Fukushima und die internationale Atom-Lobby

Alles eine Frage der Ausstrahlung

Die Katastrophe in Fukushima stellt die Lobbyorganisationen der Energiekonzerne vor große Probleme. Doch die hochgerüsteten PR-Profis der internationalen Atomenergie-Verbände dürften selbst diese Probleme noch in den Griff bekommen.

Wohl in keiner Branche wurden die Verflechtungen mit der Politik in den vergangenen Jahren so deutlich wie in der Energiewirtschaft. Dass die Energiekonzerne in der Lage sind, direkten Einfluss auf die Politik zu nehmen, zeigte sich zuletzt eindrücklich am großen Erfolg der Kampagne zur Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke, die selbst das Handelsblatt dazu brachte, von einem »Sieg der Atom-Lobby« zu reden.
Im Zuge der Katastrophe in Fukushima schlägt die Branche derzeit eher leise Töne an. Gegen die Entscheidung der Bundesregierung, ihre eigenen Beschlüsse auszusetzen und die sieben ältesten Meiler vom Netz zu nehmen, äußerten die Energiekonzerne öffentlich kaum Widerspruch. Ihr oberster Lobbyist, Ralf Güldner, der Präsident des Deutschen Atomforums, gestand sogar ein, dass auch in Deutschland die Nutzung der Atomkraft sich »in einem Bereich des Restrisikos« befinde. Mit der Überprüfung der deutschen Atomkraftwerke erklärte er sich einverstanden. Ganz untätig aber sind die Propagandisten der Nuklearwirtschaft auch derzeit nicht. Nachdem die Strategie der Lobbyisten, Atomenergie mit den Attributen »Sicherheit« und »Klimaneutralität« zu bewerben, derzeit schlecht verfängt, kündigen die Atomkraftwerksbetreiber nun höhere Strompreise an. Auch wenn Deutschland mehr Energie produziert als verbraucht, hat sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ihre Drohung bereits zu eigen gemacht.

In Bedrängnis sehen sich auch die beiden großen Organisationen der internationalen Atom-Lobby. Vor allem die mit den Vereinten Nationen verbundene Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), ein Zusammenschluss, in dem 150 Staaten sich zur Förderung der »friedlichen und sicheren« Nutzung der Atomkraft zusammengetan haben, steht schlecht da. Nach einem vom Daily Telegraph unter Verweis auf Wikileaks veröffentlichten Bericht eines anonymen IAEA-Experten soll diese bereits 2008 bei der Untersuchung des Kraftwerks in Fukushima auf Sicherheitsmängel hingewiesen haben, was kurzzeitig zum Verbot des Weiterbetriebes des Kraftwerks durch ein japanisches Gericht geführt hatte. Als die japanische Regierung dieses Urteil 2009 aufhob, ohne dass die Sicherheitsmängel in relevantem Maße beseitigt worden seien, habe die IAEA nicht reagiert.

Hinzu kommt, dass sich die seit 2009 von dem Japaner Yukiya Amano geführte Organisation nach der Katastrophe zunächst lange in Schweigen hüllte. Kurz vor der ersten Explosion des Reaktor 1 diktierte Amano dann den Journalisten, dass die japanischen Behörden und die Betreibergesellschaft Tepco alles unter Kontrolle hätten und von einer akuten Gefährdung der Bevölkerung nicht auszugehen sei. Diese Reaktion erinnert fatal an das Verhalten der Behörde nach dem Super-Gau in Tschernobyl, als das von der IAEA gebildete International Chernobyl Project schnell Entwarnung gab und der sowjetischen Regierung empfahl, weiterhin auf die »Zukunftstechnologie Kernkraft« zu setzen.
Offensiver handelt derzeit die zweite große internationale Lobbyorganisation, die World Nuclear Association (WNA). In ihr haben sich fast alle mit Atomkraft arbeitenden Energie­unternehmen der Welt sowie deren wichtigste Lobbyverbände zusammengeschlossen. Auch beteiligte Banken wie etwa die Deutsche Bank, die mit insgesamt acht Milliarden Euro an den Energieunternehmen beteiligt ist, und staatliche Kommissionen, die mit Atomenergie befasst sind, sind Mitglieder dieser Organisation – von der Atomic Energy Organization of Iran bis zur Israel Atomic Energy Commission. Ian Hore-Lacy, Direktor der WNA, hatte nach den Explosionen im Atomkraftwerk Fukushima beschwichtigt: »Der Wasserstoff entzündet sich und dann ist er weg und stellt keine weitere Gefahr dar.« Für den Wasserstoff mag das gelten, kaum aber für die freigesetzte Radioaktivität. Auch im weiteren Verlauf der Katastrophe, deren Ausgang noch nicht abzusehen ist, wollte er keine Probleme erkennen, »die nicht in den Griff zu bekommen wären«. Beschränkt man seine Aussage auf die Dimension der public relations, könnte Hore-Lacy Recht behalten: Für die hochbezahlten Lobby-Profis der Atomwirtschaft dürfte ein PR-Problem wie die Katastrophe von Fukushima durchaus handhabbar sein.