Gorch Fock– wozu das Gejammer?

Weggetreten!

Die Zustände auf der Gorch Fock werden zurzeit beklagt. Dabei sind sie nicht die Ausnahme, sondern die Regel auf einem Militärschiff.

»Soldaten sind Mörder« – viele Angehörige der Bundeswehr haben sich gegen das Tucholsky-Zitat gewehrt, denn als Mörder wollten sie sich nicht pauschal bezeichnen lassen. Wie sich allmählich herausstellt, hatten sie damit Recht. Denn zum Mord gehört der Vorsatz, also eine geplante, zielgerichtete Handlung. Wenn man sich anschaut, was bei der Bundeswehr derzeit los ist, kann man bezweifeln, dass manche ihrer Vereinsmitglieder zu einer solchen überhaupt in der Lage sind.
In Afghanistan beispielsweise kommen die Bundeswehr-Soldaten den Taliban zuvor und erschießen ihre Kameraden versehentlich selbst. Da Berichte aus erster Hand über derartige Räuber-und-Gendarm-Spiele nicht zum Helden-Image der bewaffneten Friedensstifter passen, hat jemand zur Sicherheit die Feldpost kontrolliert. Aufgeflogen ist diese Form der Öffentlichkeitsarbeit, weil die Schnüffler vergessen haben, die Briefe zurück in die Umschläge zu stecken. Wenn die Bundeswehr nicht einmal das hinkriegt – wer glaubt dann, die Todesfälle in Afghanistan gingen auf eine mangelhafte, veral­tete Ausrüstung zurück, wie Militärkreise gern verlautbaren? Wie soll jemand, der nicht einmal weiß, wozu ein Briefumschlag dient, mit hochmodernem technischem Gerät umgehen? Das ist ja womöglich elektrisch oder hat scharfe Kanten.
Vielleicht im Wissen um die Qualifikation ihrer Kämpfer setzt die Marine nach wie vor ein Segelschiff für die Ausbildung ein. Warum sind nun alle so empört über die Vorgänge auf der Gorch Fock? An Bord des Dreimasters herrschen ein wenig freundliches Betriebsklima, schlechte Umgangsformen, eine laxe Vorstellung von Arbeitssicherheit, mangelnder Respekt vor Untergebenen und ein von irgendwelchem Gender-Mainstreaming und Anti-Diskriminierungsschnickschnack unberührtes Verhältnis von Mann und Frau – Zustände, wie man sie auf einem Militärschiff nicht anders erwartet.
Der Führungsclique auf dem Boot wird außerdem vorgeworfen, kurz nach dem tödlichen Absturz einer Soldatin aus der Takelage gleich zur Tagesordnung zurückgekehrt zu sein – als gehöre Mitgefühl zu den unverzichtbaren Kernkompetenzen von Soldaten. Zudem wird der Schiffsführung zur Last gelegt, sich kurz nach dem Unfall angesichts des Beginns der Karnevalssaison zu einem feucht-fröhlichen Gelage zusammengefunden zu haben. Stattdessen müsste man doch lobend erwähnen: Niemand ist dabei betrunken über Bord gefallen. Sie können’s also doch!
Solange die Öffentlichkeit nichts von dem Treiben mitbekam, war Norbert Schatz, der Kapitän der Gorch Fock, ein vorbildlicher, hochdekorierter Befehlshaber. Da nun zufällig etwas nach außen gedrungen ist, gilt er als pflichtvergessener Tunichtgut. Das beklagen die Generäle. Aber wozu das Gejammer? Schließlich muss der gleiche Sachverhalt nicht immer gleich beurteilt werden. Wenn jemand eine andere Person in einen Hinterhalt lockt und erschießt, wird das gemeinhin als Mord verstanden. Wenn Soldaten dasselbe tun, dann erfüllen sie ihre berufliche Pflicht. Also, Generäle, Schluss mit dem Gejammer! Weggetreten!