Über den »1 000-Kreuze-Marsch« in Berlin

Ein Zeichen für die Evangelikalen

Der Berliner Bischof Huber begrüßt den »1 000-Kreuze-Marsch« der selbsternannten Lebensschützer.

Sie wollen in dunkler Kleidung, ausgestattet mit weißen Kreuzen, durch Berlin marschieren. Der »1 000-Kreuze-Marsch« am 26. September soll die Trauer der selbsternannten Lebensschützer über die angeblich 1 000 Abtreibungen, die pro Tag in Deutschland stattfinden, zum Ausdruck bringen. Die Zahl ist zwar frei erfunden, doch egal, Hauptsache plakativ. Den Marschierern, viele davon christliche Fundamentalisten, geht es vor allem darum, das Recht auf Abtreibung weiter einzuschränken.

Seit dem »1 000-Kreuze-Marsch 2008« hat eine solche Einschränkung bereits stattgefunden. Im Mai 2009 verabschiedete der Bundestag eine Verschärfung des Schwangerschaftkonfliktgesetzes. Soll eine Abtreibung nach medizinischer Indikation, also wegen einer festgestellten Gefahr für die physische oder psychische Gesundheit der Frau, erlaubt werden, sind Ärzte und Ärztinnen nun zu einem Beratungsgespräch verpflichtet, anderenfalls droht eine Geldstrafe. Zudem muss eine dreitägige Wartefrist zwischen der Feststellung einer Gefahr für die Schwangere und dem Stellen der Indikation eingehalten werden. Diese Neuregelung hat für Verunsicherung unter der Ärzteschaft geführt. Das Beratungsangebot für schwangere Frauen wird sich dadurch jedoch nicht verbessern.

Die Abtreibungsgegner, so reaktionär und abseitig ihr Auftreten wirken mag, erhalten Unterstützung von vielen Konservativen. Auch innerhalb der Evangelischen Kirche wächst die Zustimmung für die Evangelikalen. So betonte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), der Berliner Bischof Wolfgang Huber, in einem Grußwort an den »1 000-Kreuze-Marsch«, es sei gut, »ein Zeichen für das Leben zu setzen«. Möglicherweise meint er, den Mitgliederschwund in der EKD aufhalten zu können, indem er die Evangelikalen als Gemeindemitglieder willkommen heißt. Allerdings unterstützt er auf diese Weise auch Gruppierungen innerhalb der EKD, die nicht Gewissensfreiheit und Liberalität betonen, sondern Bibeltreue, Autoritätsgläubigkeit und eine patriarchale Gesellschaftsordnung propagieren.
Der »1 000-Kreuze-Marsch« in Berlin wird dagegen auch in diesem Jahr nicht ohne Widerspruch bleiben. Feministische und antifaschistische Gruppen ruft dazu auf, den Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern entgegenzutreten. Katharina Hauer beschreibt den Konsens der Gruppen des Bündnisses »Abtreibungsverbote abschaffen – gegen christlichen Fundamentalismus« so: »Wir wenden uns dagegen, dass die Entscheidungsfreiheit von Frauen über ihr eigenes Leben und über ihren Körper von irgendwem – sei es der Staat oder eine religiöse Gemeinschaft – eingeschränkt wird. Leider sind die Abtreibungsgeg­nerinnen und -gegner nicht nur skurrile Fundis, sondern auch international gut vernetzt.« Ein weiteres Bündnis aus Frauengesundheitsgruppen und Einzelpersonen ruft ebenfalls zu der Gegenkundgebung am Samstag, dem 26. September, um 12.30 Uhr am Neptunbrunnen auf.