Über das Pornfilmfestival in Berlin

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Von Asexualität bis Zoophilie: Beim Pornfilmfestival in Berlin bleibt keine Praktik unbebildert.

Es gehe ums Kuscheln, um Nähe, sagt der unsicher wirkende junge Mann. Darum, dass daheim jemand auf einen wartet und sich freut, wenn man nach Hause kommt. Überhaupt werde das Gespräch mit anderen Menschen überschätzt, meint er. Es sei ja immer dasselbe, was da tagein, tagaus untereinander gesprochen werde. »Sie würde mich nie betrügen oder hintergehen, auch nicht mit Menschen«, sagt er. Es ist seine Schäferhündin Bonnie, von der er so zärtlich spricht, mit der er nach eigenen Angaben besser zurechtkommt als mit Menschen und mit der er gelegentlich Sex hat. Wobei, wie der freimütig vor der Kamera und vor Publikum sprechende Mann betont, in dieser »Beziehung«, wie er das eigentümliche Verhältnis zu seinem Hund nennt, nicht der Sex die Hauptsache ausmache. Da gebe es ja bedauerlicherweise in der Gesellschaft Vorurteile. Wo doch der Sex nur »ein kleiner Teil« der innigen Liebe sei, die er mit seinem Haustier teile. »Geliebt« heißt der Kurzfilm des Filmhochschülers Jan Soldat, in dem zwei junge Männer mit ihren beiden Hunden vorgestellt werden. Ob es sich dabei um ein deprimierendes Dokument der Einsamkeit handelt oder um das vorurteilsfreie Porträt zweier aufgeschlossener Zoophiler, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Von den charmanten Veranstaltern des Pornfilmfestivals, das am Wochenende in Berlin stattgefunden hat, werden gern Dokumentationen wie diese gezeigt. Es gehört zum Konzept: Alles hat hier sein Publikum und das Recht auf einen Platz. Nichts, was mit der menschlichen Sexualität zu tun hat, soll verunglimpft, verlacht oder verdrängt werden, nichts soll unerzählt bleiben, keine sexuelle Praktik oder Neigung oder geschlechtliche Identität soll ausgespart werden. So hatte man einiges zu bestaunen: von der hohen Kunst des »Rachenficks« und dem fachgerechten Verschnüren von Menschenleibern bis hin zu bizarren Produktionen aus unterschätzten Genres wie dem Porno-Musical (»Swinging in the Rain«) oder dem japanischen Pink Film: In »SM Hunter« befreit ein sadistischer Bondage-Meister, der ein Priesterhemd zu SS-Stiefeln trägt, einen schwulen jungen Mann aus den Fängen einer männerhassenden Gang unzureichend bekleideter Motorradbräute, wobei es freilich nicht ausbleiben darf, dass die Anführerin der Bande beim finalen Zweikampf gegen den sein Lasso werfenden Helden mit einer frisch gebügelten Nazi-Uniform bekleidet ist. Wollen wir hoffen, dass derlei nie von Wim Wenders verfilmt wird.