Wer war Horst Köhler?

Der Prinz winkt nicht mehr

Der Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler war überraschend. Nun beginnt die Suche nach einem Nachfolger.

Das Amt des deutschen Bundespräsidenten, das jahrzehntelang eines war, in dem man auf praktische Weise abgehalfterte Nationalsozialisten schonend unterbringen konnte, die in einer anderen Funktion womöglich unschönere Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hätten, ist ein kräftezehrendes, mühseliges: Tagein, tagaus vor der Welt­öffentlichkeit den leicht unterbelichteten Optimismusonkel geben zu müssen, ohne Einfluss auf reale politischen Entscheidungen (Lohnsenkungen, Fernsehprogramm, Krieg) zu haben, das macht einen mit der Zeit mürbe, nicht nur im Kopf. Selbst dem talentiertesten Grüßaugust der Nation, Horst Köhler, hat man das nach sechs Jahren Amtszeit angemerkt. Die Bevölkerung, wenn überhaupt, nahm ihn seit langem nur noch als eine Art freundlich aus dem Fernsehkasten herauslächelnden Karnevalsprinzen zur Kenntnis.
Dass der Mann nun zurückgetreten ist, ist bedauerlich, obwohl er anscheinend schon eine ganze Weile nicht mehr richtig funktionierte. Bis vor kurzem jedoch konnte er, dem in den Disziplinen Winken und Händeschütteln so schnell keiner was vormachte, als die Idealbesetzung für dieses Amt gelten und beherrschte die für seine Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten aus dem Effeff und gewissermaßen auf Knopfdruck: salbungsvolles Mahnen (Lohnsenkungen, Gewaltvideospiele, Krieg), teigiges Lächeln, würdevolles Herumstehen, Knüpfen sinnfreier, dekorativer Wortgirlanden. Für die Beschreibung der Tatsache, dass es sich bei Hotte nicht um den Hellsten handelte, hat die SZ die eleganteste Art gefunden: »Seine gebildete Naivität machte ihn oft zum Gespött, ließ aber viele Menschen glauben, er sei einer von ihnen.« Seine geschwollenen Sätze darüber, dass der Imperialismus eine lustige Sache sei, die sich auch für die Deutschen lohnen könne, wenn sie’s diesmal richtig anfingen, hätten ihn unsterblich machen können, wenn er sie nur weniger nebulös und ein wenig forscher, irgendwie zackiger, zu formulieren gewusst hätte. Dafür aber wird der Mann nicht bezahlt. Der Weltgeist hatte alles aufs beste eingerichtet: Im Gegensatz zu anderen europäischen Nationen wie Spanien oder Italien, deren höchste Repräsentanten (Juan Carlos I., Giorgio Napolitano) zumindest fragwürdige Berufe erlernt haben, die sie nicht gerade zum zuverlässigen Staatsoberhaupt qualifizierten (Funkamateur, Kommunist), hatte Deutschland ausgerechnet in diesen Krisenzeiten erfreulicherweise einen einstigen Sparkassenfilialleiter zum Präsidenten, der weiß, wie Geld aussieht, wie es entsteht und sich vermehrt.
Der Bundespräsident ist also zurückgetreten. »Ein Schock für Deutschland. Es ist, als würde für einen Augenblick die politische Zeitrechnung stehenbleiben. Einem ganzen Land verschlägt es den Atem.« (Spiegel online). Die deutsche Bevölkerung tobt und ist außer sich, weil sie nun vorerst ohne ihren geliebten Landesvater und Winkeprinzen auskommen muss. Auf den Straßen herrscht Chaos, Barrikaden werden gebaut, ein Bürgerkrieg steht kurz bevor. Doch mögliche Amtsnachfolger stehen schon bereit: Roland Koch, Joschka »Der Serbe« Fischer, Peter Hahne, Elisabeth Noelle-Neumann R.I.P. Tun Sie sich ­einen Gefallen. Denken Sie einfach nicht mehr weiter darüber nach. Machen Sie was Vernünf­tiges: Gehen Sie surfen. Oder spazieren. Lesen Sie Prousts Werke. Oder kochen Sie sich was Leckeres.