Wie stabil ist der Dollar?

Der Dollar wird exorziert

Von Ralf Hess

Nachdem ein führendes Investmentunternehmen angekündigt hat, keine US-Staatsanleihen mehr zu kaufen, wachsen die Zweifel an der Stabilität des Dollars. Die Anleger fürchten, dass nur eine Inflation den USA aus der Schuldenkrise helfen kann.

Mit der Pacific Investment Management Company (Pimco) ist hierzulande nur ein kleiner Kreis von eingeweihten und gut informierten Anlegern vertraut. Unter ihnen genießt das Unternehmen jedoch regelrechten Kultstatus. Die Entscheidungen, die in der Pimco-Zentrale nahe Los Angeles getroffen werden, gelten als wegweisend, und in aller Regel folgt ein bedeutender Teil der Finanzbranche Pimcos Anlagestrategie.
Nun hat Pimco die Finanzmärkte erneut in Aufregung versetzt. Das Unternehmen trennt sich von allen US-Staatsanleihen. Auch sämtliche Derivate, die in irgendeiner Form auf dem Dollar aufbauen, werden aus dem Portfolio entfernt. Damit hat der größte private Käufer von US-Staatsanleihen der Politik der amerikanischen Notenbank (Fed) das Vertrauen entzogen.
Bill Gross, der Gründer von Pimco, gilt in der Finanzbranche als Guru, sein »Investment Outlook« hat für viele Anleger ähnliche Bedeutung wie eine Papstbulle für strenggläubige Katholiken. Für die große Aufmerksamkeit, die Gross zuteil wird, gibt es gute Gründe. Er gilt als der erfolgreichste Anlageinvestor der Welt. Seit der Gründung Pimcos ist das dort verwaltete Kapital auf derzeit 1 240 Milliarden Dollar angewachsen, das Unternehmen erwirtschaftet eine Rendite von durchschnittlich acht Prozent. Obwohl Pimco seit 1999 eine Tochtergesellschaft der deutschen Allianz SE, des größten Versicherungskonzerns der Welt, ist, führt Gross die Geschäfte nahezu unabhängig.
Die Begründung für den Ausstieg aus dem Geschäft mit US-Staatsanleihen lieferte er in seinem Februar-Report. Dort gewährt er interessierten Anlegern einen Einblick in seine Investmententscheidung. Unter dem Titel »Der Pakt mit dem Teufel« warf er der Fed vor, sie würde »Geld aus Geld« machen. Auf lange Sichte werde der Anleger dabei betrogen. »Ich habe mal in einem ökonomischen Lehrbuch die Definition von ›Geld‹ nachgelesen. Darin stand: Tauschmittel und Wertaufbewahrungsfunktion. Letztere hat es aber wohl in den vergangenen Jahren eingebüßt.«

Sein Rat an alle Investoren sei, ihre Portfolios nun einem »Exorzismus« zu unterwerfen. Denn die Art und Weise, in der die Fed derzeit das amerikanische Geldsystem steuere, sei »keineswegs Gottes Werk«. Die Anleihenbesitzer seien einen Pakt mit dem Teufel eingegangen. Doch die Exorzisten würden bereits lebendig. Gross fordert: »Anleihenbesitzer und Bürger Amerikas, vereinigt euch!«
Die religiösen Metaphern, mit denen Gross seine Entscheidung begründet, sich von US-Staatsanleihen zu trennen, sind dabei zu vernachlässigen. Gross ist nicht bekannt als christlich-fundamentalistischer Gläubiger. Vielmehr ist er einer der wichtigsten Gläubiger der Vereinigten Staaten, und er glaubt, dass eine Inflation und eine Entwertung oder gar Vernichtung des von ihm verwalteten Kapitals droht.
Die Angst vor einer solchen Entwicklung ist nicht ganz unbegründet. Denn in den vergangenen Monaten hat die Fed damit begonnen, immer mehr auf die Notenpresse zurückzugreifen und die Regierung Präsident Barack Obamas auf diese Weise zu unterstützen. Bereits im September vergangenen Jahres hatte die Fed für 300 Milliarden Dollar Staatsanleihen aus den USA gekauft. Nachdem diese Maßnahme nicht die erhoffte Wirkung auf das Wirtschaftswachstum gezeigt hatte, ist die Fed nun dazu übergegangen, ein weiteres Programm zum Aufkauf von US-Staatsanleihen aufzulegen. Im Sommer wird nun auch dieses Programm auslaufen, dann wird die Fed zusätzliche 900 Milliarden Dollar in ihren Büchern stehen haben. Bereits jetzt gilt die amerikanische Notenbank damit als einer der größten Gläubiger der Vereinigten Staaten.
Das Misstrauen an den Kapitalmärkten gegenüber dem US-Dollar wird dadurch immer größer. Kürzlich tauchte beispielsweise die Information in der Presse auf, dass die Fed jetzt mehr US-Staatsanleihen besäße als die Volksrepublik China, die bislang als der größte Geldgeber der USA galt. Damit jedoch wäre das Desaster der amerikanischen Schuldenpolitik unübersehbar geworden, selbst der letzte Anhänger des Dollars müsste eingestehen, dass die angehäuften Schulden ohne eine deutlich ansteigende Inflation nicht mehr zurückgezahlt werden können. Kurz darauf tauchte jedoch eine neue Meldung auf, in der klar gestellt wurde, dass bei der Berechnung der Schulden ein Fehler gemacht worden sei. Es seien schlicht ein paar Milliarden Dollar vergessen worden, damit rückte die Fed wieder auf den zweiten Platz in der Rangliste der Geldgeber der USA und die Märkte waren erst einmal beruhigt.

Doch auch wenn die Fed China noch nicht als Geldgeber der USA übertrifft, gilt der Aufkauf von Staatsanleihen als unvereinbar mit einer auf Wertstabilität abzielenden Geldpolitik. Denn Notenbanken und Geschäftsbanken haben unterschiedliche Funktionen. Die Aufgabe einer Notenbank liegt nicht in der Suche nach gewinnbringenden Investitionsmöglichkeiten, sondern vielmehr in der Kontrolle der Geldmenge. Die Notenbank ist die einzige Bank, die Geldscheine drucken und in Umlauf bringen oder, wie heute üblich, elektronisch die Geldmenge erhöhen darf. In regelmäßigen Abständen haben alle Geschäftsbanken damit die Möglichkeit, sich bei der eigenen Notenbank gegen einen Zins mit Geld zu versorgen. Der dabei erhobene Zins ist der sogenannte Leitzins. Auf diese Weise sorgt die Notenbank dafür, dass immer genügend Geld im Wirtschaftskreislauf vorhanden ist.
Stellt die Notenbank fest, dass sich zu viel Geld im Umlauf befindet und damit die Gefahr einer Inflation wächst, geht sie dazu über, den Leitzins zu erhöhen. Dadurch steigt der Preis für neues Geld, die Geschäftsbanken leihen sich dann weniger. Beginnt eine Notenbank jedoch damit, Schuldscheine eines Staats zu kaufen, flutet sie damit automatisch dessen Geldkreislauf. Die Folge ist in aller Regel eine stark steigende Inflation.
Die Angst vor einer solchen Inflation und die Angst davor, das eigene Kapital zu verlieren, wird derzeit in den USA immer größer. So hat beispielsweise der Bundesstaat Utah Anfang März ein Gesetz erlassen, das erstmals seit 80 Jahren Gold- und Silbermünzen wieder als gesetzliches Zahlungsmittel erlaubt. Pikant daran ist, dass dabei nicht der sogenannte Nominalwert gilt, der von der betreffenden Ausgabeanstalt aufgeprägt wird. Vielmehr gilt der Materialwert. Damit ist es wie in den guten alten Zeiten des Goldrausches jedem Bürger Utahs möglich, mit einer immer harten Währung zu bezahlen. Als Nebeneffekt wird auf diese Weise eine zweite Währung neben dem Dollar eingeführt. Larry Hilton, ein Anhänger der Tea-Party-Bewegung und Abgeordneter im Parlament von Utah, sagte: »Es gibt genug Unruhe in der Wirtschaft. Ein Plan B, eine Art Backup-System, ist keine schlechte Idee.« In zwölf weiteren Bundesstaaten wird bereits über ähnliche Gesetze diskutiert.

»Die fiskalische Verfassung der USA ist der von Griechenland sehr ähnlich«, sagte kürzlich Laurence Kotlikoff, Professor für Ökonomie an der Universität Boston. In Wirklichkeit seien die Vereinigten Staaten bankrott. Das Congressional Budget Office habe die fiskalische Lücke zwischen dem gegenwärtigen Wert aller zukünftigen Ausgaben und den künftigen Steuereinnahmen der USA berechnet und komme auf eine Lücke von 202 Billionen Dollar. Um diese fiskalische Lücke zu schließen, müssten die USA ab sofort alle Steuern um 77 Prozent anheben. Ein Vorhaben, das derzeit wohl keine Regierung durchsetzen könnte. Die in den USA im Umlauf befindliche Geldmenge wächst unterdessen immer weiter an. Derzeit beläuft sie sich auf drei Billionen Dollar, 2007 lag sie noch bei 840 Milliarden.
Für viele Beobachter und Investoren ist die Sache damit klar. Mohamed El-Erian, der CEO von Pimco, sagte dem Spiegel: »Wenn es hart auf hart kommt, werden die USA den Inflationsweg nehmen.« Er warnte davor, dass die USA auch »die ganze Welt inflationieren« würden. Auch wenn manche Äußerungen schrill und manche Maßnahmen übertrieben wirken mögen, eine sichere Anlage stellt der Dollar für einen großen Teil der Investoren nicht mehr dar. Vielmehr versuchen immer mehr Investoren, ihr Geld in anderen Währungen anzulegen, dafür Edelmetalle zu kaufen oder es anderweitig aus dem Land zu schaffen.
Die sprichwörtliche »German Angst« vor einer Inflation scheint in den USA angekommen zu sein. Auch wenn bislang noch ein nicht unerheblicher Teil der Finanzbranche dem Wert des Dollars vertraut, wird dessen Rolle als globale Leitwährung in Frage gestellt. Denn die Politik der Fed und der US-Regierung lässt derzeit nur einen Schluss zu. Ganz offensichtlich hat sich dort die Einsicht verbreitet, dass die bislang aufgetürmten Schulden der USA und ihrer Bundesstaaten nicht mehr auf konventionelle Art und Weise zurückgezahlt werden können. Sie können nur durch eine Inflation entwertet werden. China und andere Gläubiger der USA werden über eine solche Entwertung nicht erfreut sein.