Legal, illegal, digital

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Die älteren Leser werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass früher häufig von einem »unternehmerischen Risiko« die Rede war. In einer längst vergangenen Zeit ging man nämlich davon aus, dass ein Unternehmer Pleite gehen und gar mit seinem persönlichen Vermögen für den Bankrott haften könne. Historiker berichten, dass so etwas hin und wieder tatsächlich vorkam. Ein Unternehmer muss viel verdienen, weil er ja das unternehmerische Risiko trägt, sagte man damals. Seit es nicht mehr nötig ist, eine Rechtfer­tigung für die Aneignung des Mehrprodukts vorzubringen, wird auch das unternehmerische Risiko vermisst. Der Bankrott eines Großunternehmens ist kaum noch denkbar, und ein Manager, der einen Betrieb ruiniert, wird selten ohne einen Millionenbonus verabschiedet.
Der moderne Unternehmer erwartet eine staatliche Profitgarantie. Wenn das Geschäft nicht läuft, ist die Regierung gefragt. Die deutschen Verleger etwa haben keinen Weg gefunden, im Internet viel Geld zu verdienen. Um dieses gottgegebene Recht durchzusetzen, muss also ein neues Gesetz geschaffen werden. »Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben«, fordern die Axel Springer AG, der Spiegel-Verlag und weitere Medienunternehmen in seltener Einmütigkeit. Zahlen, zahlen, zahlen, und immer an den Unternehmer denken. Das »Leistungsschutzrecht für Presseverlage« soll den erwünschten Profit garantieren. Da das maßlose Anspruchsdenken der Unternehmer allgemein akzeptiert wird, ist es bereits in einem erstaunlichen Ausmaß ­gelungen, Nutzungsbeschränkungen durchzusetzen. Wer eine Säge kauft, würde sich vom Hersteller wohl nicht vorschreiben lassen, dass er das Werkzeug nie dem Nachbarn leihen darf. Wer hingegen digitale Musik erwirbt, darf sie nicht weiterverbreiten. Im vergangenen Jahr löschte Amazon legal erworbene E-Books von den Kindle-Geräten seiner Kunden, passenderweise auch »1984« von George Orwell, weil der Anbieter die nötigen Rechte nicht hatte.
»Unser Ziel muss es sein, die Hauptstraßen des Internets frei von Piraten zu halten«, sagte der nie um eine unpassende Metapher verlegene Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner. Zumindest unter den jüngeren Nutzern des Internets dürfte der Anteil der Kriminellen, die illegal Musik und Filme herunterladen, über 90 Prozent liegen. Jugendliche zu kriminalisieren, mag als ein geeignetes Mittel erscheinen, sie gegen Staat und Kapital aufzubringen. Doch leider ist ein entsprechender Effekt bislang nicht feststellbar. Nun soll noch ein neuer Straftatbestand hinzukommen, der des widerrechtlichen Lesens und Weiterverbreitens von Texten. Darf man hoffen, dass ein solches Gesetz das Interesse an illegalen Informationen wecken wird?