Die Arbeitsbedingungen von Migranten in den EU-Ländern – Griechenland

Pleite in Athen

Griechenland bietet Migranten nichts als eine befristete Genehmigung, sich ausbeuten zu lassen. Die Wirtschaft profitiert dabei enorm von deren Arbeitskraft.

»Sieben Euro für einen ganzen Arbeitstag!« sagt Ramid und zuckt mit den Schultern. Der 18jährige Kurde aus dem Irak ist verzweifelt. Mit dem Geld, für das er heute mehr als acht Stunden gearbeitet hat, kann er noch nicht einmal eine Unterkunft zahlen. Er wohnt in einem aus Pappkartons zusammengeschusterten Heim in den Bergen der Hafenstadt Igumenitsa im Nordwesten Griechenlands und wartet auf eine Gelegenheit, in einen LKW zu gelangen, um wieder in Westeuropa zu landen. Vor zwei Jahren hatte er es schon einmal geschafft, über Griechenland nach Großbritannien einzureisen und dort einen Asylantrag zu stellen. Doch als er volljährig wurde, haben ihn die britischen Behörden auf der Grundlage der Dublin-II-Verordnung zurück nach Griechenland abgeschoben. In Griechenland hat er erneut einen Asylantrag gestellt. Er besitzt die sogenannte Rosa Karte. Sie erlaubt ihm, sich eine bestimmte Zeit lang legal in Griechenland ausbeuten zu lassen. Diese Karte ist das einzige, was der griechische Staat Asylsuchenden zurzeit zubilligt. Andere Leistungen gibt es für sie nicht.
Seitdem Griechenland in der Krise steckt, hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitskräfte drastisch verschlechtert – insbesondere auf dem Bau und in der Landwirtschaft, wo die meisten Migranten zu niedrigen Löhnen beschäftigt werden. Viele verzichten auf die Rosa Karte, denn zurzeit gibt es in der zentralen Asylbehörde in Athen über 40 000 unbearbeitete Asylanträge.
Auch für Omar, einen 39jährigen Palästinenser, lohnt es sich nicht, einen Asylantrag zu stellen, denn dies würde für ihn bedeuten, dass er wochenlang versuchen muss, Zugang zur Asylbehörde zu bekommen. Schon seit sechs Monaten hat er ohne Erfolg versucht, über Igumenitsa nach Italien zu gelangen. Schließlich wurde er von der Polizei festgenommen, nach Athen gebracht und ein paar Tage später freigelassen. Omar hat sich entschlossen, ohne Papiere in den Orangenplantagen auf dem Peloponnes für wenige Euro am Tag schwarz zu arbeiten, um irgendwie überleben zu können.
Hunderttausende Migranten in Griechenland befinden sich in derselben Lage. Die Ausbeutung von Billigarbeitskräften ist schon lange Tradition in der griechischen Schattenwirtschaft. Erst seit Konstantina Kouneva, eine aus Bulgarien stammende Geschichtslehrerin, die seit 2001 als Putzfrau in Athen arbeitet, im Dezember 2008 mutmaßlich wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements mit Säure attackiert wurde, wird in Griechenland über die Arbeitsbedingungen von ausländischen Arbeitskräften diskutiert. Im In- und Ausland solidarisierten sich Gewerkschaften, NGO und linke Parteien mit Kouneva, auch im griechischen und im Europäischen Parlament äußerten Abgeordnete ihre Solidarität. In Griechenland setzt sich »Diktio«, ein Netzwerk für politische und soziale Rechte, mit den Arbeitsbedingungen der Migranten auseinander. »Trotz der Solidaritätsaktionen für Konstantina Kouneva bleiben die Arbeitsbedingungen für Migranten die gleichen«, klagt Giorgos Maniatis von Diktio.
Wie groß die Bedeutung der ausländischen Arbeitskräfte für die griechische Wirtschaft ist, zeigte eine vor kurzem veröffentliche Untersuchung des „Instituts für die Beobachtung der Migration und der Diaspora“ (E.M.ME.DIA). Die Studie geht davon aus, dass die Migranten in Griechenland circa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen – das sind rund eine Million Menschen. Die Untersuchung zeigt, dass dank der Migranten, die als Käufer oder Arbeiter an der Wirtschaft teilnehmen, circa 6,5 Millionen Euro täglich in der griechischen Wirtschaft zirkulieren. Wenn Griechenland seine Wirtschaftsmigranten verlieren würde, wären die Folgen schwerwiegend: Die Preise würden steigen, viele Stellen für gering qualifizierte Arbeiter blieben unbesetzt und ohne die Arbeitsleistung der Migranten würde das Bruttoinlandsprodukt um zwei bis fünf Prozent sinken. Würden die Migranten nicht am Binnenkomsum teilnehmen, bedeutete dies einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,33 oder gar 1,55 Prozent, Tausende Griechen und Ausländer würden entlassen, auch das Steueraufkommen würde sinken, die Haushaltskrise Griechenlands würde sich weiter verschärfen.