19 Jahre CDU-Herrschaft in Thüringen – und kein Ende in Sicht

Lotto-Glück für Dieter Althaus

Seit 19 Jahren regiert die CDU das Bundesland Thüringen. Ein Ende ist nicht in Sicht, trotz der zu erwartenden starken Verluste. Die SPD bleibt dritte Kraft im Land und muss sich womöglich am Ende entscheiden, wem sie sich andient, der CDU oder der Linkspartei.

Zum Schluss ist es kaum noch jemandem verborgen geblieben, dass es in Thüringen bei der bevorstehenden Wahl doch um etwas geht. Nach einem eher lauen Auftakt erlebten die Menschen zwischen Eisenach und Altenburg zuletzt einen ungewohnt hart geführten Landtagswahlkampf. Nach 19 Jahren CDU-Regierung zeichnet sich als bundesweites Novum eine Mehrheit unter Führung der Partei »Die Linke« ab. Genauer betrachtet ist diese Konstellation noch um einiges brisanter, geht doch mit den Landtagswahlen in Thü­ringen, Sachsen und dem Saarland zugleich der Bundestagswahlkampf in seine heiße Phase.
Gegenwärtig geht es in Thüringen dabei kaum um die zur Wahl stehenden politischen Konzepte, deren wichtigste die Lohnpolitik und schulische Bildung betreffen. Stattdessen zieht der amtierende Ministerpräsident mit einer fragwürdigen Selbstinszenierung alle Aufmerksamkeit auf sich. Zum einen geraten dabei Verkrustungen jahrelanger CDU-Herrschaft und ein damit einhergehender Verlust an Legitimität in den Blick. Zum an­deren wird aber auch das Fehlen einer klaren Alternative offenkundig, lassen doch SPD und die »Linke« bisher nicht die Bereitschaft erkennen, gemeinsam regieren zu wollen.

Viele Thüringerinnen und Thüringer staunten nicht schlecht, als sie kürzlich ein Hochglanz-Heft aus ihrem Briefkasten zogen, das die Wortschöpfung »tollesthüringen« zum Titel hat. Es tritt auf als unabhängiges journalistisches Erzeugnis. Umrahmt von Berichten, die ihr Land als eines der Superlative schildern, können sie darin auch die glückliche Ehe-Story der Familie Althaus nachlesen sowie sämtliche Kandidaten der CDU für die Landtags- und Bundestagswahlen bestaunen.
Mittlerweile hat die SPD Anzeige gegen den Lotto-Geschäftsführer Thüringens, Jörg Schwäblein, ehemals Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, erstattet, da dieser das Heft durch Großanzeigen mitfinanziert hat. Zudem soll geprüft werden, ob es sich dabei um einen Verstoß gegen das Parteienfinanzierungsgesetz handelt.
Viele Beobachter sehen sich durch diesen jüngs­ten Eklat des Wahlkampfs in der Annahme bestätigt, dass sich in 19 langen Jahren der CDU-Regierung ein hartnäckiger und weitreichender politischer Filz ausgebildet hat. Und auch das inhaltliche Motiv, mit dem diese Kampagne auftritt, ist ihnen nicht neu. Handelt es sich doch im Wesentlichen um den bundesweit bekannten Unions-Klassiker von der wunderschönen Heimat. Aber das ist noch nicht alles. Hinzu kommt diesmal, so die Mehrheit der Kommentatoren, eine quasi-kultische Inszenierung der Person des Ministerpräsidenten.

Die Selbstdarstellung von Dieter Althaus entbehrt dabei nicht der Komik. Die Großplakate der CDU erinnern mitunter an die politische Ikonographie Nordkoreas. Komplementär dazu hat der Ministerpräsident aus der fahrlässigen Tötung einer Ski­fahrerin perfiderweise mithilfe der Boulevard-Medien eine Erzählung wiedergefundenen Eheglücks und moralischer Läuterung generiert.
Dennoch: Die aufwändige Kampagne kommt nicht richtig an. Die Botschaft von der schönen heilen Heimat und seiner vertrauenswürdigen Re­gierung wirkt immer unglaubwürdiger. Mit nur 34 Prozent (2004 waren es noch 43 Prozent) darf die CDU rechnen, sagen Umfragen der Meinungsforscher voraus, bei denen Rot-Rot-Grün gleichzeitig eine Mehrheit hätte. Und es ist auch fraglich, ob eine Reihe von Provokationen, die den Hauptkonkurrenten Bodo Ramelow von der Links­partei zum Ziel hatten, der CDU bisher Erfolg gebracht haben. Zwar sind Ramelow und seine Partei in Thüringen nicht mehrheitsfähig – bei 24 Prozent und damit deutlich vor der SPD mit 19 Prozent liegt die »Linke« in Umfragen –, aber angesichts von Billiglöhnen, Abwanderung und drohendem Arbeitsplatzverlust haben viele Thüringer auch nicht viel mehr als ein Achselzucken für den landesweit plakatierten CDU-Slogan »Zukunft macht man nicht mit links« übrig. Eine ähnlich schlechte Resonanz erzielt die mit dem Slogan »Stoppt Ramelow« überschriebene Aktion der Jungen Union, die von den meisten Wählern abgelehnt wird und durch einstweilige Verfügungen der Gerichte ins Stocken geraten ist.

Was aber macht die Gegenseite aus diesem sich abzeichnenden schlechten Abschneiden der CDU? Linke, SPD und Grüne arbeiten nach Kräften gegeneinander. So ist das 20. Jubiläum des Mauerfalls für die Grünen eine vorzügliche Gelegenheit, gemeinsam mit den Christdemokraten der Linkspartei deren SED-Nachfolge vorzuhalten. Und die Situation des SPD-Spitzenkandidaten Christoph Matschie hat bereits jetzt Anlass zu der Wortschöpfung »Matschielanty« gegeben. Bisher hat er hartnäckig betont, auf keinen Fall Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten zu wählen, obwohl es in seiner SPD viele Unterstützer dieser Option gibt und die Mehrheit der Bevölkerung Alt­haus nur noch als Ministerpräsidenten außer Dienst sehen möchte.
So beschädigen sich gegenwärtig beide politischen Lager selbst. Bis es am Ende womöglich zu einer von allen ungewollten großen Koalition zwischen CDU und SPD kommen könnte, wobei die SPD jedoch als drittstärkste Kraft im Land ein nur recht unbedeutender kleiner Koalitionspartner wäre. So oder so kein gutes Signal für die SPD kurz vor der Bundestagswahl im Herbst.