Diskrete Gewalt. Zum Boom privater Söldnerfirmen

Diskrete Gewalt

Die Sicherheitsbranche ist ein boomender Wachstumsmarkt. Auch auf ihr Leistungsspektrum im militärischen Bereich sind die Vertreter der Zunft stolz.

»Deutsche Söldner für Bürgerkrieg in Somalia«. Mit dieser Meldung schreckte die »Tagesschau« pünktlich zu Pfingsten das sich entspannende Fernsehpublikum auf. Ein privates Sicherheitsunternehmen namens Asgaard German Security Group aus dem westfälischen Telgte wolle mehr als 100 ehemalige Bundeswehrsoldaten ans Horn von Afrika schicken, um den Warlord Galadid Abdinur Ahmad Darman »an die Macht zu bringen«, wie es hieß. Die Nachricht entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie: Während Darman die amtierende somalische Übergangsregierung als illegitim bekämpft, unterstützt die Europäische Union diese mit Militärberatern und Ausbildern – darunter 13 Angehörige der Bundeswehr.
Die Reaktion der Politik ließ nicht lange auf sich warten. Der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, forderte postwendend, man müsse der Firma Asgaard »Einhalt gebieten« und darüber hinaus die private Sicherheitsbranche insgesamt staatlich »regulieren«. Der FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner erklärte, dass die Entsendung von Söldnern nach Somalia »eindeutig« gegen das geltende UN-Waffenembargo verstoße, und verlangte, Asgaard »zur Verantwortung« zu ziehen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Partei »Die Linke«, Paul Schäfer, warf dem Sicherheitsunternehmen gar vor, eine »Form von Neben-Außenpolitik« zu betreiben, die sich der »parlamentarischen Kontrolle« entziehe.

Von so viel Gegenwind offenbar alarmiert, sah sich Asgaard-Chef Thomas Kaltegärtner genötigt, schnell zu handeln. Noch am Pfingstsonntag ließ der Hauptfeldwebel der Reserve die Presse wissen, dass seine Firma »eng mit der deutschen Regierung zusammenarbeiten« und »in keiner Weise gegen deren Interessen tätig werden« wolle. Ohnehin befänden sich »zurzeit keine deutschen Staatsbürger auf Veranlassung von Asgaard GSG in Somalia«. Medial war die Sache damit abgehakt. Das Unternehmen mit dem Wikingerschiff im Logo und dem in Runen gehauenen Wahlspruch »Treue, Loyalität, Disziplin, Ehre, Tapferkeit, Pflicht« geriet wieder in Vergessenheit. Nichtsdestotrotz werfen die Vorgänge um Asgaard ein grelles Licht auf einen Wirtschaftssektor, der gemeinhin als boomender Wachstumsmarkt gilt.
Glaubt man dem Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Generalleutnant a. D. Kersten Lahl, dann beschäftigt die deutsche Sicherheitsbranche insgesamt etwa 200 000 Mitarbeiter und kann auf einen Jahresumsatz von vier Milliarden Euro verweisen – Tendenz steigend. Wie Lahl bei einem Vortrag im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung erklärte, nutzten private Dienstleitungsunternehmen zunehmend das »vorhandene Potential an freier militärischer und quasipolizeilicher Expertise« und füllten damit »Marktlücken«, was allerdings »weder überraschend noch verwerflich« sei: »Niemand nimmt Anstoß an der logistischen Unterstützung der Armeen durch die private Wirtschaft. Auch an (…) die uniformierten privaten Sicherheitsdienste im öffentlichen Nahverkehr hat man sich in den meisten Städten längst gewöhnt. Sogar der Betrieb von Strafvollzugsanstalten mit Hilfe privater Unternehmen schreckt kaum noch auf.« Insbesondere im »militärischen Bereich« sei das von privater Seite angebotene »Leistungsspektrum« außerordentlich »breit«, sagte Lahl. Es umfasse den »Aufbau von Feldlagern« und das »Räumen von Minenfeldern« ebenso wie die »Ausbildung fremder Soldaten und Polizisten«, das »Verhör von Gefangenen«, den »bewaffneten Schutz von Personen und Infrastruktur« oder »nachrichtendienstliche Aufgaben«.

Der Präsident der Bundesakademie verwies abschließend auf einen Aspekt, der die Zusammenarbeit zwischen Streitkräften und privaten Sicherheitsdiensten seiner Ansicht nach »unverzichtbar« macht. Während in Gesellschaften westlicher Prägung jeder staatliche Militäreinsatz »enorme Aufmerksamkeit« genieße, »sehr kon­trovers diskutiert« und »argwöhnisch begleitet« werde, würden die Aktivitäten privater Unternehmen »weit weniger wahrgenommen«. Deren Beteiligung an kriegerischen Operationen sei daher »meist sehr viel diskreter durchzusetzen«.
Damit, dass die Tätigkeit seiner Sicherheitsfirma »absolut konspirativ und unauffällig« abläuft, wirbt auch Walfried Sauer, Geschäftsführer der in Grünwald bei München ansässigen Result Group. Im Unterschied zu Asgaard kann man hier gut und gerne auf zwielichtige Kunden verzichten. Zu den Geschäftspartnern des Unternehmens zählen der Versicherungskonzern HDI-Gerling, die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie und der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft – um nur einige wenige zu nennen. Auch Sauers paramilitärische Truppe kann sich sehen lassen: Firmenangaben zufolge handelt es sich bei den Mitarbeitern um vormalige Angehörige der polizeilichen Anti-Terror-Einheit GSG 9, des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und des für Auslandsspionage zuständigen Bundesnachrichtendienstes.

Insbesondere für Manager und Entwicklungshelfer, die in sogenannten High-Risk-Regionen wie etwa Afghanistan tätig sind, bietet die Result Group spezielle »Intensivseminare« an. Trainiert wird unter anderem das »Überleben als Geisel/Entführungsopfer«, die »realistische Einschätzung von Gefahren« auf Reisen sowie das »Verhalten bei kriminellen Angriffen und politischen Unruhen«. Um die jeweilige Situation vor Ort einschätzen zu können, unterhält das Unternehmen nach eigenen Angaben ein »Lagezentrum« nebst einer elektronischen Datenbank, in der »sicherheitsrelevante« Angaben über mehr als 200 Länder gespeichert sind. Erfasst werden Informationen zu Pandemien, Kriminalität, Terrorismus, Streiks sowie zum Zustand des Gesundheitswesens. In den »Hochrisikoländern« selbst analysiere man die »Wohn- und Arbeitssituation« einschließlich der Fahrstrecken potentiell bedrohter Kunden, überprüfe deren lokales Personal und sorge für den »ganzheitlichen Schutz von Großprojekten wie Baustellen, Anlagen und Camps«.

Wie die Result Group weiter mitteilt, kooperiert sie außerordentlich eng mit der deutschen Versicherungswirtschaft, insbesondere mit HDI-Gerling und der Allianz. Bei den beiden Versicherungskonzernen handelt es sich um die einzigen deutschen Anbieter von »Kidnapping and Ransom«-Policen, die Lösegeldzahlungen im Fall von Entführungen oder Geiselnahmen vorsehen. Um eine entsprechende Versicherung abschließen zu können, sind Interessierte angehalten, sich einer »präventiven Beratung« seitens der Result Group zu unterziehen. Potentielle Versicherungsnehmer würden dabei regelrecht »durchleuchtet«, berichtet der Spiegel. Wird der Versicherte tatsächlich Opfer einer Entführung oder Geiselnahme, übernimmt die Result Group das gesamte »Krisenmanagement« einschließlich der Verhandlungen über die Höhe des Lösegelds. Dem Allianz-Konzern zufolge war die Sicherheitsfirma 2008 »weltweit mit über 60 Fällen von Kidnapping, Erpressung und Piraterie« befasst.
Offenbar haben sich private Sicherheitsunternehmen mittlerweile tatsächlich »zu einer der tragenden Säulen der Sicherheitsarchitektur entwickelt«, wie Generalleutnant Kersten Lahl in seiner bereits zitierten Rede formulierte. Einen zentralen Grund hierfür nannte der Leiter des militärpolitischen Think Tanks des Bundes ebenfalls: »In Zeiten knapper öffentlicher Mittel lohnt sich grundsätzlich jede Suche nach alternativen Lösungen, selbst wenn dabei so manches Tabu gebrochen wird.« Ein Schuft, wer dabei gleich an die Entsendung von Söldnern in Bürgerkriegsgebiete denkt.