Attac ist vollkommen überflüssig

Zehn Jahre lang so bissig wie ein Hamster

Attac war schon immer vollkommen überflüssig und ist es noch heute.

Es ist einfach ein weiteres Kapitel des modernen Reformismus. Angefangen hat die Sache mit
einem Leitartikel von Le Monde diplomatique zur gerade ausgebrochenen Wirtschaftskrise in Südostasien. Es drohte eine Weltwirtschaftskrise: »Der Taifun über den Börsen Asiens bedroht auch den Rest der Welt.« Der Leitartikel zeichnete nach dieser Einleitung einen mächtigen Feind: ein »supranationaler Staat« ohne »Gesellschaft«, ein kaltes Gebilde von Plutokraten, welches »die Menschen verunsichert« und die »Nationalstaaten demütigt«. Nach allem Wortgeklingel dann ein klitzekleiner Reformvorschlag: Gegen diesen Kraken helfe nur eine neue Steuer und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung.

Weil die Medizin so harmlos ist und sicher nicht gegen solch mächtige Feinde hilft, nannte man sich »Attacke« und hoffte, dass einige darauf hereinfallen würden. Rein quantitativ hatte der Verein auch durchaus Erfolg. Angeblich gibt es ein lineares Wachstum der Mitgliederzahl, die Presseerklärungen finden ihren Weg in die Mainstream-Zeitungen, und selbst die alternativen Medien reden immer mal wieder darüber. Die Aktionen sind etwas behäbig, gelten aber als »kreativ« oder gar »witzig«. Und so ist Attac stolz auf sein zehnjähriges Überleben innerhalb einer Vielzahl konkurrierender Nichtregierungsorganisationen, die alle um ein ähnliches Klientel werben: Menschen, die sich gut fühlen wollen, ohne sich oder gar die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage zu stellen. Attac ist ein Auffangbecken für moralische Konformisten, die sich in den herkömmlichen Institutionen nicht aufgehoben fühlen und die den Anschein einer politischen »Identität« brauchen, weil sonst ihre tatsächliche Ohnmacht zum Vorschein kommen würde. Attac kann man zugestehen, diese Funktion ganz gut zu erfüllen.
Jetzt haben wir so etwas wie den Beginn einer Weltwirtschaftskrise, und es ist gar nicht ausgemacht, was noch an ökonomischen Katastrophen folgen wird. Silvio Berlusconi lässt seine Beamten auf die Schweizer Banken los, Barack Obama kündigt eine neue Steuer für Finanztransaktionen an, »eine Steuer fürs gute Gefühl«, wie die Süddeutsche Zeitung die Sache nennt, ganz im Geiste von Attac. Die Organisation Attac ist glücklich darüber, dass jetzt alle Welt ihr Programm übernommen hat, und stößt sich nicht daran, dass sie an dieser Entwicklung keinen Anteil hat und es die immanente Tendenz des Kapitals zum Zusammenbruch war, die die Regierungen zu einigen dubiosen, kostspieligen Staatsaktionen trieb.
Die Überflüssigkeit von Attac ist so offensichtlich, dass niemand sie bestreitet. »Yes, we can!«, »Eine andere Welt ist möglich!«, »Hope« oder »Change« – leere Beschwörungsformeln gegen die allge­meine Ratlosigkeit sind längst auch beim Präsidenten der letzten Weltmacht zu finden. Dass ganze Gewerkschaften und Heiner Geißler bei Attac mitmachen und auch Horst Köhler seine Sympathie äußert, überrascht tatsächlich niemanden, und dementsprechend zufrieden attestieren alle Medien, dass Attac im Mainstream angekommen sei, als hätte die Organisation sich jemals außerhalb dessen befunden. James Tobin, der Erfinder der nunmehr bekannten neuen Steuer, soll die Mitglieder von Attac noch als »Anti-Globalisierungs-Revoluzzer« bezeichnet haben, aber das ist nur der Wunsch der etablierten Mächte nach einer Bewegung, die sie endlich in Frage stellt. Attac hat damit nichts zu tun und das auch nie behauptet.

Die Gründung von Attac begleitete die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung, die immer wieder fernab von den wirklichen gesellschaft­lichen Konflikten ihre Truppen sammelte und gelegentlich ein gewisses Spektakel erzeugte. Durch das beherzte Vorgehen der Anarchisten vom schwarzen Block kam es rund um die Weltwirtschaftsgipfel zu allerlei Krawall und brutalen Polizeieinsätzen. Dabei wurden immer wieder auch allerlei Menschen in allerlei Dinge hineingezogen, von denen man im Gemeinschaftskundeunterricht nichts gehört hat. Zugleich sind solche Ereignisse auch Umschlagpunkt allerlei radikaler Sekten, die ihre jeweiligen Programme verteilen, so dass ein kleiner Beitrag zur Neuerfindung einer revolutionären Bewegung geleistet wurde. Damit ist es aber vorbei, und so auch mit Attac. Inzwischen gab es den konfusen Aufstand in den französischen Banlieues, die Ausschreitungen französischer Studenten und die Erhebung in Griechenland vor gut einem Jahr. Die schon länger faulende alte Welt ist von neuen Widersprüchen gekennzeichnet, die weit über die Realität von Attac und Konsorten hinausweisen. Noch merkt man wenig, aber bekanntlich berichtet das Feuilleton erst, wenn es soweit ist.