Hochtief wehrt sich gegen die Übernahme

Töchter zahlen sich aus

Die Empörung in Deutschland über die wahrscheinliche Übernahme von Hochtief durch einen spanischen Konzern ist groß. Doch das deutsche Bauunternehmen hat in der Vergangenheit selbst von internationalen Übernahmen profitiert.

Es ist das Sinnbild für den deutschen Umgang mit der Krise: Unternehmer und Beschäftigte trotzen gemeinsam den Widrigkeiten der internationalen Ökonomie. Ihre rhetorische und symbolische Zuspitzung erfuhr diese sonderbare Kameradschaft zuletzt bei Hochtief, Deutschlands größtem Baukonzern. Dieser wehrt sich seit Monaten gegen eine »feindliche Übernahme« durch den spanischen Konzern ACS (Jungle World 43/10).
Diese »Abwehrschlacht« scheint nun verloren zu sein. Vergangene Woche gab das spanische Unternehmen bekannt, inzwischen über 30 Prozent der Aktienanteile zu besitzen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu seinem erklärten Ziel, sich im Laufe des Jahres die Mehrheit an Hochtief zu sichern. Denn nachdem ACS nun die sogenannte Kontrollmehrheit erlangt hat, kann der spanische Konzern weitere Anteile über die Börse aufkaufen und muss kein teures Pflichtangebot für die Übernahme abgeben. Schon jetzt ist es ACS möglich, entscheidenden Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrates und damit auf den Vorstand auszuüben.

Mit allen Mitteln hatte sich das Management von Hochtief gewehrt: Die Bundesregierung wurde gebeten zu intervenieren, notfalls durch eine Änderung des Übernahmerechts. Die Börsenaufsicht in Australien wurde angerufen, ACS zu einem gesonderten Pflichtangebot für das dortige Hochtief-Tochterunternehmen Leighton zu zwingen, was den Preis deutlich in die Höhe getrieben hätte. Sogar eine Kapitalerhöhung durch die Ausgabe von Aktien an die Qatar Holding wurde vorgenommen, um den Anteil von ACS zu verringern. Vergebens: Die Beteiligung des Konzerns aus Katar machte die Aktienkäufe für ACS nur etwas teurer, die australischen Behörden wiesen das Ansinnen des deutschen Unternehmens brüsk zurück, und auch die Bundesregierung sah keinen Handlungsbedarf, obwohl sie Verständnis für die Ängste der Belegschaft äußerte.
Diese Ängste sind keineswegs irrational. Schließlich würde ein mit etwa neun Milliarden Euro verschuldeter Konzern ein derzeit unverschuldetes Unternehmen schlucken. Paradox erscheint vor allem, dass ACS an dem Kauf sogar verdienen könnte. Hochtief verfügt über Tochterunternehmen, deren Wert den eigenen übersteigen. Für ACS ergeben sich somit zwei reizvolle Optionen: Entweder verkauft man die Anteile der Tochterunternehmen, die einzeln mehr einbringen als der Gesamtkonzern an der Börse wert ist, und kann damit die auf Kredit vollzogene Übernahme von Hochtief refinanzieren. Oder aber man sichert sich über Hochtief indirekt günstige Anteile an den Tochterunternehmen, woraufhin der Mutterkonzern vernachlässigt werden kann. Deshalb vermuten einige Beobachter, ACS sei eigentlich gar nicht auf Hochtief aus, sondern auf die australische Zweigfirma Leighton. Andere wiederum mutmaßen, ACS habe es vielmehr auf den Energieversorger Iberdrola in Spanien abgesehen. Um dessen Übernahme finanzieren zu können, wolle man mit Hochtief die Bilanzen verbessern.
Trotz aller Dementis des spanischen Unternehmens: Eine Aufspaltung des Hochtief-Konzerns und Entlassungen oder Lohnkürzungen wären mittelfristig nicht unwahrscheinlich. Immerhin reiht sich die Übernahme ein in eine neue, internationale Welle von »Mergers & Acquisitions« (M&A) – die Fusion von Unternehmen und der Erwerb von Unternehmensanteilen. Wegen der sich erholenden Konjunktur bei einem vergleichsweise niedrigen Bewertungsniveau an den Börsen erwarten zahlreiche Aktionäre und Unternehmer schnelle Profite mit solchen Geschäften.

In der »Übernahmeschlacht« sind nationalistische Töne deutlich zu vernehmen. Die Auseinandersetzung wird als »Kampf der deutschen Geradlinigkeit gegen die spanische Eroberungssucht« inszeniert (Jungle World 43/10). Das Schreckbild, wonach eine »Perle des deutschen Unternehmensbestands«, wie der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel Hochtief bezeichnete, durch unsolide wirtschaftende Spanier ruiniert werde, ist dabei in eine entsprechende Symbolik gekleidet: Protestierende Beschäftigte stellen ACS auf ihren Transparenten mit einem Totenkopf dar und bezichtigen das Unternehmen in ihren Parolen der Plünderung. Zugleich richten sie innige Appelle an Angela Merkel, den Spaniern doch bitte Einhalt zu gebieten. Und auch der Konzernbetriebsrat von Hochtief tut neuerdings so, als habe die IG Bau Hochverrat begangen, weil sie mit dem spanischen Feind bereits über Arbeitsplatzgarantien im Falle der Übernahme verhandelt hat. Dazu passend ergab eine Online-Umfrage der Financial Times Deutschland, dass fast zwei Drittel der Befragten in der spanischen Übernahme in erster Linie eine »Gefahr für deutsche Jobs« sehen.
Es ist kaum vorstellbar, dass ein innerdeutscher Übernahmestreit ebenso die Gemüter erhitzen würde, wie es sich seit der 2006 von Franz Müntefering (SPD) angestoßenen »Heuschreckendebatte« immer wieder bei Übernahmen durch ausländische Firmen beobachten lässt. Stets werden Forderungen, deutsche Unternehmen besser vor der internationalen Konkurrenz zu schützen, schnell vorgebracht. Und immer wird dabei ausgeblendet, dass deutsche Unternehmen seit Jahren äußerst emsig bei Übernahmen im Ausland sind und sich nicht selten auf Kosten eines übernommenen Konzerns sanieren (Jungle World 8/06). Für das Wohl der deutschen Wirtschaft ist das nicht unwesentlich, das wissen auch FDP und CDU, die deshalb politische Schutzmaßnahmen gegen Übernahmen nicht befürworten – »weder bei anderen noch bei uns«, wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte.

Als absurd erweist sich die Vorstellung vom guten einheimischen Kapital insbesondere im Fall Hochtief. Das Unternehmen arbeitet international und erzielt seine Gewinne wesentlich in Betrieben im Ausland. Gerade einmal 11 000 der 66 000 Arbeitsplätze befinden sich in Deutschland. Mit seiner Mehrheitsbeteiligung am Baukonzern Leighton verfügt Hochtief seit 2001 über ein Tochterunternehmen in Australien, das mehr Wert schöpft als der Mutterkonzern selbst und mit dem dieser sich die Märkte im asiatischen Raum erschließt. In den USA wiederum sicherte sich Hochtief bereits 1999 mit der Übernahme von Turner einen Großteil der US-Hochbauwirtschaft, im Mai erweiterte der Konzern seine führende Stellung auf dem US-Markt, indem es sich das Bauunternehmen E. E. Cruz einverleibte. Auch im europäischen Ausland geht man auf diese Weise vor, wobei Hochtief etwa durch den Betrieb von Mautstraßen und Flughäfen – ähnlich wie ACS – den Wandel zum Infrastrukturunternehmen vollziehen möchte.
Zudem ist das Interesse von ACS, mit der Übernahme von Hochtief auf dem deutschen Markt groß einzusteigen, durchaus eine logische Konsequenz der deutschen Arbeitnehmerpolitik. War es nicht etwa ein bestimmendes Merkmal der von den Gewerkschaften und Betriebsräten unterstützten Krisenpolitik, ein »attraktives Investitionsklima« durch eine innige Sozialpartnerschaft herbeizuführen, insbesondere mit Beschäftigten, die sich zu mäßigen wissen und sich dem Betriebsfrieden verpflichtet fühlen? Die traute Einigkeit zwischen Management und Beschäftigtenvertretungen im Abwehrkampf gegen ACS war insofern nur eine weitere Werbung für den Standort. Eine disziplinierte deutsche Belegschaft dürften sich viele internationale Unternehmer wünschen.