»Strukturelles Patriarchat« ist der richtige Begriff

Kampf dem strukturellen Patriarchat!

Die Debatten um die fortbestehenden geschlechterspezifischen Ungleichheiten in der Gesellschaft werden von zwei Begriffen geprägt, die scheinbar in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen: »Patriarchat« und »heteronormative Matrix«. Obwohl letzterer sich durchgesetzt zu haben scheint, ist es sinnvoll, den Patriarchatsbegriff als Instrument der Gesellschaftsanalyse beizubehalten.

Mit dem Patriarchatsbegriff sind Frauen in den Kampf gegen gesellschaftliche Machtverhältnisse eingetreten, die sie aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen, diskriminieren und ausbeuten. Damit haben sie deutlich gemacht: Das Private ist politisch, denn Gesellschaft ist nicht etwas, das sich »da draußen« befindet, sondern etwas, das auch Paarbeziehungen, Familie und individuelle Identität prägt. Wer heute vom Patriarchat spricht, setzt sich schnell dem Verdacht aus, nicht nur politisch und theoretisch nicht auf dem neuesten Stand zu sein, sondern auch eine zweigeschlechtlich strukturierte Lebenswelt zu bekräftigen, die nur »Männer« und »Frauen« kennt. An diesem Punkt haben FeministInnen in jüngerer Zeit wichtige Beiträge geleistet, indem sie betonten, dass Geschlecht kein biologisches Schicksal ist, sondern permanent diskursiv und handelnd hergestellt wird.

So wichtig die Frage danach ist, wie geschlecht­liche Identität sich im Individuum ausformt und welche Normvorstellungen dabei wirksam sind, besteht in diesen Ansätzen jedoch die Gefahr, dass aus dem Blick gerät, wie zentral die Zuweisung der minderbewerteten Position an die Frauen innerhalb der vorherrschenden Vorstellungen ist. Mit einer Kritik an Heteronormativität, also an der strikten Einteilung in zwei (und nur zwei!) Geschlechter und der damit einhergehenden Erwartung einer Entsprechung des anatomischen Geschlechts und eines bestimmten Verhaltens, können die Zwänge geschlechtlicher Identität offengelegt, kaum aber die eindeutige und immer noch bestehende Hierarchie zwischen den Geschlechtern und damit einhergehende Abwertung alles »Weiblichen« erklärt werden. Diese gesellschaft­liche Ebene löst sich in poststrukturalistischen Ansätzen (besonders unter Bezugnahme auf Michel Foucault und Judith Butler) allzu häufig in einem diffusen Begriff der »Macht« auf.
Der Patriarchatsbegriff ist, wie alle Begriffe, mit Inhalt zu füllen, damit er für Gesellschaftskritik taugt. Er ist weder darauf festgelegt, Männer und Frauen als biologisch determiniert, noch Frauen als Opfer und Männer als Täter zu behandeln. Ernstzunehmende feministische Positionen haben schon länger einen Identitätsfeminismus überwunden und Zweigeschlechtlichkeit als Konstruktion entlarvt und kritisiert. Die Tatsache, dass es das Handeln, Denken und Sprechen in geschlechtlichen Kategorien ist, das geschlecht­liche Identität herstellt und reproduziert, kann also problemlos in die Gesellschaftsanalyse in­tegriert werden.
Wir plädieren für den erweiterten Begriff »strukturelles Patriarchat«, der zum einen deutlich Machtverhältnisse thematisiert und zum anderen berücksichtigt, dass das Geschlechterverhältnis sich nicht auf personale Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen durch Männer beschränkt, sondern von allen gestaltet wird – und dass alle durch die bestehenden Verhältnisse geformt werden.

Die Stärke des Patriarchatsbegriffs besteht darin, dass er die Hierarchie betont, die das gesellschaftliche Geschlechterverhältnis bestimmt und damit die verfestigten Strukturen, die über das individuelle Denken und Handeln hinausweisen. Die gegenwärtige Realität ist zweigeschlechtlich organisiert, alle Menschen unterliegen dem Zwang, sich mit einem Geschlecht zu identifizieren, und das hat Auswirkungen auf den Alltag, auf Arbeit und Beziehungen. Wenn Frauen als Frauen diskriminiert und als minderwertig behandelt werden, hat es Sinn, sich »als Frauen« da­gegen zu wehren – was möglich ist, ohne alle individuellen Differenzen einzuebnen und ohne ein Kollektivsubjekt Frau oder eine »weibliche Substanz« zu behaupten.
Die Begriffe »Patriarchat« und »heteronormative Matrix« schließen sich nicht gegenseitig aus, doch der Begriff »strukturelles Patriarchat« ermöglicht eine klare Benennung und Kritik der gesellschaftlichen Ebene des Geschlechterverhältnisses und verhilft so zu einer politischen Handlungsfähigkeit, die über die Reflexion der je in­dividuellen Position in dem vergeschlechtlichten Machtverhältnis hinausgeht.