Der Wahlkampf der rechtsextremen Parteien in NRW

Zum Glück nur eine Splitterbombe

Im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen hoffen mehrere kleine rechte Parteien darauf, als »Partei rechts der CDU« in den Landtag einzuziehen. Doch trotz der Wirtschaftskrise und der Krise der Volksparteien hat selbst der aussichtsreichste Kan­didat, die »Bürgerbewegung« Pro NRW, derzeit wenig Chancen. Eine geeinte Partei »Die Rechte« ist auch nicht in Sicht.

Gleich sieben rechtsextreme Parteien konkurrieren derzeit um die rechten Wähler Nordrhein-Westfalens, und die meisten wirken so skurril wie irrelevant: Die reanimierte »Deutsche Partei« (DP), die vollmundig eine Kandidatur im gesamten Bundesland angekündigt hatte, aber ihre Landesliste zurückzog und nun mit ihrem Landesvorsitzenden Michael Fischer in Bochum um ein Direktmandat kämpft. Oder die rechte Polit-Sekte »Bürgerbewegung Solidarität« (Büso) des deutsch-amerikanischen Ehepaars LaRouche. Dazu kommen politische Winzlinge wie der »Bund für Gesamtdeutschland« oder die im Rhein-Sieg-Kreis aktive Kleinstpartei »Ab jetzt … Bündnis für Deutschland«. Und natürlich die NPD, die Republikaner und die »Bürgerbewegung« Pro NRW, der als einziger ein Achtungserfolg zugetraut wird. Alle anderen dagegen gelten als weitgehend chancenlos.
Dabei zielen die Rechtsparteien auf das Stimmenpotential derer, die sich von der »politischen Klasse« nicht länger vertreten fühlen. Und das sind offenbar nicht wenige: Bei den vorigen Landtagswahlen im Jahr 2005 lag die Wahlbeteiligung bei gerade einmal 63 Prozent. Die partielle Abkehr von den »Altparteien« könnte langfristig die Grundlage für den Erfolg einer extrem rechten Wahlpartei sein. Auch die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 und mitunter irrationale Debatten über den Bau von Moscheen sowie die Politik des Sozialdumpings könnten der extremen Rechten Wählerstimmen bescheren. In der neuen Folge der Langzeitstudie »Deutsche Zustände« weist der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer darauf hin, dass Teile der Mittelschicht sich massiv gegen die bereits Prekarisierten abgrenzen. Damit hat die extreme Rechte die Basis für ihr demagogisches Programm, dessen Spielarten zwischen dem völkischen »Antikapitalismus« der NPD und der rabiaten kleinbürgerlichen Konkurrenzideologie von Pro NRW changieren.

Pro NRW gilt vielen Rechten als Hoffnungsträger. Ulrich Manes, der bisherige stellvertretende Landesvorsitzende der Republikaner, verließ Ende März seine inzwischen zur politischen Ruine depravierte Partei, um sich Pro NRW anzuschließen. »Der erstmalige Einzug einer rechtsdemokratischen Partei in den Düsseldorfer Landtag ist auf einmal in greifbare Nähe gerückt – nutzen wir diese Chance!« zitiert ihn der Nachrichtendienst Blick nach Rechts. Dass viele Rechte ihre Hoffnungen auf die »Bürgerbewegung« Pro NRW richten, verdankt sich auch dem Erfolg deren Vorbilder, etwa der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Wie die rechtspopulistische SVP protestiert Pro Köln, die Lokalpartei und Schaltzentrale von Pro NRW ist, gegen Korruption und Klüngel und hofft, dadurch von der Krise der klassischen Parteien zu profitieren. Wenn durch Automation der Anteil der lebendigen Arbeit dramatisch verringert wird und die Lohnabhängigen der staatlichen Alimentierung überlassen werden, wirken die Lobpreisungen von Markt und Moderne für die Arbeitermilieus und kleine Selbstständige wie eine technokratische Floskel, und vor diesem Hintergrund wird die vormoderne autochthone Gemeinschaft zum potentiellen Identifikationsangebot.

»Heimat statt Minarette« fordert die NPD in ihrem Wahlprogramm und auf Plakaten. Antiislamische Parolen prägen den Wahlkampf der extremen Rechten. Für den Kampf gegen die »Islamisierung unserer Heimat« versucht die NPD auf den Schulhöfen mit der Kampagne »Wir oder Scharia« Jugendliche an die Wahlurnen zu bringen. Der Vorsitzende des Landesverbandes der NPD, Claus Cremer, verkündet: »Wir wollen, dass Deutschland das Land der Deutschen bleibt, und dazu gehört auch, dass die Überfremdung und Islamisierung unserer Heimat gestoppt und hier lebende Ausländer in ihre Heimatländer zurückgeführt werden«. Auch Pro NRW orientiert sich mit Losungen wie »Zuwanderung begrenzen, Islamisierung stoppen« an den Erfolgen der SVP. Alle Wahlparteien vom rechten Rand beschwören ein manichäisches Weltbild, in dem das altehrwürdige Abendland gegen die grüne Pest des Islam verteidigt werden soll. Bei den Kommunalwahlen 2009 bescherte dieser Kurs der Lokalpartei Pro Köln 5,4 Prozent der Stimmen – trotz der Kampagnen der lokalen Boulevardzeitungen gegen die selbsternannte »Bürgerbewegung«.
Neben dem xenophoben Rumgehacke auf »dem Islam« bemüht die NPD das Versprechen einer völkischen Sozialpolitik. Inzwischen mit dem Namenszusatz »Die soziale Heimatpartei« versehen, konnte die NPD vor allem in den neuen Bundesländern mit Parolen wie »Quittung für Hartz IV« oder der Forderung nach einem »Mindestlohn von 8,88 Euro« Wahlerfolge erzielen und sich kommunal verankern. In Nordrhein-Westfalen plakatiert sie Losungen wie »Hartz IV für Westerwelle«. Jürgen Gansel, der völkische Vordenker der NPD, richtet sich in der Aprilausgabe des Parteiorgans Deutsche Stimme gegen die »Diffamierung finanzschwacher Deutscher« durch den Bundesaußenminister. Realen Anschluss an das abgehängte Prekariat findet die Partei derzeit aber nur am Rande. Doch angesichts der kommunalpolitischen Situation in NRW – Städten wie Wuppertal droht schon jetzt die Pleite – könnten Pro NRW oder NPD zur Stelle sein, um anlässlich höherer Schwimmbadpreise oder der Schließung des Stadttheaters gegen die vermeintliche Alimentierung von Ausländern zu polemisieren.
Trotz der inhaltlichen Ähnlichkeiten zur NPD wird Pro NRW in der Berichterstattung häufig als »rechtspopulistische« Bürgerbewegung dargestellt. Von der Partei wird diese Bezeichnung dankbar aufgenommen, weil sie sich auf diese Weise vom Verdikt »rechtsextrem« distanzieren kann. Zugleich wird sie dadurch in die Tradition wahlpolitisch erfolgreicher rechtspopulistischer Parteien wie der SVP eingereiht. Mit scharfen Worten distanziert sich Pro NRW derzeit von der »neo­nazistischen« NPD. Markus Beisicht, der Spitzenkandidat von Pro NRW, bezeichnete die NPD sogar als »NS-Gruselkabinett«. Im Wahlkampf ist diese Abgrenzung nach ganz rechts pure Taktik. Schließlich entstammen neben dem Spitzenkandidaten Markus Beisicht auch der Pro-NRW-Funktionär und Verleger Manfred Rouhs oder die Rechtsanwältin Judith Wolter der offen rassistischen »Deutschen Liga für Volk und Heimat« (DLVH) beziehungsweise den Republikanern. Noch im September 2007 unterzeichneten die Kader von Pro Köln im Rahmen der mittlerweile aufgelösten Rechtsfraktion im EU-Parlament »Identität, Tradition, Souveränität« zusammen mit Vertretern der Deutschen Volksunion (DVU) eine gemeinsame Erklärung.

Doch im Wahlkampf drängt pro NRW darauf, an die bürgerlichen Parteien anzuknüpfen. Allianzen zwischen Pro NRW und den konservativen Kräften in der Union sind bislang aber eine Ausnahme geblieben. 2005 war die Pro-NRW-Funktionärin Judith Wolter zu Gast bei der Jungen Union Brühl, im März 2010 wurde der Pro-NRW-Politiker Christoph Heger von der Seniorenunion in Moers als unverdächtiger »Islamexperte« geladen. Doch für liberale wie für konservative Unionspolitiker gilt das Diktum, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. Die nordrhein-westfälischen CDU-Spitzenpolitiker wenden sich vehement gegen Pro NRW. Als sich im März der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders samt Stab im Eifelörtchen Monschau aufhielt, erklärte ihn die örtliche CDU-Bürgermeisterin kurzerhand zur unerwünschten Person. Und als im September 2008 in Köln der »Anti-­Islam-Kongress« von Pro Köln stattfinden sollte, sprach der damalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma von einer »Crème des Eurofaschismus«, die sich in der Stadt treffe. Der Tonfall verwundert kaum. In der CDU/CSU besteht kein Interesse an einer Konkurrenz von rechts.
Passend dazu existiert in der nordrhein-westfälischen Union eine flügelübergreifende Arbeitsteilung: Während Jürgen Rüttgers, nordrhein-westfälischer Ministerpräsident und Spitzenkandidat der CDU, immer wieder rechten Wählern zu gefallen sucht – etwa indem er im September 2009 in nationalistischen Reden Ressentiments gegen rumänische Lohnabhängige schürte –, profiliert sich sein Parteikollege Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration, als kosmopolitischer Vorzeigeliberaler. Ministerpräsident Rüttgers bindet die Parteirechte, während Laschet die modernen Milieus anspricht und die Tür für eine schwarz-grüne Koalition offenhält.

Obwohl viele Konservative klagen, sie hätten durch die gesellschaftspolitische Erneuerung der CDU unter dem Parteivorsitz Angela Merkels ihre »politische Heimat« verloren, muss die Union Konkurrenz von Rechts bisher nicht fürchten. Weder Pro NRW noch NPD schaffen es derzeit, das durchaus vorhandene rechte Wählerpotential zu mobilisieren. Den rechten Parteien fehlt es an Personal, Wahlkreiskandidaten sind oftmals Mangelware. Wahlkampfhilfe erhält Pro NRW mangels Masse aus dem Ausland: Demonstrativ trat der SVP-Funktionär Andreas Glarner bei Pro Köln ein. Der deutsch-schwedische Unternehmer und ehemalige DVU-Anhänger Patrik Brinkmann unterstützt Pro NRW derweil mit Auftritten im Rahmen der Kampagne »Abendland in Christenhand«.
Wegen des ausbleibenden wahlpolitischen Erfolgs träumt man in der Jugendorganisation der NPD, den Jungen Nationaldemokraten (JN), von einer Einigung der deutschen Rechten: »Wir müssen eine Bewegung schaffen, in der sich jeder Freiheitliche, jeder Nationalkonservative bis hin zu jedem Nationalen Sozialisten wiederfindet.« Doch eine geeinte Partei »Die Rechte« bleibt politisches Wunschdenken. Eine charismatische Führerpersönlichkeit ist nicht in Sicht. Als Auffangbecken für das abgehängte Prekariat hat die NPD im Westen keinen nennenswerten Zulauf. Die Akteure von Pro NRW wiederum werden an ihrer bürgerlichen Tarnstrategie festhalten, solange diese ihnen kommunale Achtungserfolge verspricht.
Doch beruhigen kann die Prognose, dass die Parteien der extremen Rechten 2010 an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern werden, nicht. Auch im Westen der Republik kämpft der militante Kern auf der Straße gegen Migranten und politische Gegner, manifestiert sich die Gefahr von rechts nicht alleine in Wählerstimmen. Am Wahlabend dürfte in der »Elefantenrunde« zwar Erleichterung darüber herrschen, dass die extreme Rechte den Sprung in den Düsseldorfer Landtag nicht geschafft hat. Doch die gesellschaftlichen Voraussetzungen, an die eine handlungsfähige Rechte anschließen könnte, existieren weiterhin. 2010 jedoch scheitert der rechte Rand nicht zuletzt an sich selbst.