Über die Durban-Nachfolgekonferenz in Genf

Israel gestrichen

Nach dem Auftritt Mahmoud Ahmadinejads war das Spektakel um die so genannte Antirassimuskonferenz der Uno in Genf wenigstens schnell zu Ende. Vorzeitig und ohne Abstimmung wurde die Abschluss­erklärung angenommen. Darin ist von Israel nicht mehr die Rede.

Er war der einzige anwesende Staatschef und der erste Redner auf der so genannten Antirassismuskonferenz der Uno in Genf. Und er tat wieder einmal das, was alle Welt von ihm erwartete. In seiner Rede ließ der iranische Präsident Mah­moud Ahmadinejad alle im vor der Konferenz von vielen Seiten geäußerten Befürchtungen wahr werden. Israel bezeichnete er als das »rassistischste und barbarischste Regime«, das von den Europäern gegründet worden sei, um die islamische Welt von Zionisten kolonisieren zu lassen. In der schriftlichen Fassung wurde außerdem der Holocaust als »zweifelhaft« bezeichnet, in der Rede sei dies nicht der Fall gewesen, teilte die Uno später mit. Durch alle Medien gingen die Bilder der empörten westlichen Diplomaten, die während Ahmadinejads Rede den Saal verließen, unter ihnen war auch die palästinensische Delegation, die später die Worte des iranischen Präsidenten als »schädlich für die palästinensische Sache« bezeichnete. Kaum ein Eklat war erwartbarer.

Obwohl noch Dutzende Staaten und fast 200 NGO auf der Rednerliste standen, beschloss die Konferenzleitung nach Ahmadinejads Rede hastig, die Verabschiedung der Abschlusserklärung um drei Tage vorzuziehen. Ein Tag nach Ahmadinejads Rede war die zuvor in zähen Verhandlungen erarbeitete Abschlussresolution der Konferenz ohne Abstimmung verabschiedet, begründet wurde die Entscheidung mit der Absicht, einen Eklat »in letzter Minute« zu vermeiden. Damit war sogar der so sorgsam konstruierte Schein einer offenen und partizipativen Konferenz zerstört, und der Antirassismusgipfel wurde endgültig zu der Farce, die viele Kritiker von Beginn an prognostiziert hatten.
Zwar gab es Kritik an Ahmadinejad vom UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, und auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, zeigte sich »enttäuscht«. Dies konnte jedoch nicht verhindern, dass sich die Rede, die außerdem noch auf den jüdischen Holocaustgedenktag fiel, wie ein gespenstischer Schleier über die gesamte Konferenz legte und die Atmosphäre bis zur letzten Minute bestimmte. Denn allen, die es sehen wollten, führte Ahmadinejad das grundsätzliche Problem der UN-Antirassismuspolitik klar und deutlich vor Augen: Sie wird von Rassisten bestimmt. Die Meinungshoheit über Menschenrechtsfragen konnten wieder jene Diktaturen des Nahen und Mittleren Ostens für sich beanspruchen, die auch eine Stimmenmehrheit hinter sich wissen. Die Rede ist von Ländern wie Iran, Libyen, Syrien oder Sudan, die Minderheiten und Dissidenten brutal unterdrücken und den Genozid entweder predigen, wie der Iran, oder betreiben, wie in Darfur. Auch unzählige NGO, die unter dem Einfluss dieser Regimes stehen – wie die Gaddafi Foundation, die Islamic Commission for Human Rights oder Ittijah –, nahmen an der Konferenz teil. Sie lancierten Aufrufe zum boykott Israels und bedienten sich auf Plakaten in bewährter Bildsprache der Gleichsetzung von Hakenkreuz und Davidstern. Dass die Rede des iranischen Präsidenten für die Medien das große Highlight der Konferenz darstellte, war zu erwarten. Ihre Ergänzung fanden Ahmadinejads Wor­te im Rahmen der Konferenz in einer Reihe von Nebenveranstaltungen, auf denen derselbe Ton an­geschlagen wurde. So diskutierten auf zahlreichen so genannten Side Events Vertreter dieser Gruppen über »Islamophobie«, »Diffamierung des Islam« und das »zionistische Regime«.
Israel, so beispielsweise ein Podiumssprecher, bedrohe den Gaza-Streifen mit der Atombombe und habe einen faschistischen Premierminister. Verschwörungstheorien kommen in diesem Mi­lieu bekanntlich gut an, eine der beliebtesten, die auf vielen Veranstaltungen präsentiert wurde, lautete, »neokonservative Warlords« würden aus Profitgier die Welt in einen »Kampf der Kulturen« stürzen wollen. Im Mittelpunkt dieser Welt stehe die »neokolonialistische Mauer« stehe, die durch Palästina gehe. Unter den Feinden Israels waren in Genf auch die orthodoxen Juden der antizionistischen Bewegung Neturai Karta vertreten. Mit iranischem Begleitschutz besuchten sie viele Veranstaltungen und nutzten sie als Plattform für ihre Botschaften – von der »gerechten islamischen Herrschaft über die Juden« bis hin zur »Erscheinung des Messias« –, während Vertreter einer der Hizbollah nahestehenden Organisation versuchten, »unerwünschte« Teilnehmer der Konferenz einzuschüchtern, zum Beispiel durch ununterbrochenes Fotografieren.

Die Rassismuskonferenz wird als Farce in die Geschichte eingehen, und dennoch kann man nicht von einer exakten Wiederholung der Konferenz von Durban 2001 sprechen, wenigstens nicht in Hinblick auf die Partizipation an den zahlreichen Initiativen, die bereits lange Zeit vorher eine Kritik formulierten. Da sich diesmal der größte Teil der Side Events in dem Genfer UN-Gebäude abspielte, wurden zumindest einige Veranstaltungen mit offen antisemitischem Charakter von der Konferenzleitung untersagt. Auch wurde alles Material, das als »verhetzend« klassifiziert wurde, umgehend vom UN-Sicherheitsdienst beschlag­nahmt. Ausschlaggebend, um den antizionistischen Konsens in Genf aufzubrechen, war aber vor allem die Teilnahme zahlreicher jüdischer Organisationen aus der ganzen Welt, denen es mit vielen Veranstaltungen und Protest­aktionen gelang, eine Art Gegenöffentlichkeit herzustellen.
Die Bilder von einem Mitglied der European Union of Jewish Students, das mit einer Clowns­perücke während Ahmadinejads Rede in den Saal stürmte und die Konferenz als »Maskerade« beschimpfte, sind durch alle Medien gegangen. Doch es gab auch weitere gelungene Störungen. Eine Gruppe der Union of Jewish Students tat laut in der UN-Lobby ihren Protest kund, und am Rande einer Pressekonferenz des iranischen Staatspräsidenten kam es zu einem Zusammenstoß zwischen einer jüdischen Jugendgruppe und Ahmadinejads Entourage, der in Handgreiflichkeiten auszuarten drohte und nur mit Mühe vom Sicherheitspersonal entschärft werden konn te. In der Folge wurde rund 40 Mitgliedern verschiedener Organisationen, unter anderem der B’nai B’rith, die Akkreditierung entzogen. Zu einem Eklat kam es außerdem, weil Ahmadinejads Rede, die in einem großen Saal für die NGO übertragen wurde, zunächst ohne englische Übersetzung ausschließlich im Farsi-Originalton zur Verfügung stand. In dem Saal kam es zu tumult­artigen Szenen, nachdem der bekannte amerikanische Rechtsanwalt und Publizist Alan Dershowitz der UN lauthals ein »Komplott zur Verhinderung legitimer Kritik« unterstellt hatte, was von mehreren Anwesenden mit höhnischem Gelächter und Buh-Rufen quittiert wurde.

Während bei der ersten Antirassismuskonferenz vor acht Jahren die schlimmsten antisemitischen Ausschreitungen außerhalb der Sitzungssäle stattfanden, so wird die Durban-Folgekonferenz wegen der Propaganda von Diplomaten in Erinnerung bleiben. Denn nicht nur Ahmadinejads Rede, sondern auch der exzessive Gebrauch von Ordnungsrufen durch den Iran, um unliebsame NGO zu maßregeln, sorgte für eine gespannte Atmosphäre. Sowohl Hillel Neuer von UN Watch als auch Ann Bayefski von Eye on the UN wurden beispielsweise in ihren Reden wiederholt von Vertretern des Iran unter dem Vorwand unterbrochen, sie würden nicht zum Thema sprechen oder hätten nicht die korrekte Bezeichnung des Landes, nämlich »Islamische Republik Iran«, verwendet. Der iranische Botschafter bat den kenianischen Tagungspräsidenten Amos Wako, den Red­nern das Mikrofon abzustellen und mit der nächsten Organisation fortzufahren.
Die Abschlussresolution, deren Verabschiedung den einzigen formalen Zweck der Konferenz darstellte, wurde von vielen als Erfolg gefeiert, konnten doch die westlichen Staaten nach monate­langem diplomatischem Hin und Her eine Streichung des Bezugs auf Israel und auf den umstrittenen Ausdruck der »Diffamierung von Religionen« erreichen. Allerdings wird im ersten Artikel die Resolution von Durban bestätigt, und damit sind implizit alle kritisierten Punkte auch im neuen Dokument enthalten.
Nach der Ansicht der Hochkommissarin für Menschenrechte war die Konferenz dennoch ein Erfolg. Mit Blick auf Israel, Kanada, USA, Deutschland, Italien, Holland, Tschechien und Polen, jene Länder, die die Konferenz boykottierten, behauptete sie, eine »gut organisierte und gut vernetzte Kampagne der Desinformation« hätte gezielt versucht, die Konferenz zu sabotieren, und hätte den Boykott seitens der bis kurz vor Schluss unentschlossenen Länder zu verantworten. Dieser Versuch, Kritik als böswillige Verschwörung abzutun, sagt viel über den Geist, der in den altehrwürdigen Hallen der UN herrscht. Wenn Staaten sich dazu entscheiden, eine zweifelhafte Konferenz zu boykottieren, die ideologisch aufgeladen ist und niemandem weniger nützt als den Opfern von Ras­sismus, dann kann man sich das bei den Vereinten Nationen nicht anders erklären, als damit, dass ein finsteres Komplott veranstaltet wird.