Also sprach Zarathustra aus Zürich

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Vorige Woche gab es in der Philharmonie »Also sprach Zarathustra« von Richard Strauss. Es war verwirrend. So faschistisch hatte ich die berühmte Eröffnung (»Sonnenaufgang«), so wild spätromantisch den dritten Satz (»Von der großen Sehnsucht«), so schmalzig die Solo-Violine im »Tanzlied« noch nicht gehört.
Wie diese werden die ersten Aufführungen des Stücks ausgefallen sein, als noch niemand die Gräuel des Ersten Weltkriegs, die Kämpfe um die Modernisierung, die Shoah voraussehen konnte. So wird man Strauss gespielt haben, als noch keiner ahnte, dass er dereinst Hans Frank, dem Schlächter, ein Ständchen darbringen würde.
»Zarathustra« habe ich vom Deutschen Symphonie-Orchester vor ein paar Jahren schon einmal gehört, damals in einer reflektierten Interpretation von Kent Nagano. Nun spielten also dieselben Musiker, wieder ganz wunderbar, aber als ob sie inzwischen einer Amnesie anheimgefallen wären. Meine Verwirrung löste sich erst, als ich las, der Gastdirigent des Abends, Philippe Jordan, sei Schweizer.
Ach so, ein Schweizer. An den Weltkriegen haben sie nicht teilgenommen, die Modernisierung nicht mitgemacht, und mit der Shoah haben sie nur deshalb zu tun, weil sie jüdische Flüchtlinge erst aufnahmen, dann abwiesen. Mancher Schweizer glaubt, das 20. Jahrhundert ginge ihn nichts an. So versetzte mich dieser ins 19. Es war mir unbehaglich zumute.
Und das nicht deshalb, weil hier einer Strauss wörtlich genommen hätte. Allerdings gibt es zwei Schulen der Interpretation dieses Komponisten, die programmatische und die musikalisch-absolute. Die absolute, der Nagano folgte, interessiert sich zwar für Geschichte, aber nur für die der Musik. Sie erkennt in Strauss das künstlerisch Neue.
Doch wer programmatisch interpretiert, müsste sich mit dem Programm auseinandersetzen. Er müsste im »Zarathustra« Strauss’ Kampf gegen die Religion und für den Übermenschen erkennen. Sogleich befände er sich im Geschichtlichen. An Strauss ließe sich zeigen, dass Religionskritik verdummen kann. Er verachtet mit Nietzsche den Frommen als »Hinterweltler«, verehrt dafür die Welt. Ohne moralische Reserve die Welt zu verehren, heißt, ihre Grausamkeit anstaunen. Das bezeugt das Hauptthema und seine Reprise.
Von alldem nichts bei Jordan. Seine Idee war es wohl, dem Stück die ursprüngliche Schönheit zurückzugeben. Aber es ist etwas Merkwürdiges mit der Schönheit: Zwar verträgt sie sich nicht immer mit dem Denken, aber wenn sie sich ihm ganz verweigert, wird sie läppisch. Musik könnte von der Geschichte befreien, aber wenn sie sie bloß ignoriert, fällt einem immer nur Geschichte, und zwar die übelste, ein.