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Berlin Beatet Bestes. Folge 48. Karl Heinz Hansen: »Mit der Apollo« (1969)

Früher schrieb ich munter auf meinem Blog, so als würde niemand meine Texte lesen. Tatsächlich las ja auch zunächst fast niemand mit, es dauerte sechs Monate, bis meine Blogstatistikkurve langsam anstieg. Mittlerweile habe ich im Durchschnitt 500 Klicks pro Tag.
Mein zweites Posting im Dezember 2007 war die Single »Mit der Apollo« von Karl Heinz Hansen, veröffentlicht auf dem Berliner Minilabel Kaskade. Der möchte ich mich jetzt nochmals widmen. Der Song verbindet, ganz auf der Höhe der Zeit, den ersten Mondflug der Apollo 11 mit der Berliner Außerparlamentarischen Opposition, kurz Apo:
»Mit der Apo, Apo-Apollo, sammeln wir die Steine ein./Und der Apo-, Apo-Apollo, der begegnen wir im Mondenschein./Und das alles kommt aus einer Stadt, in der die Linke schon die Rechte von Frau Luna hat./Mit der Apo-, Apo-Apollo schlagen wir im Mondenschein den Weg zum Meer der Ruhe ein.«
Soweit der Text, der auf dem Cover abgedruckt ist. Tatsächlich geht der Liedtext noch ein bisschen weiter:
»Wer muss auf den Mond? Die Apo-, die Apo-Apollo!/Wer wird nicht geschont? Die Apo-, Apo-Apollo! Das weiß schon jeder Gammler mit ner Mähne, wer auf’n Mond will, muss bei uns in Quarantäne.«
Nicht ganz so zeitgemäß war damals der Marsch-Beat, der hier zu hören ist, aber die Platte richtete sich ja auch an ein überwiegend ­älteres Publikum und nicht an jugendliche Beat-Fans. Wie weite Teile der Bevölkerung sahen sowohl Hansen und als auch Hans Joachim Stenzel, der das Cover von Hansens Single gezeichnet hatte, die Studentenunruhen der späten sechziger Jahre als Bedrohung der öffentlichen Ordung. Besonders Stenzel drückte dieses Unbehagen auch in vielen seiner Cartoons aus. Texte und Cartoons wie die von Hansen und Stenzel verstärkten sicherlich die allgemeine Atmosphäre des Hasses auf »langhaarige Chaoten«, der letztlich im Anschlag auf Rudi Dutschke gipfelte.
Die Untergrundzeitung Linkeck, die von einer Kommune in der Bülowstraße gemacht wurde, nahm diese Bedrohung zum Anlass, Stenzels Chaotencartoons mit dem Zusatz »Enteignet Springer« auf Postkarten zu verbreiten. Stenzel verklagte daraufhin Linkeck. Wütend bezeichnete wiederum Linkeck den Springer-Zeichner Stenzel als Faschisten.
Mir persönlich gefällt der klare, handwerklich sichere Stil Stenzels so gut, dass ich mittlerweile all seine Bücher gesammelt habe, und auch den »Apollo«-Song finde ich sehr lustig. Dennoch ließ ich mich dazu hinreißen, mich über eine andere Platte Karl Heinz Hansens, den »Buttermilchwalzer«, eine feuchtfröhliche Karnevalshymne, lustig zu machen.
Vorige Woche erhielt ich dann von Hansens Sohn eine böse Mail, in der er sich beschwerte, ich hätte seinen Vater als Alkoholiker und Stenzel als Faschisten bezeichnet, und mich auch gleich um die Übersendung meiner Gema-Anmeldung für meine angebotenen Downloads bat. Ich habe mich daraufhin angemessen bei Hansen Junior entschuldigt, die Postings entfernt und mich sehr dafür geschämt. Hansens Sohn war mir auch bald nicht mehr böse: »Schwamm drüber.«
Eigentlich war das alles sowieso ein Missverständnis. Denn im richtigen Leben bin ich ein sehr höflicher Mensch, und in Zukunft werde ich das auch im Internet sein.