Ivan Ergic im Gespräch über die Schattenseiten des Profifußballs

»Fußball lebt von Illusionen«

Der Fußballprofi Ivan Ergic wirft im Gespräch einen kritischen Blick auf die Schattenseiten des Profisports.

Dass Fußball nicht nur die schönste Nebensache der Welt ist, sondern auch grundsätzlich auf den Grundfesten einer Gesellschaft ruht, in der Diskriminierung, Leistungszwang und Konkurrenzdenken zeitweise schier unmenschliche Ausmaße annehmen, lässt sich nicht erst bei näherer Betrachtung erkennen. Gegenstimmen, die Fußballkritik wagen und sich dennoch zu einer Leidenschaft für das Schöne am Spiel bekennen, gibt es nur wenige. Umso erfreulicher ist es, wenn sich gerade aus dem Fußballbetrieb Protagonisten zu Wort melden, die etwas zu sagen haben. Ivan Ergic ist so jemand. Der 28jährige Fußballprofi spielte vor seinem Wechsel nach Bursaspor neun Jahre für den Schweizer Erstligisten FC Basel, holte acht Titel, qualifizierte sich zweimal für die Champions League, galt als ein Supertalent, liebt Fußball – und ist trotz allem gänzlich untypisch. Zu seinen Lieblingsautoren zählt er Karl Marx, er zitiert während Gesprächen Marcuse und Adorno, schreibt Essays gegen Nationalismus und über Politik und sagt, dass ihm ein faires und schönes Spiel wichtiger ist als der Erfolg.

Dass es jemanden gibt, der sich für Politik und alternative Lebensentwürfe interessiert, ist im Profisport recht selten. Geht das denn überhaupt zusammen?

Es gibt Leute, die mir vorwerfen, dass ich Teil des Geschäfts bin und trotzdem sehr kritisch über das Geschäft rede. Ich denke aber, dass es keinen besseren Insider gibt, der das alles beschreiben kann – auch die dunklen Seiten des Profifußballs. Ich glaube, viele Leute sind sich gar nicht bewusst, auf was für einer großen Bühne sie da stehen. Für mich ist das wirklich ein Privileg.

Gab es denn einen Moment in deiner Karriere, als du Probleme mit deiner kritischen Haltung bekommen hast?

Direkt nicht, aber man bekommt es schon zu spüren. Wenn man die Gesetzmäßigkeiten des heutigen Fußballgeschäfts kritisiert, finden das nicht alle toll. Aber ich möchte wissen, wie weit ich gehen kann. In Basel hatte ich das Glück, mir einen gewissen Status erarbeitet zu haben, der es mir ermöglicht hat, mich ohne größeren Widerstand zu äußern. Aber natürlich ist es schwierig, wenn der Großteil des Umfelds andere Vorstellungen hat. Das kostet viel Kraft. Aber es kostet viel mehr Kraft, mich zu verstellen.

Was sind für dich diese dunklen Seiten am Profifußball?

Es gibt sehr viele, und das Problem ist, wenn du Fußballprofi bist und viel Geld verdienst, dann musst du deinen Mund halten, und die Möglichkeiten der Kritik sind sehr begrenzt. So ist die Stimmung: Du bist Profi, und du hast einfach auf dem Platz dein Bestes zu geben. Wenn du dann auch noch anfängst, neben dem Platz gewisse Dinge zu kritisieren, dann ist das für deinen Arbeitgeber und das gesamte Fußballestablishment weniger angenehm. Die haben schließlich kein Interesse daran, dass die dunklen Seiten entblößt werden und die versteckten Mechanismen an die Öffentlichkeit gelangen. Es gibt ein Interesse, den Fußball dumm zu halten. Fußball lebt von Schein und Illusionen.