Stalinismus, angetrunken

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Samstagmorgen, elf Uhr, Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Allee. Wo sich vor gerade einmal zwei Wochen die alljährliche linke Nekrophilenparade an den Plattenbauten des realexistierenden Sozialismus vorbeischob, hat sich ein kleines Häuflein Aufrechter um die von der SED zur CDU konvertierte »Bürgerrechtlerin« Vera Lengsfeld versammelt, um mit einer »freiheitlichen und demokratischen« Kundgebung dem durch einen Zeitungsbeitrag Gesine Lötzschs vorbereiteten kommunistischen Umsturz einen Riegel vorzuschieben. »Kommunismus? Nein danke!« und »Keine Gewalt gegen Andersdenkende« steht auf den Pappschildern der vielleicht zwei Dutzend Diktaturgegner geschrieben.
Doch wenig später sind von der christlich-demokratischen Folklore nur noch ein paar Fahnen zu sehen; angestiftet von mehreren ­Facebook-Eventeinladungen hat sich nun eine bunte Mischung von Kritikern angesammelt und unter die Kundgebungsteilnehmer gemischt, teilweise »offensichtlich angetrunken«, wie es später aus dem Kreis der Organisatoren heißt. »Demo-Busting« nennt man das wohl, und Alkohol spielt tatsächlich keine geringe Rolle. Etliche der etwa 100 Anwesenden kommen direkt aus dem Club, es wird Bier und Sekt gereicht, die Party der Nacht findet hier ihre Fortsetzung, »Saufen, Schnackseln, Stalinismus« heißt es kurz und bündig. Und so verwundert es auch nicht, dass entgegen der Befürchtung der Linksfraktion der BVV Lichtenberg, hier würden gewalttätige Auseinandersetzungen provoziert, eher Heiterkeit und ein kreativer Wettbewerb um die höhnischste Parole die Stimmung dominieren. »Lieber arbeitslos als Kommunist« oder »Mindestlohn ist Kommunismus« ist auf den mitgebrachten Propagandamaterialien zu lesen, spätestens jetzt ist der CDU die Außenwirkung ihrer Veranstaltung endgültig aus der Hand genommen. Nach knapp einer Stunde ist der Spuk vorbei, der Kommunismus hat gesiegt. Zumindest für diesen Moment, in einer Lichtenberger Plattenbausiedlung.