Ein Porträt des neuen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier

Der Kümmerer von der Tankstelle

Volker Bouffier, der neue hessische Ministerpräsident, gibt gern den netten Regierungsonkel. Doch wie sein Vorgänger Roland Koch entstammt er dem nationalkonservativen Flügel der CDU. Dass er hart durchgreifen kann, hat er bewiesen.

Wenn Volker Bouffier (CDU) redet, dann blitzt häufig ein kurzes Lächeln auf. Der neue hessische Ministerpräsident, der in der vergangenen Woche mit allen Stimmen der schwarz-gelben Koalition gewählt wurde, wirkt gutmütiger als der alte. Sein Vorgänger Roland Koch, der sich höchstens ein zynisches Grinsen abringen konnte, galt als Hardliner und kühler Machtmensch, als distanziert und sachlich.
Bouffier hingegen gibt sich als »geselliger Mann des Volkes« – einer, der auch als Vertreter des örtlichen Autohauses beim Schützenfest durchgehen würde, ein Sympathie- und Mittelscheitelträger. Blondiert, bodenständig und derb, »nah an den Menschen« und ihren Sorgen. Bouffier ist ein Mann, der seinen Tag mit Gymnastik und einem ordentlichen Fleischsalat-Marmelade-Frühstück beginnt, wie er dem Radiosender HR 1 anvertraute, und sich nach Aussage des Vorsitzenden der hessischen Grünen Tarek Al-Wazir, abends nach einer Sitzung »auch mal festquatscht oder -trinkt«. Für Boris Rhein (CDU), der Bouffier als Innenminister ablöst, ist der 58jährige ein »Kümmerer und Kommunikator«, immer behilflich, »wenn alten Leuten beim Tornado das Dach wegfliegt«. In seiner Antrittsrede beteuerte Bouffier in beinahe therapeutischer Manier, er wolle den Menschen die »Ängste vor dem sozialen Abstieg« nehmen. Selbstverständlich sei ihm jeder Einzelne wichtig, der gebürtige Gießener möchte »Ministerpräsident aller Hessen« sein. »Ich bin für euch da!« – die Leier macht beliebt.
Die Rhetorik des nationalkonservativen CDU-Flügels, mit der Koch regelmäßig zu provozieren wusste, fehlt bei Bouffier. In der Art des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler spricht er von einem »fairen Miteinander« im Parlament und fordert – ausgerechnet den ehemaligen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Holger Börner zitierend –, »jede Chance zu einer Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften« zu nutzen. Schon munkelt man von einem Seitenhieb gegen seinen Vorgänger, ist doch dieses versöhnliche Angebot das Gegenteil der »Konfrontation aus Prinzip«, die Koch häufig praktizierte.

Wenn es einmal brenzlig für Bouffier wird, versteht er es, den ganz großen Eklat zu vermeiden. Zu Beginn seiner Zeit als hessischer Innenminister musste sich der studierte Jurist vor Gericht verantworten, denn er hatte in einem Scheidungsverfahren sowohl den Ehemann als auch die Ehefrau beraten. Dieser Mandatsverrat kostete ihn 8 000 Euro. Als er im vergangenen Jahr seinem Parteifreund Hans Langecker ohne vorheriges Auswahlverfahren den Posten des Präsidenten der hessischen Bereitschaftspolizei übergab und sich daraufhin Rücktrittsforderungen ausgesetzt sah, konnte er größeren Ärger abwenden.
Es mag sein, dass Bouffier eher dem Typus des jovialen Landesvaters entspricht als Koch, dem zuliebe er 1999 auf eine Kandidatur als Ministerpräsident verzichtete und als »Prinz Charles von Hessen« ein Dasein in der zweiten Reihe fristete. Er mag sich zahmer geben als sein Vorgänger und weniger markige Sprüche klopfen. Doch Bouffier wurde wie Koch im nationalkonservativen Flügel der CDU sozialisiert. In den elf Jahren als hessischer Innenminister hat er bewiesen, dass er ebenfalls ein Hardliner ist, ein Vertreter von »Law and Order«, der die Dinge gern anpackt.
Denn auch er war, neben Koch und Franz-Josef Jung, eines der jungen Unionsmitglieder, die sich in den achtziger Jahren regelmäßig an einer Autobahnraststätte trafen, um Treue im Kampf gegen die Linke zu geloben. Einer der Mentoren dieses »Tankstellen-Bündnisses« war Alfred Dregger, der wohl bekannteste Vertreter des nationalkonservativen »Stahlhelm-Flügels« der CDU. Im August wurde die Geschäftsstelle der hessischen CDU nach Dregger benannt. Die Zeremonie zu Ehren des geschichtsrevisionistischen Linkenhassers – die Parole »Freiheit statt Sozialismus« geht auf ihn zurück – leitete sein Zögling Bouffier.
Doch wie viele CDU-Politiker hat der neue Ministerpräsident mittlerweile begriffen, dass es in einer heterogenen, postmodernen Gesellschaft nicht klug ist, mit allzu brachialem Haudrauf-Vokabular die Wählerschaft zu verschrecken. Die rassistischen Tiraden Thilo Sarrazins nannte Bouffier im Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk »absoluten Blödsinn«, auch wenn verbesserungswürdige Punkte der Integrationspolitik angesprochen würden. »So wie Herr Sarrazin das macht, kann man das nicht machen«, sagte der Politiker. Der langjährige Innenminister weiß eben, wie es besser geht: mit einer rigorosen Abschiebepolitik. Überhaupt kennt er sich in Integrationsfragen sehr gut aus. Er entwarf 2006 den Einbürgerungstest für Migranten.

Zudem ist Bouffier von ganzem Herzen ein Mann der Sicherheit. So veranlasste der »schwarze Sheriff«, wie er auch genannt wird, die eine oder andere Gesetzesänderung, um beispielsweise den Einsatz der präventiven Rasterfahndung und Mobiltelefonüberwachung schneller und weniger bürokratisch zu ermöglichen, was ihm bereits zweimal verdient den »Big Brother Award« eingebracht hat. Erst jüngst machte die persönliche Fehde zwischen Bouffier und einem Gießener
Anarchisten Schlagzeilen. Dieser wurde unter anderem für Sachbeschädigungen in der Nähe des Hauses des Politikers verantwortlich gemacht und daraufhin unschuldig für mehrere Tage inhaftiert – was Bouffier gebilligt haben soll.
Womöglich wird »Bouffi«, wie ihn Parteifreunde nennen, also einen anderen Stil pflegen als Koch: als volksnaher Biedermann, als Familien- und Polizeimensch. Sicher wird er für alle hessischen Bürger da sein, für seine Wähler ohnehin, für Linke mit einer einfallsreichen Sicherheitspolitik, für Migranten mit fantasievollen Integrationsmaßnahmen.