Über die NS-Vergangenheit des Tempelhofer Flughafens 

Vor dem Rosinenbomber war der Terror

Auf dem Gelände des Tempelhofer Flughafens erinnert nichts an dessen nationalsozialistische Vergangenheit. Eine Gedenkinitiative möchte das ändern.

Das Frühlingswetter dürfte bald wieder zu einem Besucherandrang auf dem Areal des ehemaligen Tempelhofer Flughafens in Berlin führen. Dessen Geschichte scheint für viele erst 1948 begonnen zu haben. Schließlich ist die Luftbrücke, mit der US-Rosinenbomber das von der Sowjetunion blockierte Westberlin versorgten, untrennbar mit dem Tempelhofer Flughafen verbunden. Doch auch dort gab es natürlich keine Stunde Null.

Das Tempelhofer Areal ist eng mit der Terrorpolitik der Nationalsozialisten verknüpft. Die SS hatte dort im Juni 1933 das erste Konzentrationslager Berlins errichtet. Als »Hölle am Columbiadamm« war es in den ersten Jahren des NS-Regimes zum Inbegriff des nationalsozialistischen Terrors geworden. In der Emigrantenpresse jener Zeit waren häufig Berichte über Folterungen im ersten Berliner SS-Gefängnis im Columbiahaus zu finden. Zu den 10 000 Gefangenen, die dort zwischen 1933 und 1936 interniert waren, gehörten die Kommunisten Werner Seelenbinder, John Scher und Ernst Thälmann, Schriftsteller wie Kurt Hiller und der demokratische Jurist Hans Litten.

Nachdem das KZ dem NS-Flughafen Tempelhof weichen musste, wurden die Gefangenen von Zwangsarbeitern abgelöst, die dort für die Luftrüstung schuften müssten. Sie arbeiteten unter anderem für die Weser Flugbau GmbH und die Lufthansa. Allein die Weser Flugbau beschäftigte 2 000 von ihnen. Sturzkampfbomber und andere Flugzeuge wurden dort von zumeist sowjetischen Zwangsarbeitern gebaut, repariert und gewartet. »Tempelhof war im Nationalsozialismus eines der Zentren der deutschen Luftrüstung. Jeder zehnte deutsche Bomber wurde dort produziert«, sagt Beate Winzer. Sie ist Vorsitzende des »Fördervereins zum Gedenken an Naziverbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld« und beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der nationalsozialistischen Geschichte von Tempelhof.
Das öffentliche Interesse an dieser Vergangenheit ist weiterhin gering. Das zeigte sich auch am 8. Mai vorigen Jahres. Als das Tempelhofer Gelände ausgerechnet am Tag der Niederlage des Nationalsozialismus geöffnet wurde, strömten die Massen zum Volksfest. Unter dem Motto »Tempelhof für alle« rannte ein Teil der linken Szene gegen den Zaun an, der das Areal eingrenzt. Wenig beachtet wurde dagegen die vom Mieterladen Chamissoplatz organisierte Gedenkkundgebung für die Häftlinge und die Zwangsarbeiter der NS-Zeit. Das Denkmal für die Häftlinge des KZ Columbiadamm, das 1993 vom Bezirksamt enthüllt wurde, befindet sich nicht am historischen Ort, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Verlegung des Denkmals gehört zu den Forderungen des Gedenkvereins. Von offizieller Seite gibt es nun erste Signale, die Vergangenheit nicht mehr völlig ignorieren zu wollen. Manfred Kühne von der Stadtentwicklungsverwaltung kündigte kürzlich an, dass auf dem Flughafengelände noch in diesem Jahr ein »historischer Informationspfad« entstehen soll. Einen genauen Termin dafürnannte er nicht.

Einem Gedenkort auf dem Gelände, wie er von Winzer und ihren Mitstreitern gefordert wird, könnte der Plan des Senats entgegenstehen, dort unter dem Stichwort »innovatives Wohnen« Mehrgenerationenhäuser errichten zu lassen.
Wie wenig sich solche Projekte mit der Gedenkpolitik vertragen, zeigt sich am Umgang mit der Stätte des ersten Arbeitshauses in Berlin-Rummelsburg, das unter den Nazis zur Verwahranstalt für als »asozial« stigmatisierte Menschen wurde. Obwohl die Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg eine Präsentation von Informationstafeln beschlossen hat, sind diese bisher nicht angebracht worden. Dafür wirbt das Hotel »Das andere Haus 8« als Geheimtipp für »Kenner und Liebhaber Berlins« im ehemaligen Arbeitshaus um Gäste. »Individuell eingerichtete, ehemalige Zellen, teilweise mit Wasserblick« werden für 40 Euro pro Nacht angeboten. Da in Tempelhof keine Spur mehr von den ehemaligen Zwangsarbeiterlagern zu finden ist, dürfte eine solche Form des historischen Reisens dort zumindest nicht in Frage kommen.