und bewaffnet Jagd auf Antifas und Afrikaner." Seien die Nazis früher fast nur in der Plattenbausiedlung Jena-Lobeda zu sehen gewesen, so würden sie im letzten halben Jahr verstärkt in der Innenstadt aktiv.

Die Junge Gemeinde ist dabei schon länger im Visier der Rechtsextremen. Im Juli 1997 schlugen drei Burschenschafter vor dem Haus der JG einen Jungen nieder und verletzten anschließend Jugendpfarrer König mit einem Totschläger am Kopf, als dieser eingreifen wollte. Die Staatsanwaltschaft stellte Königs Klage aus Mangel an Beweisen und Zeugen ein. Die Zeugen der JG lehnten sie wegen Befangenheit ab.

Zuletzt traten die Nazis am 17. Oktober gegen König und die JG an. Unter dem Motto "Gegen linke Gewalt, Drogen und Polizeiwillkür" mobilisierte dasselbe Sammelsurium rechter Grüppchen zu einem Aufmarsch, offiziell angemeldet als NPD-Kundgebung. Doch als sich rund 40 Neonazis auf dem Inselplatz in der Innenstadt sammeln wollten, warteten dort bereits über 400 Gegendemonstranten. Sie waren einem Aufruf der JG gefolgt, die Nazi-Demo zu verhindern. Die Polizei, die rund 800 Einsatzkräfte vor Ort hatte, ermöglichte schließlich den Neonazis eine Kundgebung, bei der NPD-Mann Kapke über Megaphon eine Rede hielt. Darin bezeichnete er König als "Schützer des linken Terrors".

"Die Neonazis wollen mit ihrem Auftreten gegen Gewalt von ihrer eigenen Gewalttätigkeit und ihrer menschenverachtenden Weltanschauung ablenken", kommentiert König das Auftreten der Rechten. Ihr Ziel sei, "die gesellschaftliche Akzeptanz der JG und jeder antifaschistischen Arbeit zu schwächen". Nun sammeln die Neonazis in ihren Hochburgen bei Jena Unterschriften gegen die JG. Der Konvent des Kirchenkreises Jena hat sich mittlerweile hinter die JG und ihren Stadtjugendpfarrer gestellt.