Ein antirassistisches Fußballturnier in Wien

Friedhofstribüne hilft Flüchtlingen

Wiener Fußballfans veranstalten ein antirassistisches Fußball-Turnier
zugunsten des »Vereins Ute Bock«, der jugendliche Flüchtlinge betreut.

Am 7. Juni findet in Wien erstmals der Ute-Bock-Cup« statt, ein Benefiz-Turnier für das Flüchtlingsprojekt »Verein Ute Bock«, organisiert von Anhängern des Wiener Sportklubs, den so genannten »Freunden der Friedhofstribüne«. Seinen bizarren Namen verdankt der Fanclub der nördlichen Tribüne des Stadions, die gegenüber dem Dornbacher Friedhof liegt.
Der Wiener Sportklub, dem die Freunde der Friedhofstribüne anhängen, ist ein traditionsreicher Verein, der wie so viele Clubs schon bessere Zeiten gesehen hat. Ursprünglich ein Verein Wiener Radfahrer, die im Februar 1883 den Wiener Cyclisten-Club gründeten, bot der Verein nach und nach auch andere Sportarten wie Turnen und Fechten an. 1907 fusionierte der Verein mit der Wiener Sportvereinigung und erhielt damit zum ersten Mal eine Fußball-Abteilung und gleich auch einen neuen Namen: Wiener Sport-Club, kurz WSC.
Die Kicker des Wiener Sport-Clubs schrieben einst Fußballgeschichte. In den fünfziger Jahren, der erfolgreichsten Zeit der Vereins, wurde der WSC zweimal österreichischer Meister. Am 1. Oktober 1958 schickte der WSC im Wiener Praterstadion Juventus Turin mit einer 7:0-Packung nach Hause – bis heute die höchste Niederlage einer italienischen Mannschaft im Europapokal.
In den neunziger Jahren geriet der WSC jedoch in schwere finanzielle Nöte. Gleich zweimal musste der Club Konkurs anmelden. Bei­de Male konnte er jedoch gerettet werden und als Sportverein mit unterschiedlichen Abteilungen wie Radsport, Wasserball und eben auch Fußball weiterexistieren. 2002 spalteten sich die Kicker dann jedoch ab und spielen seither unter dem Namen Wiener Sportklub (WSK).
Abgesehen von einem kurzen Ausflug in die zweite Bundesliga spielt der WSK als Publikumsmagnet in der Regionalliga Ost, der dritten Liga Österreichs. Die Höhepunkte für die WSK-Fans bestehen heute vor allem in den Duellen mit dem Wiener Konkurrenten, dem First Vienna Football Club (FVFC), dem ältesten Fußballverein Österreichs. Wie der WSK war auch der FVFC bis in die sechziger Jahre hinein recht erfolgreich, ist mittlerweile aber auch in die dritte Liga abgetaucht. Das »kleine Wiener Derby« zwischen dem Sportklub und der Vienna zieht regelmäßig bis zu 7 000 Zuschauerinnen und Zuschauer in die Stadien der beiden Traditionsvereine – bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der Zuschauerdurchschnitt der zweiten Liga Österreichs – derzeit »ADEG Erste Liga« genannt – gerade mal 1 400 Zuschauer beträgt.
Wie der WSK ist auch der FVFC rund um die Fangruppe Döblinger Kojoten, die ebenfalls beim Ute-Bock-Cup vertreten sein wird, von einer aktiven und antirassistischen Fankultur geprägt. Die Ende der achtziger Jahre gegründeten Freunde der Friedhofstribüne traten von Anfang an offen gegen Gewalt und Rassismus am Fußballplatz auf und bildeten damit eine Ausnahme in der oftmals von rechten Ideologien beeinflussten österreichischen Fan-Szene.
Die von der englischen Fankultur geprägte Friedhofstribüne sorgt nicht nur bei Spielen des WSK für ausgelassene Stimmung. Als es dem Sportklub finanziell nicht gut ging, übernahmen ihre Mitglieder auch ehrenamtlich Funktionen im Verein – etwa das Kartenabreißen am Eingang oder gar das Waschen der Trikots. Seit einiger Zeit engagieren sich Vertreter der Friedhofstribüne auch im Vorstand des Vereins. Dadurch konnte auch die so genannte »Dornbacher Charta« durchgesetzt werden, in der diverse Richtlinien für den Verein festgehalten werden – unter anderem, dass rassistische, sexistische oder homophobe Verhaltensweisen im Stadion des WSK nicht geduldet werden und von allen Anwesenden unterbunden werden sollen. Zudem kooperierte der Verein im Laufe der Jahre immer wieder mit anderen antirassistischen Fanprojekten wie etwa beim Treffen des Bündnisses aktiver Fußballfans (BAFF) oder der Weltmeisterschaft »Mondiali Antirazzisti«.
Auch beim jetzt von der Friedhofstribüne initiierten Ute-Bock-Cup gehen alle Erlöse an den Verein Ute Bock, dessen Engagement für Asylbewerber angesichts des alltäglichen Rassismus in Österreich gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Ute Bock wurde 1942 in Linz geboren und arbeitete zunächst als Erzieherin. Als Leiterin eines Heims für Jugendliche in der Wiener Zohmanngasse nahm sie seit Anfang der neunziger Jahre immer mehr unbegleitete jugendliche Flüchtlinge aus Kriegsgebieten auf.
Im Rahmen der »Operation Spring«, der größten Polizeiaktion Österreichs seit dem Zweiten Weltkrieg, wurde Ute Bocks Kinder- und Jugendheim 1999 von der Polizei durchsucht. Mehr als 30 von ihr betreute afrikanische Jugendliche wurden verhaftet. Insgesamt wurden bei der Operation Spring, bei der in Österreich erstmals auch der große Lauschangriff praktiziert wurde, 127 Personen meist afrikanischer Herkunft festgenommen. Ute Bock wurde wegen Bandenbildung und Drogenhandels angezeigt und kurzfristig vom Dienst suspendiert.
Das skandalöse Vorgehen der österreichischen Polizei und Justiz sorgte für einigen Aufruhr. In den Prozessen, die die Operation Spring nach sich zog, wurden die meisten Angeklagten aufgrund einer äußerst fragwürdigen Beweisführung zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Anklage gegen Ute Bock wurde allerdings bald fallengelassen und ihre Suspendierung aufgehoben. Konsequenzen für die Verantwortlichen aus Polizei und Justiz blieben wie gewohnt aus. Auch verbot die Gemeinde Wien der Erzieherin, weiterhin afrikanische Asylbewerber in ihrem Heim unterzubringen.
Als Reaktion auf dieses Verbot und bedingt durch die Tatsache, dass immer noch viele Jugendliche zu Ute Bock geschickt wurden, begann sie, eine private Flüchtlingsbetreuung zu organisieren. Anfänglich handelte es sich dabei nur um ein kleines Wohnprojekt, aber mittlerweile werden von Ute Bocks Verein über 350 Asylbewerber in rund 60 Wohnungen betreut. Der Verein besorgt Wohnungen und kümmert sich um juristische Beratung, damit die Betroffenen ihre Asylverfahren weiterführen können. Außerdem bietet er Deutsch- und EDV-Kurse, medizinische Versorgung, eine Essensausgabe sowie Bildungsberatungen an. Für all dies erhält Ute Bock keinerlei staatliche Unterstützung und ist somit auf Spenden angewiesen.
Schon mehrmals wurden zu ihrer Unterstützung Benefiz-Veranstaltungen durchgeführt – etwa Solidaritätskonzerte mit dem Slogan »Bock auf Kultur«. Und unter dem Motto »Bock auf Bier« wird in diversen Szene-Kneipen ein Euro pro verkauftem Bier an den Verein gespendet. Für ihr soziales Engagement erhielt Ute Bock bereits diverse Auszeichnungen – etwa den UNHCR-Flüchtlingspreis 2000 und den Bruno-Kreisky-Preis für Menschenrechte 2002.
Vor allem in Zeiten, in denen die staatlichen Leistungen für Asylbewerber immer stärker eingeschränkt werden und das politische Klima in Österreich immer repressiver wird (in Kärnten werden beispielsweise mutmaßlich straffällig gewordene Flüchtlinge bereits vor Ende ihres Verfahrens in einem abgeschiedenen Heim auf der so genannten Saualm eingesperrt), werde ein menschenwürdiger Umgang mit Asylbewerbern immer wichtiger, sagen die Leute von der Friedhofstribüne. Und deswegen freuen sie sich über jede Hilfe.

Weitere Informationen zum Ute-Bock-Cup sind im Internet unter http://utebockcup.at/ abrufbar.