Grundgesetz und Postnazismus

Der Staat des Grundgesetzes

Das Grundgesetz regelt nicht, wie in diesen Tagen häufig behauptet wird, die Freiheit des Individuums, sondern seine Verfügbarkeit für den Staat und dessen Konstitution als Volksgemeinschaft.

Die Würde des Menschen

Wer A sagt, muss auch B sagen, das verlangt die Diktatur der Logik. Man kann aber aus einer falschen, nachgerade verlogenen Prämisse nimmer eine wahrhafte Konsequenz folgern. Schon gar nicht im zwanghaften Denken der zum System verschweißten deutschen Ideologie, die sich der Emanzipation der Deutschen zu Menschen strikt verweigert. Denn allerdings verhält es sich so: Wer einmal A gesagt hat, der muss nicht auf B schließen. Er könnte erkennen, dass bereits A falsch war und sodann sich dem Konsequenzzwang verweigern, d.h. die Prämissen des Wahns der nationalen Kollektivität selbst bestreiten. Dass jedoch schon der Anfang ihres famosen, von den Alliierten müh­sam von Hitler gesäuberten Staatswesens falsch war, ist den Landsleuten die Ermächtigung für alles weitere. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, beschlossen am 23. Mai 1949, beginnt denn auch – bevor dann all die Artikel von wegen »Die Würde des Menschen ist unantastbar« (Art. 1 (1)) oder gar Art. 3 (1) folgen: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich«, die den Deutschen mittlerweile heilig sein sollen – mit dieser Präambel: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und … dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk … dieses Grundgesetz … beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.« Was aus dem »Volk« folgt, ist Ableitung und steht unterm Vorbehalt dieser Setzung
Der objektive Zynismus dieses neuerlichen Anlaufs deutscher Staatlichkeit, gar: dieser »Neuerfindung der Deutschen« (wie der Spiegel schrieb), liegt darin, dass er ganz naiv und selbstbewusst den Massenmord an den Juden zur legitimen Basis und Voraussetzung der freiheitlichsten, demokratischsten aller Grundordnungen erklärt. Denn unter die Deutschen, denen die Mitwirkung leider »versagt« blieb, rechnen allein die Schwestern und Brüder in Ostelbien, keineswegs die deutschen Juden, die in den Tod deportiert wurden. Die Deutschen, von denen das Grundgesetz spricht, das deutsche Volk also, das »kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt« die FDGO beschließt, ist, wie die Präambel sagt, von vornherein das Volk der Nürnberger Gesetze und der Wannsee-Konferenz, ein Volk, das noch nicht einmal im Apriori seiner postnazistischen Konstitution den geringsten Anflug von Klage, Trauer, gar Schuld äußert. Die Toten haben tot zu sein; von Juden lässt man sich nicht ins staatslüsterne Aufbauwerk pfuschen; allseits herrscht, nicht nur in der Verfassung, so Adorno, ein »leeres und kaltes Vergessen«, das eine vorsätzliche Selbstermächtigung darstellt: die zur abermaligen totalen Weltbefriedung.
Das Grundgesetz weiß, dass es den Massenmord zu seiner historischen wie logischen Voraus­setzung hat, und es freut sich darüber, indem es seinen Ursprung beschweigt: Auschwitz ist die Gründungsurkunde, Hitler der Stifter der nun zwangsparlamentarisierten Volksgemeinschaft. In jedem Artikel des Machwerks zeigt es sich, dass, wie Adorno erkannte, »die Volksgemeinschaft der Unfreien und Ungleichen … als Lüge zugleich auch die Erfüllung eines alten, freilich von alters her bösen Bürgertraums« war. So ist das Grundgesetz zugleich die genaue Methode jener Sorte Selbstkritik, zu der Deutsche allein fähig sind, zur Manöverkritik unter Kumpeln, d.h. Inbegriff der so genannten »konstruktiven Kritik«, einer »Kritik«, die darauf abzielt, das nächste Mal sich nicht erwischen zu lassen.
Schon Artikel 1 (1) spricht mit böser Absicht von der »Würde des Menschen«, nicht: der Menschen. Gemeint sind keineswegs die Leute, wie sie gehen und stehen, nicht die empirischen Individuen, sondern die Körper in ihrer Bedürftigkeit, Produktivität und Leidenschaft nur insofern, als sie zum »stofflichen Träger« (Karl Marx) der juristischen Funktion des Subjekts taugen. Der Mensch an und für sich existiert nicht, niemand hat ihn je zu Gesicht bekommen; er ist die Abstraktion, die den konkreten Individuen als »juristische Fiktion« (Marx) untergeschoben wird und nach deren Maßgaben sie sich zu bewähren haben, wollen sie gesellschaftlich gültig sein, d.h. das Recht genießen, am Leben zu sein, zu atmen, zu essen. Der Mensch als konkreter Einzelner ist, darüber belehrt jedes juristische Handbuch, nur das »Zuordnungssubjekt der Grundrechte«, ergo das Objekt einer Zumutung, der er um den Preis seines Lebens gerecht zu werden hat. Das Subjekt ist die Wertform des Individuums, die Charaktermaske, die es sich nicht nur vorhängen, sondern verinner­lichen muss, will es im Gleich um Gleich des Warentausches bestehen, in dem die Akkumulation des Kapitals mit Notwendigkeit erscheint. Daher hebt sich jede der vollmundigen Phrasen in ihren Ausführungsbestimmungen nicht nur selbst auf, sondern verkehrt sich in ihr gerades Gegenteil. Jede Berechtigung ist unmittelbar zugleich eine Verpflichtung. Das Wahlrecht – dargestellt in der Ideologie der Volkssouveränität, die glauben macht, »dass die Willensbildung vom Volk zum Staat führt« (Spiegel) – erscheint sogleich als Wehrpflicht, als Konfiskation des Körpers durch den Staat. So lautet die Wahrheit von Artikel 1 (1) vielmehr: Die Würde des Staates ist unantastbar, die des Souveräns erst recht. Das Grundgesetz, weit davon entfernt, das Gute, Wahre und Schöne zum Auftrag recht verstandener Staatlichkeit zu erklären, gibt den »Fahrplan der staatlichen Maschine« (Carl Schmitt), d.h. »die allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Monopolunternehmens« (Jürgen Seifert).

Gleich vor dem Gesetz

So zeigt Artikel 3 (3): »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich« seinen Pferdefuß, wenn Juristen kommentieren: »Die allgemeine Wehrpflicht ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens.« Gleichheit kommt den Individuen nicht an sich selbst zu, sondern einzig im Resultat einer repressiven Vergleichung, die sie als Subjekte wollen müssen. Das Maß, nach dem die Individuen zu Subjekten befördert werden, ist nicht das ihre. Art. 2 (2) proklamiert sodann: »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.« Dass das vom Staat generös gewährte Leben die Pflicht zum Opfer impliziert, erfährt man erst aus Abschnitt V. des Strafgesetzbuches, das unter der Überschrift »Straftaten gegen die Landesverteidigung« ausführt: »Wer sich oder einen anderen mit dessen Einwilligung durch Verstümmelung oder auf andere Weise zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht oder machen lässt, wird mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft« (§ 109 StGB), denn, das immerhin wissen Juristen, wenn sie auch sonst nichts wissen: »Es besteht kein Verfügungsrecht des Einzelnen über das eigene Leben.« Das Menschenrecht ist das Recht des Souveräns gegen den Einzelnen, d.h. »das Recht des Staates, vom Bürger den Lebenseinsatz und die Tötung … zu fordern.«
Die Selbstverstümmelung des Soldaten ist Sachbeschädigung an fremdem Eigentum, am Privateigentum des Staates; sein Leib ist dem Einzelnen nur unterm totalen Vorbehalt seiner so kapitalproduktiven wie staatsloyalen Nutzung zeitweilig überlassen, das Recht jene gewaltbewehrte Ins­titution, die mit Argusaugen darüber wacht. Das Subjekt hat darein sich zu schicken, »den der Ware mangelnden Sinn für das Konkrete durch seine eigenen fünf und mehr Sinne (zu ergänzen)« (Marx), darein, sich selbst als stofflich-fleischliche Basis der Vergesellschaftung durchs Kapitalverhältnis zu beweisen, will es sich auch nur als Körper erhalten. In der juristischen Form ist das Individuum gesellschaftlich gültig nur, wenn es der Generalklausel genügt, sich als »subjektivierter Tauschwert«, als »Menschenware« zu bewähren. So offenbart die Gesellschaft der freien und gleichen Subjekte im souveränen Gewaltmonopol auf Leben und Tod, im Recht der »letzten Instanz«, die Negativität und also die Unwahrheit der Vergleichung.

Eigentum verpflichtet

Dass, wie Art. 14 (2) besagt, »Eigentum verpflichtet«, dass also »sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll«, ist, als vorgeblicher »Sozialisierungsparagraph« in der Konsequenz gar des Art. 15, keine Anweisung oder gar politische Legitimation für die staats- und klassen­lose Gesellschaft, sondern vielmehr die Reflektion des Warencharakters des Individuums hinsichtlich seiner Arbeitskraft in ihm selbst. Denn dass die Einzelnen zu sich selbst in ein Verhältnis des (Privat-)Eigentums treten, dass sie darob zu Selbstverwertungs- und Funktionsmonaden werden, ist der Grund, weswegen die Abstraktion des Art. 1 (1) von wegen der »Würde des Menschen« keine einfache Abstraktion ist und d.h.: kein Absehen von etwas, sondern ein Produktionsverhältnis: die Herstellung des Souveräns als des allgemeinen Menschen, eine Realabstraktion daher, die den Deutschen einmal und wirklich in der Gestalt Hitlers erschienen ist – als die Personifikation ihrer bedingungslosen politischen Einheit.
Und so geht es weiter und so fort im Grundgesetz, so energisch, dass man den regelmäßigen Umschlag des (Wahl-)Rechts in die (Wehr-)Pflicht, der Berechtigung in die Verpflichtung, für einen glatten, logischen Widerspruch halten könnte, der nach der Seite des Rechts auflösbar sei. Der Widerspruch jedoch zwischen den egoistischen Einzelnen, den Bourgeois, und der altruistischen, im Staat versammelten Masse der Citoyens ist keiner, sondern bloß Antinomie, d.h. immer schon versöhnt: in der Kaserne, in der Gestalt des Soldaten als eines zwar noch Lebenden, der begrifflich und von Staats wegen aber längst als Toter und Tötender gesetzt ist, als Untoter und als Material des Staatszwecks.
Die Linken mögen so tun, als sei der Gegensatz zwischen dem Ideal und seiner allerdings trostlosen Verwirklichung ein Antagonismus, so, als täte sich zwischen Verfassungsauftrag und gesellschaftlicher Wirklichkeit ein Abgrund auf, und so, als gelte es, das Ideal in die Realität zu setzen; von einer »verfassungswidrigen Wirklichkeit« (Wolfgang Abendroth) ist gar die Rede. Aber der Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit stellt, eben als Antinomie, keinen Widerspruch dar, sondern ein Produktionsverhältnis, das durch keinen alternativen Gebrauch der Verfassung irgend zu heilen wäre. Der Umschlag ist programmiert, und so bedürfte es nicht erst des Art. 18 Grundgesetz, der die Freiheit unter den rigiden Vorbehalt ihres funktionalen Gebrauchs stellt (Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit), um das in Art. 5 aufgestellte Recht auf freie Meinung in eben dem Sinne zu erfüllen, dass es konterkariert wird: Denn die Berechtigung zum Meinen ist nichts anderes als die Pflicht, es damit auch bewenden zu lassen, das Denken um die Fähigkeit zur Wahrheit zu verkürzen und es als Agenten erst des gesunden Menschenverstandes, dann des nicht minder strotzenden Volksempfindens zu rekrutieren: d.h. der Zwang zum Pluralismus des »geistigen Tierreichs« (Hegel).
Das Spiegelspiel der Politik, die oszillierende Antinomie zwischen Recht und Pflicht, hebt sich auf in der Kaserne als der negativen Wahrheit des Staates. Denn, wie ein Historiker, d.h. ein der Vergangenheit zugewandter Jurist, es der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufsagt, liegt »im gewaltsamen Tod für die politische Ordnung … eine besondere Legitimationsquelle«; daher gilt es, »die Tradition dieses bürgerlichen Totenkultes – wenn man so will: diese Ultima ratio des bürgerlichen Engagements für das eigene Gemeinwesen – zu entdecken und fruchtbar zu machen. Denn nur dort liegen Elemente einer Würdigung des Sterbens für politische Ziele.«

Alle Staatsgewalt und das Volk

Wie die Kaserne die negative, so ist die Volksgemeinschaft die positive Wahrheit deutscher Staatlichkeit, und so wundert es nicht, dass immer dann, wenn der Staat sich selbst das Loblied singt, der Jargon der Eigentlichkeit sich andreht, d.h. der Schwur auf Pflicht, Opfer und Tod geleistet wird; ein Jargon, den insbesondere Horst Köhler so meisterhaft beherrscht, dass es, wie in der Trance einer spiritistischen Sitzung, aus ihm herausspricht: »Entgrenzung«, »Bindungslosigkeit«, »schrankenlose Freiheit« sollen schuld sein an der ökonomischen Misere; es gilt also, »den Wert und die Würde der Arbeit neu zu entdecken«, den »Sinn für Geldwertstabilität« zu schärfen usw. usf.
Wenn daher Art. 20 bestimmt: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«, so ist keinesfalls eine Gesellschaft von Individuen gemeint, sondern die Zusammenrottung so kapitalproduktiver wie staatsloyaler Subjekte zur bewaffneten Horde, zum Volk der nichts als Deutschen. Dieser Artikel, auf den Sozial- und andere Demokraten sich zur Beförderung legitimer Herrschaft gerne berufen, drückt aus, wie sehr der Staat des Grundgesetzes nicht allein als legitimer Rechtsnachfolger, sondern überdies legaler Gesellschaftserbe des Dritten Deutschen Reiches aufzutreten befugt ist. Die »wehrhafte Demokratie« der FDGO zieht darin die konstitutionelle Bilanz des Zusammenbruchs bürgerlicher Klassenherrschaft nach 1929 wie ihrer negativen Aufhebung in die »klassenlose Klassengesellschaft« (Adorno) der Volksgenossen.
Der sie kontinuierende Staat soll nun, als souveräner Treuhänder (und eigentlich: organische Synthese) von Lohnarbeit und Kapital zugleich, die Stabilität der negativen Vergesellschaftung so garantieren, als sei sie von Natur, gerade so, als sei die erfolgreiche Akkumulation um ihrer selbst willen die eingeborene Qualität der durch den Nazifaschismus von einer deutschen Bevölkerung zum »Deutschen Volk« (Präambel) aufgezüchteten Rasse. Derart löst sich der antinomische Zirkel, in dem das moderne Bewusstsein oszilliert, die dem Spiegel so überaus »heikle Sache: der Staat als Problem und Lösung zugleich«.
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus: Die rebellische Frage, wo sie danach hingeht, ist so konterrevolutionär und deutsch wie das Grundgesetz selbst. Wenn, was als links auftrumpft, die Auffassung vertritt, es gelte, so Oskar Lafontaine, eine »Politik für alle« zu erkämpfen, d.h. das, was seit den Tagen der Agitation Ferdinand Lassalles für den »Volksstaat« als die »Demokratisierung« sattsam bekannt ist, dann kommt die Ideologie der Politik an ihr Ende: Die unbedingte Einheit von Bürger und Staat bekennt sich in der Idee, die Souveränität sei das Instrument der gesellschaftlichen Selbstverwirklichung und das System des Befehlens und Gehorchens, nur recht auf Gemeinwohl gedrillt, die Freiheit schon selbst. Darüber wird die kapitale Gesellschaft zur Volksfront.
Dass dem Nazifaschismus die Transformation der bürgerlichen Gesellschaft in die Volksgemeinschaft gelang, dass den Deutschen der Souverän und damit das Paradox des unmittelbar allgemeinen Menschen in der Gestalt Hitlers leibhaft, d.h. als Bedingung der Möglichkeit ihrer Selbsterhaltung als Subjekte erschien (worüber sie sich selbst rassifizierten, was der genaue Sinn der antisemitischen Selbstsuggestion war), dass sie sich als klassenübergreifendes wie die Klassen in sich aufhebendes Mordkollektiv organisierten, dass Hitler sein Versprechen über den 8. Mai 1945 hinaus bewahrheiten konnte – dass es nämlich »eine größere Ehre sein muss, als Straßenfeger Bürger dieses Reiches zu sein, als König in einem fremden Staate« (»Mein Kampf«) –, das ist nicht allein die äußere und äußerliche, die historische Voraussetzung des Grundgesetzes, vielmehr die innere, wesentliche Konstitution der Gemeinschaft, die es verfasst und kontinuiert.

Das Nähere regelt das Geschwätz

Der klassenlosen Klassengesellschaft, die das Grundgesetz in Artikel und Paragraphen gießt, erscheint das Kapitalverhältnis als unmittelbare Natur der zu Deutschen transformierten Menschen selbst. Indiz dessen ist, dass in der ersten Wiederkehr der Zusammenbruchskrise des Kapitals seit 1929 der Jargon der deutschen Ideologie so automatenhaft repetiert wird, dass man unmöglich noch wissen kann, wer spricht. Links und Rechts haben sich im Kult der politischen Souveränität vereint und verschweißt: »Das Geld muss wieder der Wirtschaft und die Wirtschaft wieder dem Volke dienen.« Wer spricht? Köhler oder Hitler? Goebbels oder Lafontaine? Dass es Goebbels war, ist bloß Zufall; dass Müntefering im Gegensatz dazu die bestimmte Meinung vertritt, dass »das Geld eine dienende Funktion hat«, auch.
Damit ist die Melodie angestimmt, zu der die Geburtstagsparty zum 60. Jahrestag des Grundgesetzes tanzen wird. Denn in einem hat Horst Köhler allerdings recht: »Die Deutschen haben etwas anzubieten beim Aufarbeiten der Krise.« Und auch der Spiegel liegt nicht falsch, wenn er feststellt, mit dem Grundgesetz sei »aus dem Volk der Blockwarte ein Volk der Infragesteller geworden«, ein Volk von Kritikern, das alles in Grund und Boden kritisiert, was nicht seiner grausigen Utopie der Volksgemeinschaft gehorcht, das insbesondere den Tatbestand ankreidet, dass immer noch 988 Jahre zum Tausendjährigen Reich nicht nur der endlosen und krisenfreien Akkumulation des Kapitals, sondern erst recht zum Staat des ganzen Volkes fehlen.
Trotzdem gilt, auch in Deutschland: Wer A sagt, muss nicht B sagen – er kann auch erkennen, dass A falsch ist. Die längst überfällige Revolution muss daher, wenn sie das Gegenteil der »Revolution der Deutschen« (Goebbels) sein soll, von Anfang an die Weltrevolution gegen Deutschland werden.