Die Deutsche Islam-Konferenz

Der Stoff, aus dem Kopftücher sind

Im Sinne Wolfgang Schäubles war die Deutsche ­Islam-Konferenz erfolgreich.

»Im Einzelfall, etwa bei Arbeiten mit offenem Feuer in den Naturwissenschaften, können Vorgaben für das Material des Kopftuchs oder für eine bestimmte Art, es zu binden, im Interesse der Sicherheit der Schülerin geboten sein.« So lautet eine der »Empfehlungen zu religiös begründeten schulpraktischen Fragen«, die die Arbeitsgruppe 2 der Deutschen Islam-Konferenz (DIK) formuliert hat. Die AG befasst sich mit »Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis«. Feuerfester Stoff statt eines Verbots des Kopftuchs für Kinder – das sagt viel über den Charakter der Konferenz. Ihr viertes Plenum, das am 25. Juni in Berlin tagte, war das letzte in dieser Legislaturperiode.

Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die DIK, die im September 2006 erstmals zusammenkam, ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist dem Bekunden des Innenministers zufolge eine bessere rechtliche und gesellschaftliche Integration der Muslime in Deutschland. Dieser Versuch, einen staatstragenden deutschen Islam als den Kirchen analoge Ordnungsmacht zu etablieren, baut wesentlich auf die Zusammenarbeit mit den vier konservativen und fundamentalistischen Islamverbänden, die sich mittlerweile zum Koordinierungsrat der Muslime zusammengeschlossen haben: dem von der islamistischen Organisation »Milli Görüs« beherrschten Islamrat, dem kaum minder reaktionären Zentralrat der Muslime, dem Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) und der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) als Vertreterin des türkischen Staatsislam.
Weder die Frauenfeindlichkeit noch der gepflegte Antisemitismus dieser Verbände sind Hinderungsgründe für die Teilnahme an der Konferenz. Selbst als die Münchner Staatsanwaltschaft unter anderem gegen den an der Konferenz beteiligten Generalsekretär von Milli Görüs, Oguz Ücüncü, ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und finanzieller Unterstützung palästinensischer Terroristen einleitete, zog Schäuble keine Konsequenzen.
Eine beim jüngsten Treffen eingebrachte Resolution zur Solidarität mit der Protestbewegung im Iran wurde zwar von der relativ liberalen Alevitischen Gemeinde und den mehr oder weniger säkularen Konferenzteilnehmern muslimischer Herkunft unterstützt. Doch von den vier konservativen Verbänden hat sie nur der VIKZ unterzeichnet.
Die bisherigen Ergebnisse der DIK wertet der Innenminister als Erfolg. Gemessen an seinen Vorgaben und Erwartungen sind sie das auch. Aus emanzipatorischer, aufgeklärter Perspektive bedeuten sie einen Rückschlag. Der Einführung des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen hat die DIK weitgehend den Weg geebnet und damit allen Säkularisierungsbestrebungen entgegengewirkt. Das aktuelle, vom Plenum verabschiedete Zwischenresümee spricht sich ausdrücklich gegen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen aus und gesteht Eltern das Recht zu, ihre Töchter dazu zu zwingen, ein Kopftuch zu tragen. Eine Missachtung von Kinderrechten zeigt sich auch im Plädoyer für die Befreiung vom koedukativen Sport- und Schwimmunterricht oder von Klassenfahrten »im Einzelfall«.
Die in der AG 1, »Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens«, vertretenen Muslime üben im Resümee zaghaft Kritik an den Strukturen in Teilen muslimischer Communities, die sich »integrationshemmend« auswirkten. Das bewog den Islamrat dazu, sich von deren Stellungnahme zu distanzieren.
Der AG 3, »Wirtschaft und Medien als Brücke«, geht es nicht zuletzt darum, das angeblich von den Medien vermittelte negative Image des Islam zu korrigieren. Aus diesem Grund richtete sie bereits im Februar 2008 eine Fachkonferenz über »Das Islambild in Deutschland« aus. Damit offenbart sich ein zentrales Interesse der Islam-Konferenz: die Kritik an islamisch begründeten Unterdrückungsverhältnissen als Verbreitung von Stereotypen zu disqualifizieren und stattdessen eine »verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und differenzierte Berichterstattung« einzufordern, wie es im kulturrelativistischen Neusprech heißt. Konsequenterweise wünscht die AG ein »Medientraining« für muslimische Verbandsfunktionäre. Diese sollen lernen, sich und ihre Ideologien geschickter zu verkaufen.
Neben den drei AG hat die DIK einen Gesprächskreis »Sicherheit und Islamismus« eingerichtet, der vor allem so genannten extremistischen Bestrebungen vorbeugen soll und als verlängerter Arm von Verfassungsschutz und Polizei betrachtet werden kann. Der Islamrat lehnt den Präventionsansatz ab, weil dieser die Muslime »als potenziell gefährlich« einstufe. Im Gegensatz dazu wäre der unter dem Aspekt der »inneren Sicherheit« verengte Islamismus- und Extremismus-Begriff zu kritisieren, weil er die repressiven Strukturen des Alltagsislams weitgehend unberücksichtigt lässt.

Highlight des letzten Plenums war die Vorstellung der von der DIK in Auftrag gegebenen Studie »Mus­limisches Leben in Deutschland«. Die verkürzte Präsentation der Ergebnisse passte in das von der DIK verbreitete retuschierte Islambild: Es gibt viel mehr Muslime in Deutschland, und sie sind besser integriert als bisher angenommen. Die Daten der Studie stützen das nicht, wurden doch unter anderem Menschen als Muslime mitgezählt, die sich selbst als »nicht gläubig« einstufen, ganz zu schweigen vom Prinzip der Zwangszugehörigkeit, das aus orthodox-islamischer Sicht ein Verlassen der Religion nicht vorsieht.
Der Unterstützung von Menschen »mit Migrationshintergrund« und der Förderung solidarischen, gleichberechtigten Zusammenlebens dienen solche Veranstaltungen und die dort betriebene Aufwertung reaktionärer Islam-Verbände nicht. Daran ändern auch kritische Stimmen innerhalb der DIK nichts, etwa Säkulare wie Necla Kelek und Seyran Ates.