Boykott mit Folgen. Hamburger Kunststudierenden droht die Pfändung

Brotlose Kunst

Studierende einer Hamburger Kunst­hochschule sind von Zwangspfändungen bedroht, weil sie die Studiengebühren boykottieren.

Seit dem Sommersemester 2007 boykottieren Studierende der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK) die Studiengebühren. Nun drohen den Gebührenverweigerern Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Bis zu 50 Studierende sollen in den kommenden Wochen Besuch von Gerichtsvollziehern bekommen, die die ausstehenden Gebühren zwangsweise eintreiben sollen. Einen HfbK-Absolventen hat es bereits erwischt: Sein Konto wurde von einem Gerichtsvollzieher stillgelegt. »Seit letztem Freitag ist mein Konto gesperrt, obwohl ich ohnehin nichts habe. Ich weiß nicht, wovon ich leben soll«, erklärt der betroffene Maximilian Wondrak.

Für den Sprecher des Asta der HfbK, Till Wolfer, ist die Situation absurd: »Alle Beteiligten haben in der Vergangenheit immer wieder beteuert, dass die Studiengebühren eigentlich wieder abgeschafft gehörten. Für uns ist das jetzige Vorgehen mehr als unverständlich.« In der Tat hatten sowohl der HfbK-Präsident Martin Köttering wie auch der zuständige Hochschulsenat in der Vergangenheit ihre Ablehnung der Studiengebühren betont. »Bildung sollte dem Gleichheitsgrundsatz entsprechend allen zugänglich sein. Dies ist durch das modifizierte Hamburger Studiengebührenmodell nicht gegeben«, hatte der Hochschulsenat entsprechend im Sommer 2009 erklärt. Wolfer meint, dass sich nun die institutionell Verantwortlichen hinter der Formalie verstecken würden, ihnen seien durch die Rechtslage die Hände gebunden. »Köttering scheint es an Rückgrat zu fehlen, sich wirklich im Interesse der Studierenden gegen die Gebühren zu engagieren«, ließ der Asta verlauten.
Dabei hat auch der Präsident der Hamburger Universität, Dieter Lenzen, erneut die Studiengebührenregelung in Hamburg gerügt, nachdem im Saarland und in Hessen die Studiengebühren wieder abgeschafft wurden und in Nordrhein-Westfalen Ähnliches zu erwarten ist. Obwohl die Grünen sich noch im Wahlkampf für die Abschaffung der Studiengebühren ausgesprochen hatten, setzt sich die Partei im Bündnis mit der CDU nur noch für eine dem Studium nachgelagerte Gebührenerhebung ein. Angesichts des laufenden Bürgerentscheids zur Einführung der Primarschule mache sich der schwarz-grüne Senat mit Gerichtsvollziehern, die mit Pfändungen mittellose Kunststudierende in den Ruin treiben, zusätzlich unglaubwürdig, meint Wolfer. »Einerseits wirbt der Hamburger Senat für eine Schulreform, die das Schulsystem gerechter machen soll. Andererseits befördert er durch die Beibehaltung des Studiengebühren-Systems den Ausschluss finanziell schlechter gestellter Menschen und schickt sogar Vollstreckungsbeamte.«

Selbst wenn mit diesen Maßnahmen die Boykottbewegung gebrochen werden könnte, wertet der Asta die Boykottaktion prinzipiell als politischen Erfolg. »Mit den Auseinandersetzungen hier in der HfbK hat es eine Dynamik von Diskussionen über das Recht auf Studium hin zu Diskussionen über das Recht auf Stadt gegeben«, sagt Wolfer. Nicht wenige Studierende seien mittlerweile auch andernorts politisch aktiv geworden. Und auch nach drei Jahren dauert die Boykottbewegung immer noch an. Anfangs beteiligten sich 80 Prozent der Studierenden an der Aktion und trotzten mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen sogar der angedrohten Zwangsexmatrikulation. Zurzeit liegt die Boykottquote noch immer bei über 30 Prozent.
Das beherrschende Thema sei die Verweigerung der Studiengebühren zuletzt zwar nicht mehr gewesen, erklärt Wolfer. Aber mit der drohenden Welle von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen könne sich das schnell wieder ändern. Zudem könnte den Betroffenen nun unerwartet eine Gesetzesänderung zugute kommen. Denn seit dem 1. Juli gelten neue Regeln für den Schutz gegen Pfändungen bei Bankkonten. Jeder Bürger hat dann die Möglichkeit, ein pfändungsfreies Konto mit einem Schutzbetrag von knapp 1 000 Euro einzurichten. Damit könnten die HfbK-Boykotteure der Hochschulleitung erneut einen Strich durch die Rechnung machen.