Winter- oder Sommerpause für die Bundesliga? Eine Umstellung des Spielplans wäre sinnlos.

Hitzefrei!

Eine Umstellung des Fußball-Spielplans auf das Kalenderjahr brächte deutlich mehr Nachteile als Vorzüge. Insbesondere die Amateurvereine – und damit Millionen von Freizeitfußballern – hätten unter ihr zu leiden.

Schon die bloße Vorstellung ist reichlich unwürdig: Finden die Meisterschafts-, Pokalsieg- und Aufstiegsfeiern bald bei Minusgraden statt? Gibt es die dazugehörigen Autokorsos künftig auf schneeglatter Fahrbahn? Gießen die Spieler demnächst Glühwein oder Tee mit Rum statt Sekt oder Weißbier über die Köpfe ihrer Mannschaftskollegen? So käme es wohl, würde der Fußballspielplan auf das Kalenderjahr umgestellt – was nahezu unvermeidlich werden dürfte, sollte die Weltmeisterschaft 2022 tatsächlich im Winter stattfinden, um der sommerlichen Gluthitze im Wüstenstaat Katar zu entgehen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass die Fifa die Ausrichtung dieses Turniers an ein fußballfernes Land vergeben hat, in dem Homosexuelle ausgepeitscht werden, auf Blasphemie mehrjährige Haftstrafen stehen und politische Parteien nicht zugelassen sind.

Dennoch haben sich 53 Prozent der am Fußball interessierten Deutschen kürzlich in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für eine solche Umstellung des Terminkalenders ausgesprochen, nach der die Saison künftig im März beginnen und im November enden soll. Auch aus der Bundesliga gibt es Unterstützung für diesen Vorschlag; zu den Befürwortern gehören beispielsweise Wolfsburgs Manager Dieter Hoeneß und Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler. Zu diesen beiden Granden des deutschen Fußballs muss allerdings gesagt werden, dass sie Vereinen dienen, die am Saisonende für gewöhnlich nichts zu feiern haben, weshalb es ihnen letztlich gleichgültig sein wird, ob die Fans des Deutschen Meisters beim Partymachen nun schwitzen oder frieren.
Im Ernst: Eine Umstellung des Spielplans hätte erheblich mehr Nachteile als Vorzüge. Allen voran die Amateurclubs und die Jugendmannschaften hätten unter ihr zu leiden. Denn auch deren Saison müsste entsprechend angepasst werden, und das würde zwangsläufig bedeuten, dass zahllose Spieler ihren Vereinen im Sommer urlaubsbedingt wochenlang nicht zur Verfügung stünden. Darüber hinaus gäbe es ausgerechnet zum Ende einer Spielzeit wegen des schlechten Wetters vermehrt Spielausfälle, was zu einer regelrechten Wettbewerbsverzerrung führen würde. Nicht zuletzt diese Gründe waren es, derentwegen man in der DDR, wo nach der Spielzeit 1954/55 zwischenzeitlich auf den Jahresrhythmus umgestellt worden war, ab 1961 wieder zum herkömmlichen Modus zurückkehrte. Und in Russland, wo der Meister jahrelang am Jahresende gekürt wurde, ist erst vor kurzem beschlossen worden, sich dem in den westeuropäischen Ligen üblichen Rahmenterminplan anzupassen.

Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe offener Fragen: Würde es im Sommer nicht zu einem Zuschauerschwund bei den Bundesligaspielen kommen, weil ein erheblicher Teil des Publikums im Urlaub weilt? Sollen die Europameisterschaften künftig etwa ebenfalls im kalten Winter ausgetragen werden? Oder unterbräche man für sie alternativ den Ligaspielbetrieb? Was geschähe mit dem Afrika- und dem Asien-Cup? Was wäre mit den südeuropäischen Ländern, die wegen der großen Hitze nicht im Hochsommer spielen wollen? Und was sollten Fans in der dann gleich vier Monate dauernden Winterpause tun? Gerade der Fußball sorgt in dieser tristen Jahreszeit doch zumindest für ein wenig Licht und Wärme.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Für die Idee, die Saison vom Frühjahr bis zum Herbst laufen zu lassen und im Sommer durchzuspielen, spricht ungefähr so viel wie dafür, eine WM in Katar auszurichten – nämlich wenig bis gar nichts. Eine Meisterschaftsrunde beginnt im Spätsommer, wird im Winter kurz unterbrochen und endet im Frühling – an diesen fußballerischen Rhythmus sind Spieler wie Fans seit Menschengedenken gewöhnt, und dabei sollte es auch bleiben. Gewisse Traditionen haben durchaus ihren Sinn, in rationaler wie in emotionaler Hinsicht. Man vergrößert ja auch nicht die Tore oder verringert die Anzahl der Spieler. Angesichts der drohenden Spielplan-Revolution lohnt es sich deshalb ausnahmsweise, ein Konterrevolutionär zu sein.