Antonio José Brack Egg im Gespräch über Umweltkonflikte in Peru

»Die Umweltaktivisten machen es sich leicht«

Obwohl es in Peru seit Jahrzehnten drängende ökologische Probleme gibt, existiert dort erst seit zweieinhalb Jahren ein Umweltministerium. Es wurde 2008 mit deutscher Hilfe errichtet. Antonio José Brack Egg, ein mittlerweile 70jähriger prominenter Agrarwissenschaftler, Ökologe und Forscher im Bereich der Biodiversität, ist der erste peruanische Umweltminister. Wie geht sein Ministerium mit den immer wieder eskalierenden Umweltkonflikten zwischen Landwirtschaft und Bergbau, zwischen der Bevölkerung und internationalen Konzernen um?

In Peru gibt es immer mehr Umweltkonflikte, insbesondere in Bezug auf den Bergbau. Welche Rolle spielt Ihr Umweltministerium in diesen Konflikten?
Der Bergbau ist nicht der große Umweltverschmutzer in Peru. Der größte Umweltskandal ist die Tatsache, dass die Abwässer fast aller Städte ungeklärt ins Meer fließen. Zudem werden 83 Prozent der Abfälle einfach irgendwo hingekippt. Das sind echte Herausforderungen für unser Land – genauso wie die Bewahrung der Amazonas-Wälder. Erst danach kommen die Schäden, die durch den Bergbau hervorgerufen werden. Hier sind wir in den vergangenen zwei Jahren noch nicht weit vorangekommen, aber das wäre vielleicht auch etwas zu viel erwartet.
Was hat Ihr Ministerium in den gut zwei Jahren denn erreicht?
Die erste Herausforderung war es, uns auch im gesetzlichen Rahmen zu konstituieren, das ist uns gelungen. Die ersten Gesetze sind vom Kongress angenommen worden und die Presseresonanz auf unsere Arbeit ist positiv, etwa die Reaktionen auf unser Vorgehen gegen den informellen Bergbau in Madre de Dios. Auch bei unseren Projekten zum Schutz der Wälder ist die Resonanz ausgesprochen positiv. Natürlich haben wir auch mit Frustrationen zu kämpfen. Es ist nicht einfach, in einem Land für Umweltbewusstsein zu sorgen, in dem die Leute gewohnt sind, ihren Müll auf die Straße zu werfen, und in dem die Abwässer traditionell ungefiltert in die Gewässer fließen. Da braucht man Geduld und pädagogische Konzepte. Aber in zehn Jahren wird man Peru kaum wiedererkennen im Vergleich zu heute.
In Chimbote ist die Bucht von Fischmehlabfällen und Schwermetallen verseucht, in den Städten La Oroya und Cerro de Pasco leidet die Bevölkerung enorm unter den vom Bergbau verursachten Umweltschäden. Die Bevölkerung Perus muss sich an vielen Orten gegen massive Umweltprobleme zur Wehr setzen. Wie reagiert Ihr Ministerium auf die zahlreichen Proteste?
Es gibt derzeit mehr als 260 verschiedene Umweltkonflikte in Peru – im Zusammenhang mit dem Bergbau, der Fischerei, der Erdölförderung und anderem. Hinter vielen dieser Konflikte stehen politische Interessen. Umweltkonflikte werden von den Parteien teilweise genutzt, um Stimmen zu erhalten. Es gibt reale Probleme wie in Chimbote mit der verdreckten Bucht El Farrol. Dort haben wir in Zusammenarbeit mit dem Produktionsministerium Standards erarbeitet, Emissionen und Einleitungen begrenzt – da tut sich etwas.
Wir haben andere Konflikte, in denen es um Landrechte und Agrarwirtschaft geht, wo sich Indigene von landsuchenden Bauern zurückgedrängt sehen. Und dann gibt es die Bergbaukonflikte. Wir als Umweltministerium treten für einen sauberen Bergbau mit sozialer Verantwortung ein. Wir sind uns der Problematik bewusst, aber was man in 400 Jahren versäumt hat, können wir nicht in zwei Jahren korrigieren. Wir initiieren die nötigen Prozesse. Unsere Zielvorgabe ist es, bis zum Jahr 2021 die Abwässer in Peru komplett zu reinigen und den Schutz der Wälder voranzutreiben.
Aber wie wollen Sie dabei etwa mit Unternehmen wie Doe Run Perú umgehen? Doe Run hat sich immer wieder über gesetzliche Bestimmungen hinweggesetzt. Es hat den Anschein, als ob das US-Unternehmen in La Oroya eine Schwermetallkippe hinterlassen wird.
Ich glaube, dass wir uns ähnlich wie Deutschland nach der Wiedervereinigung von derartigen Dreckschleudern trennen müssen. Deutschland hat solche Werke geschlossen. In La Oroya ist das nicht so einfach möglich, auch wenn der Standort alles andere als optimal ist. Es hängen 5 000 Familien von dieser Metallschmelze ab. Das Unternehmen steckt in Zahlungsschwierigkeiten, es hat einen Aufschub erhalten, die Umweltauflagen umzusetzen, und gleichwohl hat der Betreiber bisher das Werk nicht wiedereröffnet. Generell sollte man auch nicht vergessen, dass es sich bei den dortigen Umweltschäden um teils 95 Jahre alte Altlasten handelt, für sie ist nicht Doe Run Perú allein verantwortlich.
La Oroya ist nicht nur ein Symbol für die Umweltverschmutzung durch den Bergbau, sondern auch für die Ausplünderung und Vergiftung der Arbeiter.
Die Umweltaktivisten und die ökologischen Fundamentalisten machen es sich sehr leicht, das Unternehmen zu kritisieren. Sicherlich ist es für die Kontaminierung der Region verantwortlich, aber andererseits darf man die soziale Verantwortung nicht vergessen. Wir müssen ein Gleichgewicht zwischen Umwelt, sozialer Verantwortung und Ökonomie finden. Es geht um die Arbeit von vielen Menschen und das Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen sozialen Realitäten.
Im Norden Perus protestieren Bauern gegen den Bergbau, der die Quellgebiete und ihren Ökoanbau gefährdet. Die Bauern in Tambogrande genauso wie in Huancabamba haben sich gegen den Bergbau entschieden. Wie gehen Sie mit dem Konflikt zwischen Landwirtschaft und Bergbau um?
In Tambogrande haben es die Bauern mit Leuten zu tun, die informell in der Region nach Gold schürfen. Gegen eine große, professionelle Mine haben sie sich ja gewehrt. Aber ist informeller Bergbau keine Umweltzerstörung? Mich stört, dass die Umweltschützer mit zweierlei Maß messen. Natürlich haben wir in Peru Gesetze und wir versuchen ja auch, Umweltskandale zu korrigieren – nicht umsonst gibt es das Gesetz zur Umsiedlung der Bergbaustadt Cerro de Pasco. Aber man muss auch festhalten, dass ein Land wie Peru nicht ohne Bergbau leben kann. Es gibt viele Umweltaktivisten, die das nicht einsehen wollen, obgleich sie die Bergbauprodukte durchaus nutzen. Wir wollen einen sauberen Bergbau mit gesellschaftlicher Verantwortung, und im Bereich der Kontrolle der Bergbauunternehmen machen wir Fortschritte.
Gibt es denn Unternehmen, die sich verantwortlich und umweltschonend verhalten?
Das Unternehmen Milton in Chincha wäre ein solches. Es holt das Wasser aus dem Meer, um nicht den Wasserhaushalt der Gemeinden durcheinanderzubringen. Auch die Mine Yanacocha ist beim Wassermanagement vorbildlich. Dort steht heute mehr Wasser für die Bevölkerung zur Verfügung als früher. Diese Mine kenne ich persönlich von außen und von innen. Wer mir sagt, dass Yanacocha für Wasserverschmutzung verantwortlich ist, soll mir sagen, wo und wie, und wir fahren hin.
Ich habe gerade mit Bauern aus Porcón Baja gesprochen, die genau mit diesem Unternehmen um Wasser streiten.
Da muss man sehr sorgfältig sein, denn viele Informationen, die kursieren, stimmen nicht. Es gibt auch Bauern, die nur auf Schadenersatz aus sind und manchmal auch da Ansprüche erheben, wo kein Schaden entstanden ist.
Die Bauern dort klagen mit Hilfe der Menschenrechts- und Umweltschutzorganisation Grufides vor der nationalen Wasserbehörde. Kämpfen sie nicht schlicht um mehr Wasser, um auch weiterhin Landwirtschaft betreiben zu können? Das wäre ja kein Einzelfall in Peru.
Aber es gibt Staubecken rund um Cajamarca, von denen mehrere von der Mine gebaut wurden.
Gleichwohl hatten etwa die Bauern aus Porcón Baja früher mehr Wasser zur Verfügung als heute. Auch im Norden rund um Piura bangen die Bananenbauern um die Wasserversorgung, wenn in den Bergen der Bergbau beginnen sollte.
Sie spielen auf den Fall Río Blanco an. Ja, das ist ein Problem. Aber der ganze informelle Bergbau, ist der kein Problem? Das große Problem in Peru ist der informelle Bergbau, nicht der große Bergbau der professionellen Unternehmen. Peru ist voll von diesen Problemen, und Tambogrande ist ein Beispiel dafür.
Die Wasserproblematik bereitet in der Hauptstadt Lima immense Schwierigkeiten. Wie wollen Sie die Wasserversorgung der Metropole garantieren, wenn nicht schonender mit der Ressource Wasser umgegangen wird?
Der Bergbau nutzt derzeit rund zwei Prozent des Wassers, die Landwirtschaft rund 80 Prozent. 18 Prozent entfallen auf die Städte und deren Bevölkerung. Allerdings müssen wir die Technologie der Wassernutzung ändern, Wasser im Hochland sammeln, es nach unten leiten und effektiver nutzen. Mit moderner Technik lassen sich 70 Prozent Wasser einsparen. Und der dritte Punkt ist der Wasserhaushalt Limas. Lima könnte doppelt so viel Wasser haben, wenn das System effizienter wäre – es versickert zu viel. Und es ist ein Unding, alle Abwässer ins Meer zu leiten.
Ihr Ministerium wurde mit deutscher Unterstützung aufgebaut. Im Bereich Wassermanagement haben deutsche Firmen über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Aufträge in Peru erhalten. Wie kommt es zu dieser engen Kooperation?
Wir brauchen mehr Kläranlagen und müssen die Mentalität in Peru ändern. Ein Kubikmeter Wasser kostet einen Sol – aber das Wasser ist doch viel mehr wert. In Deutschland wäre das undenkbar, da zahlt man für das Wasser und für die Abwässer, die dann wiederaufbereitet werden. Das ist ein besseres Modell – Peru ist ein Paradies für Wasserverschwender. Das muss sich ändern, denn wir werden langfristig weniger Wasser zur Verfügung haben.
Ich bin mehrfach in Deutschland gewesen und habe mehrere Städte besucht. Wir arbeiten in mehreren Bereichen eng zusammen – so zum Beispiel beim Erhalt der Wälder. Ich denke, dass ist die lebendigste Kooperation, die wir bisher haben. Deutschland unterstützt uns derzeit mit rund elf Millionen Euro. Das ist viel Geld, und während meiner letzten Deutschland-Reise konnte ich weitere Mittel erschließen.