Lobgesang auf Lobsang

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Einfach nur noch meditieren, Yakbutterbrote essen, Kreuzworträtsel lösen und ab und zu die Freunde in aller Welt besuchen und spirituell erleuchten. Das waren wohl die Pläne Tendzin Gyatshos, des 76jährigen Dalai Lama, als er sich in diesem Frühjahr dazu entschloss, seine weltliche Macht komplett abzugeben. Ohne Staat, ohne Heer, ohne internationale Anerkennung und auch noch von der Sorge geplagt, es könne Nachwuchsprobleme geben, weil das traditionelle Reinkarnationsgebiet von den Chinesen beherrscht wird, war es wohl sehr ermüdend zu regieren. Zumal dies vornehmlich bedeutete, trotz chinesischer Proteste Besuchstermine bei prominenten Politikern zu ergattern. Um 9.09 Uhr und 9 Sekunden wurde daher am Montag im Tsuglagkhang-Tempel im nordindischen Dharamsala der 43jährige Sangay Lobsang als Premierminister der tibetischen Exilregierung offiziell ins Amt eingeführt. Er war von den weltweit 83 399 stimmberechtigten Exiltibetern gewählt worden. Anders als sein Vorgänger, Lobsang Tenzin alias Samdhong Rinpoche, soll er die gesamte welt­liche Macht auf sich vereinen. Der Dalai Lama bleibt nur spirituelles Oberhaupt der tibetischen Buddhisten.
Lobsang hat Tibet noch nie gesehen, sagt aber, er sei stolz darauf, Tibeter zu sein. Er möchte dafür sorgen, dass der Dalai Lama in Tibets Hauptstadt Lhasa zurückkehren kann, aus der er 1959 vor der chinesischen Volksbefreiungsarmee ins indische Exil geflohen war. Viel Zeit wird dem neuen Premierminister wohl nicht bleiben. Sangays Eltern waren damals ebenso nach Nordindien geflohen, sie mussten eine Kuh verkaufen, damit ihr Sohn weiter zur Schule gehen konnte. Die Investition hat sich gelohnt, 2004 machte der seinen Doktor an der renommierten Harvard Law School in Cambridge. Wie das Magazin Forbes mitteilt, wird er seine akademische Karriere nun für ein monatliches Gehalt von 367,65 US Dollar aufgeben und mit seiner Familie von Boston nach Dharamsala ziehen. Seltsam erscheint dies nur Ungläubigen mit eigenem Staat. Lobsang war bereits 1992 das jüngste Vorstandsmitglied des Tibetischen Jugendkongresses, einer Organisation, die von China als terroristisch eingestuft und schon mal mit al-Qaida verglichen wird. Tatsächlich ist sie eine der radikaleren exiltibetischen Gruppierungen, da sie sich für eine Unabhängigkeit Tibets einsetzt. Nun aber sagt Sangay, er wolle den »mittleren Weg« des Dalai Lama, der nur Autonomie für Tibet fordert, unterstützen.