Die Brandanschläge auf Moscheen in Berlin 

Der Berliner Dauerbrenner

Die Serie von Brandanschlägen auf Moscheen in Berlin reißt nicht ab. Die betroffenen Gemeinden bewerten die Angriffe unterschiedlich.

In Berlin ereignet sich seit etwa einem halben Jahr eine Serie von Brandstiftungen, die Moscheen und Einrichtungen islamischer Gemeinden als Ziel haben. Brandanschläge sind ein Teil der »politisch motivierten Gewalt«. Sie sind meist leichter auszuführen und schwerer aufzuklären als etwa Sprengstoffanschläge. Deshalb sind sie auch bei Laien des politischen Gewalthandwerks ein beliebtes Mittel – der Tatsache, dass solche Täter meist dilettantisch vorgehen, ist es wohl zu verdanken, dass sich der bisher in Berlin angerichtete Schaden in Grenzen hält.
In der ostdeutschen Peripherie sind Brandanschläge beispielsweise gegen ausländische Gastronomiebetriebe nichts Ungewöhnliches, diese Form rassistischer Gewalt hatte zunächst auch in Berlin nicht das Interesse der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Erst dem Anschlag auf die historische Ahmadiyya-Moschee in Wilmersdorf in der vergangenen Woche kam größere Aufmerksamkeit in den Medien zu. Der Anschlag selbst verlief glimpflich. Nachdem nachts ein Passant das Feuer am Eingangsbereich entdeckt hatte, konnte die herbeigerufene Polizei es löschen. Größere Schäden wurden verhindert, so wie es vorher auch bei den sechs polizeilich bekannten Brandstiftungen an islamischen Einrichtungen der Fall war, darunter an einem Kulturzentrum in Tempelhof und zwei Moscheen in Neukölln. Der Polizei zufolge, die sich während der laufenden Ermittlungen äußerst bedeckt hält, wurde in Wilmersdorf eine kryptische Botschaft in Form einer »wild zusammengeklebten Collage von Zeitungsartikeln« zurückgelassen. Deshalb schließen die Ermittler eine Verbindung zu den vorangegangen Angriffen aus, bei denen jeweils eine bestimmte Zahl zurückgelassen wurde, anscheinend um die Taten in einen Zusammenhang zu stellen. In beiden Fällen geht die Polizei von Einzeltätern aus.

Auch die Ahmadiyya-Gemeinde in Wilmersdorf hält diese Annahme für wahrscheinlich, wie ihr Imam Muhammad Ali der Jungle World bestätigte. Er möchte zudem keine allzu große Aufregung wegen des Brandanschlags verbreiten. Bei der Sehitlik-Gemeinde in Neukölln, die im vergangenen Jahr vier Mal zum Ziel von Brandanschlägen wurde, ist man weniger gelassen. »Man tut gerade so, als ob da irgendwelche Trittbrettfahrer so nebenbei eine Moschee anzünden«, sagt der Vorstandsvorsitzende Yavuz Akgül. »Ich vermute ein geplantes Vorgehen und vermisse die klaren Verurteilungen.« Kritik äußert Akgül auch an Innensenator Erhart Körting (SPD), dessen Stellungnahmen zuletzt mehrfach »unglücklich« geraten seien. So habe der Innensenator gesagt, dass die Ahmadiyya-Moschee, deren Gemeinde als besonders friedvoll gelte, der letzte Ort sei, wo er eine solche Tat erwartet habe. Das impliziere, dass andere Gemeinden weniger friedvoll und Angriffe zu einem gewissen Grad nachvollziehbarer seien, kritisiert Akgül.
Unterschiedlicher Meinung sind die beiden Gemeinden auch in der politischen Beurteilung der Vorfälle. Der Einschätzung Körtings, dass ein generelles Klima von Gewalt gegen Muslime nicht zu befürchten sei, kann Akgül nicht zustimmen: »Politiker wie Sarrazin tragen nicht gerade dazu bei, dass solche Brandstiftungen unterbleiben. Vermutlich wird das auf die leichte Schulter genommen, weil bisher keine Menschen Opfer wurden.«
Dagegen ist Imam Ali auch in diesem Punkt bemüht, Aufregung zu vermeiden, und möchte keinen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der zunehmend hysterisch geführten Debatte über Muslime in Deutschland herstellen. »Auch wenn es einen solchen Zusammenhang gibt, ist das für mich irrelevant«, sagt Ali. »Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, in der sich jeder äußern kann. Wenn die Diskussion eine Diskussion bleibt, habe ich damit kein Problem.« Auch Akgül gibt an, dass man die Aufregung in der Gemeinde so niedrig wie möglich halten wolle. »Es macht keinen Sinn, die Leute weiter aufzuputschen und Hetzjagden zu veranstalten«, sagt er.

Verschiedene islamische Verbände rufen dazu auf, die Debatte über den Islam in Deutschland zu entschärfen. »Wer sich öffentlich äußert, muss sich der Wirkung seiner Worte und seiner Verantwortung bewusst sein«, sagt etwa Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime. Das linke Bündnis »Rechtspopulismus stoppen!« vertritt die Auffassung, dass mit den Angriffen »die rassistisch aufgeladene ›Debatte‹ über eine vermeintliche ›Islamisierung‹ Deutschlands direkt auf den Straßen Berlins landet«. Die Bedeutung der Rechtspopulisten, die das Bündnis als »geistige Brandstifter« solcher Anschläge ausmacht, ist jedoch schwerer einzuschätzen als die ihrer Gesinnungsgenossen im europäischen Ausland. Deutsche Rechtspopulisten zeichnen sich bisher vor allem durch ihre organisatorische Erfolglosigkeit aus. Die Veranstaltungen der Pro-Bewegung waren zuletzt sehr schlecht besucht, die Partei von René Stadtkewitz, »Die Freiheit«, scheiterte kürzlich sogar daran, einen Parteitag abzuhalten. Thilo Sarrazin kann sich zwar nicht über mangelnden Absatz seines Buches beschweren, das von Rechtspopulisten durchaus zustimmend aufgenommen wurde. Er selbst gilt aber weiterhin als Vertreter der »politischen Mitte«.
Die Rechtspopulisten haben ihre eigene Theorie zu den Brandanschlägen. »Die Brandstifter hinterließen jeweils an der Fassade oder einer Türe einen großen schwarzen Fleck, der sich für die Presse gut fotografieren ließ. Wie auf Bestellung schlachtete die politische Linke die Brandanschläge aus und stellte sie als ›Folge der Hetzkampagne von Sarrazin‹ dar. Da muss die Frage erlaubt sein: ›Wem nützt es?‹« schrieb Pro Berlin in einer Pressemitteilung. Die Vereinigung hat ein »Kopfgeld« von 4 000 Euro für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung der Brandstifter führen. Als Indiz für eine von Linken verübte Serie fingierter Anschläge betrachtet der Landesschatzmeister Oliver Ackermann unter anderem, dass die Taten allesamt »dilettantisch ausgeführt« worden seien. Vielleicht weiß man bei Pro Berlin ja, wie es besser geht.