Kritik an Grüner Gentechnik ist notwendig

Mit neuen Allianzen zum Ziel

Kritik an der Grünen Gentechnik ist nicht nur wegen der ökologischen Risiken notwendig, sondern muss sich auch gegen die drohende Übermacht transnationaler Konzerne und die Biopiraterie richten.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat die einzige in der gesamten Europä­ischen Union zum kommerziellen Anbau zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze verboten. Eine klare Entscheidung, die weder von eingefleischt optimistischen noch von notorisch gut ­informierten Gentechnik-Kritikern so erwartet worden war. Der Mais MON 810 des ­US-Gentech-Konzerns Monsanto (der selbstredend rechtliche Schritte prüft) produziert ein Insektengift, das ihn gegen die Larven des Maiszünslers schützen soll.

Aigner betonte, dieser Schritt sei »entgegen anders lautender Behauptungen keine politische Entscheidung« gewesen. Damit meinte sie: Die Angst der CSU vor der Europawahl im Juni sei nicht der (entscheidende) Beweggrund gewesen. Warum das Wohl und Weh’ der CSU überhaupt mit der Agro-Gentechnik in Verbindung gebracht wird, liegt an der gegenwärtigen Gemengelage in Bayern: Der CSU laufen die Stammwähler scharenweise davon. Auch wenn nur ein Teil von ihnen unmittelbar in der Landwirtschaft beschäftigt ist, so hat die Stimmung dort doch sehr viel mit der Stimmung im Freistaat allgemein zu tun. Und die Stimmung auf dem Lande ist gereizt bis schlecht. Es herrscht eine Mischung aus EU-Müdig­keit (die EU ist verantwortlich für eine Milch­politik, die für viele bayerische Familienbetriebe schädlich ist), Globalisierungskritik (Monsanto ist in dieser Sache ein beliebter und erprobter Gegner) und dem langsamen Dämmern, dass die Vertretung durch zum Beispiel die Spitzen des Deutschen und des Bayerischen Bauernverbandes, aber auch durch die CSU nicht immer die Meinung der Bäuerinnen und Bauern widergespiegelt hat.
Die EU-Kommission ist die so genannte Hüterin der (europäischen) Verträge, und in denen ist zu lesen, dass ein Mitgliedsstaat, wenn er »berechtigten Grund zu der Annahme (hat), dass ein GVO (ein gentechnisch veränderter Organismus) als Produkt oder in einem Produkt eine Gefahr für die Umwelt darstellt«, diesen »in seinem Hoheitsgebiet« verbieten kann. Frau Aigner gab in der extra anberaumten Pressekonferenz zu Protokoll, »dass es berechtigten Grund zu der Annahme gibt, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt«. So hat sie die erste formale Hürde mit Eleganz überwunden.
Zu den neueren besorgniserregenden Untersuchungsergebnissen ökologischer Art zählen schädliche Effekte auf den Zwei-Punkt-Marienkäfer, auf verschiedene Wassertiere und diverse Schmetterlinge. Das ist die Währung, mit der in der EU üblicherweise um die Anerkennung von Bedenken an den gentechnisch veränderten Organismen und deren Sicherheit für Mensch und/oder Umwelt gefeilscht wird.

Für Argumente, wie die drohende – oder bereits bestehende? – Übermacht transnationaler Konzerne (Monsanto, BASF, Bayer, Syngenta usw.), die Privatisierung von Gemeingut in Form von genetischen Ressourcen, aber auch die Bewahrung der Schöpfung und die konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips, haben die europäischen Institutionen und die nationalstaatlichen Regierungen verschiedene »Bad Banks« geschaffen. Das sind die Ethikräte und Stakeholder-Foren, die Mach-Mit-Politik-»Zukunftswerkstätten«, Entwicklungsministerien und, und, und. Dort werden die »weichen« Themen verhandelt: Biopiraterie, Nord-Süd-Gefälle, sozio-ökonomische Effekte. Davon wollen die EU-Kommission und die bei der Bewertung gentechnisch veränderter Organismen in der EU federführende Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bisher nichts wissen. Das ist schlecht, könnte sich aber schon bald ändern. Der Umweltministerrat der EU hat im Dezember unmissverständlich gefordert, dass auch diese Argumente in Zukunft deutlicher berücksichtigt werden müssen.
Für den Moment ist das Verbot von MON 810 ein sehr großer Erfolg der Bewegung. Es kann als ein Zeichen dafür gewertet werden, dass verschiedene Strategien in einer Bewegung zum Ziel führen können: Im vergangenen Jahr war eine Reihe von Feldversuchen mit transgenen Pflanzen durch direkte Aktionen verhindert worden, jetzt hat jener Teil der Bewegung einen Erfolg zu verzeichnen, der sich eher an die Politik der Bundesregierung und der EU wendet. Und wenn sich der Werkzeugkasten in Zukunft tatsächlich noch weiter öffnen sollte, dann könnten sich auch noch andere kritische Geister in größerer Zahl des Themas annehmen.

Der Autor ist Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerkes und Redakteur des »Gen-ethischen Informationsdienstes« (GID). Schwerpunkt des aktuellen Hefts: »Das T-Defizit: Linke und Technologiekritik im 21. Jahrhundert«. In Kürze teilweise online unter: gen-ethisches-netzwerk.de