Lohnverzicht bei Opel

Gewohnt gehorsam

Auch in Deutschland erwartet man nun Verteilungskämpfe. Das Beispiel Opel zeigt jedoch, warum hier mit lebendigeren Zeiten vorerst nicht zu rechnen ist.

Deutschland stünden »brutale Verteilungskämpfe« bevor, kommentierte der Spiegel kürzlich das europäische Krisenszenario. Die sozialen Konflikte in Griechenland lieferten einen Vorgeschmack, was bei wirtschaftlicher Stagnation und Einsparungen bei den Sozialausgaben auch hierzulande aufleben könnte. Die Rechnung des Kommentators Wolfgang Kaden mag manch einem Linken bekannt vorkommen: mehr Elend, mehr Konflikt.
Verelendungstheorien mangelt es in Deutschland aber offensichtlich an Substanz, wie das Beispiel Opel in diesen Tagen zeigt. Um 20 000 der 24 000 Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, haben dort die Arbeitervertretungen, allen voran der Betriebsrat, ihre Zusage gegeben, in den nächsten fünf Jahren auf Löhne, Urlaubs- und Weihnachtsgelder in Höhe von über einer Milliarde Euro zu verzichten. Die Beschäftigten sollen die Zeche für die Sanierung des Konzerns zahlen. Zum ersten Mal werden damit bei einem großen Autobauer in Deutschland die Einkommen für einen längeren Zeitraum unter den Flächentarif gesenkt, und das in einer der verbliebenen »Hochburgen« der Gewerkschaften.
Der Fall Opel ist symptomatisch für die Logik der deutschen Arbeitnehmervertretungen in der Krise. Hatte man vor wenigen Jahren – nach einer bescheidenen Serie kämpferischer Streiks, unter anderem bei Opel – noch den Eindruck, die hiesige Zurückhaltungstradition könnte ein Stück weit aufbrechen, scheint dieses zarte Pflänzchen fast schon wieder erstickt. Co-Management und Verzichtsbereitschaft erleben ein ungeahntes Revival. Insbesondere die Gewerkschaften hoffen, gesamtwirtschaftliche Negativeffekte auffangen und zumindest das Beschäftigungsniveau für ihre Klientel stabil halten zu können. Die Ratio eines gelben Werkvereins, sich dem Wohl des Betriebs unterzuordnen, wird dabei auf ein ganzes Land angewendet. Und dieses Kalkül ist insofern schlüssig, als die Standorte anderer Länder durch weniger gehorsame Arbeiter ins Hintertreffen geraten. Deutschland setzt auf Verzichtskonkurrenz.
Ob die Rechnung aber längerfristig aufgeht, darf bezweifelt werden. Konjunktureinbrüche werden trotz – oder wegen – solcher Schritte auch in Deutschland ihre Opfer kosten. Die Hilferufe nach Vater Staat könnten dann besonders schrill ausfallen, hat der deutsche Arbeiter dann doch immer noch nicht gelernt, einmal ungehorsam zu sein. Woher also nimmt Kaden seinen Pessimismus, der viele Linke optimistisch stimmt? Der Spiegel-Redakteur verweist auf die Erfahrung der Agenda 2010: Hartz IV habe die Linkspartei groß gemacht. Da hat er sicher Recht, unterschlägt aber, dass damals die großen Gewerkschaften ihren Job als Verteilungskämpfer nicht gemacht haben. Und dass sie auch weiterhin nicht beabsichtigen, diese Aufgabe auszufüllen, hat Michael Sommer mit seinen Lobreden auf die Sozialpartnerschaft auf dem letzten DGB-Kongress klargestellt. Unter diesen Bedingungen mag die sich fortsetzende Krise zwar dazu führen, dass sich die politischen Stimmen neu verteilen, mit Kämpfen hat das aber weniger zu tun.