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Vielleicht hätten wir diese Woche etwas anderes zum Thema machen sollen. Vielleicht etwas, über das noch nicht die ganze Welt spricht. Vielleicht die Granatenangriffe des iranischen Militärs auf kurdische Rebellen, denen am Wochenende Berichten zufolge auch ein 14jähriges Mädchen zum Opfer fiel. Oder den Anschlag in der südrussischen Stadt Stavropol, bei dem sieben Menschen einige Minuten vor Beginn eines tschetschenischen Volksmusikkonzerts starben, darunter ein zwöfjähriges Kind. Oder Anschläge in Bagdad, die am Montag vier Menschen töteten. Oder die 13 Menschen, die im iranischen Qezel-Hessar-Gefängnis hingerichtet wurden. Oder Darfur, wo bei Kämpfen allein im vergangenen Monat der Uno zufolge 597 Menschen ums Leben kamen. Haben Sie davon gehört?
Die neun von israelischen Soldaten getöteten Aktivisten auf der »Mavi Marmara« erhielten hingegen alle Aufmerksamkeit der Welt. Das ist aus vielen Gründen durchaus berechtigt. Verwunderlich, oder eben auch nicht verwunderlich, ist vielmehr, warum bei all den anderen Toten die weltweite Empörung ausbleibt und kaum jemand eine unabhängige Untersuchungskommision fordert und verlangt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn die ganze Welt den Konflikt zwischen Israel und der Hamas für den Bauchnabel des Weltfriedens hält, hätten wir vielleicht woanders hinsehen sollen und den Schwerpunkt dieser Ausgabe einem der vielen anderen tödlichen Konflikten widmen sollen. Nur leider führte auch dieses Mal die ungeteilte Aufmerksamkeit, die dem Nahost-Konflikt zuteil wird, zu derart geballtem Irrsinn, dass wir uns gezwungen sahen, dem Vorfall und den Reaktionen darauf doch mehrere Seiten zu widmen. Nächstes Mal, wenn wieder alle auf Israel sehen, berichten wir dann vielleicht zur Abwechslung über etwas ganz anderes. An unerfreulichen Gewalttaten gibt es schließlich keinen Mangel.
Mangel herrscht wie immer eher an den guten Nachrichten. Immerhin eine konnten wir diese Woche ausmachen: Zwei konservative Kandidaten streiten um das Amt des Bundespräsidenten! Ist das geil! Ivo Bozic von der Jungle World behält in der Videokolumne »Berliner Ferngespräche« im Streitgespräch mit David Harnasch vom Cicero natürlich Recht: Zieht der von der Koalition aufgestellte Kandidat Christian Wulff ins Schloss Bellevue, ist das für alle Beteiligten schlicht peinlich. Und wird doch der vom Habitus so schwergewichtige, sonst aber auch nur Gemeinplätze vortragende Kandidat Joachim Gauck gewählt, ist das für die schwarz-gelbe Koalition womöglich das Ende. Und was wäre, gerade angesichts des nun von der Regierung auf den Weg gebrachten Sparpakets, eigentlich mehr zu wünschen? Es ist übrigens schon die zweite Folge der »Berliner Ferngespräche«. Alle zwei Wochen immer Dienstags im Netz auf jungle-world.com!