Das Ende von Legida ist nicht das Ende der völkischen Bewegung in Leipzig

Zu schlapp fürs Spazierengehen

Die »Leipziger gegen die Islamisierung des Abendlandes« wollen nicht mehr demonstrieren. Die Bilanz nach zwei Jahren politischer Betätigung fällt für Legida ernüchternd aus. Ruhe kehrt in Leipzig dennoch nicht ein.

Am Ende war für Legida in Leipzig nichts mehr zu holen. Knapp zwei Jahre nach dem ersten »Spaziergang« am 12. Januar 2015 beendete der Pegida-Ableger in der vergangenen Woche seine politische Tätigkeit auf der Straße. Wie bereits zum Auftakt versammelten sich die Teilnehmer auf einem Parkplatz vor dem Stadion des Fußballbundesligisten RB Leipzig. Doch von den einst 3 000 »Patrioten«, die 2015 für ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer gesorgt hatten, war nur noch ein Zehntel übrig.
Das Ende hatte sich angedeutet. Drei Tage vor der Demonstration schrieb ein Bündnis um den ehemaligen NPD-Stadtrat Enrico Böhm auf seiner Facebook-Seite, dass »dies absehbar die letzte große Demonstration« sein werde. Dass Legida den zweiten Jahrestag dazu nutzte, sich vollständig zu verabschieden, kam jedoch überraschend.
Der Anwalt Arndt Hohnstädter, der neben Legida regelmäßig auch rechtsextreme Mandanten vor Gericht vertritt und bis März 2016 dem Vereinsvorstand angehörte, verkündete die Botschaft vor sichtlich enttäuschten Zuhörern. In vielen Punkten sei man gescheitert, so Hohnstädter. Man habe es nicht geschafft, bundesweit mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße zu bringen oder sich in Sachsen ausreichend zu organisieren. Zudem seien statt der erhofften 40 000 lediglich 20 000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen den Rundfunkbeitrag zusammengekommen. Den Polizisten und ihren Familien könne man nicht mehr zumuten, die Demonstrationen im Wochen- oder Monatsrhythmus fortzusetzen, sagte der Anwalt.
Dabei war der Auftakt vor zwei Jahren durchaus aufsehenerregend verlaufen. Nach den 3 000 Teilnehmern der Premiere versammelten sich eine Woche später bis zu 5 000 Personen, diesmal auf dem zentralen Augustusplatz. Fast ebenso viele Polizisten waren an jenem Tag in der Stadt bei einem der größten Polizeieinsätze in Ostdeutschland seit dem Ende der DDR. Gleichwohl konnten oder wollten die Beamten nicht verhindern, dass mehrere Dutzend Nazis anwesende Journalisten angriffen. Selbst überregionale Medien wie Spiegel Online interessierten sich für den Aufmarsch.
Auf der Bühne verbreitete derweil die neurechte Prominenz ihre Thesen vom bedrohten Abendland. Neben dem Chefredakteur von Compact, Jürgen Elsässer, trat der Publizist Götz Kubitschek vom »Institut für Staatsforschung« auf. Doch schon ab der vierten Demonstration sanken die Teilnehmerzahlen in den dreistelligen Bereich. Vielen Interessierten war Legida offenbar zu extrem. Im Gegensatz zu Pegida in Dresden prägten nicht bürgerliche Rassisten, sondern Neonazis und Hooligans das Erscheinungsbild. Darüber freuten sich zwar Szenegrößen wie der Thügida-Mitorganisator Robert Köcher, der im Januar 2015 an Ort und Stelle war, zwei Antifaschisten eine Fahne entriss und dafür Anfang dieses Jahres am Landgericht Leipzig zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Doch der durchschnittliche »besorgte Bürger« blieb fortan lieber daheim.
Das erste Positionspapier hatte die politische Ausrichtung bereits angedeutet. Darin war von einer »Beendigung des Kriegsschuldkultes«, Einschränkungen der Religionsfreiheit zu Lasten aller Nichtchristen und vom möglichen Entzug der Staatsbürgerschaft für jene die Rede, die sie »nicht durch Abstammung« erhalten hätten. Vor zwei Jahren waren die Forderungen vielleicht zu unverblümt rechtsextrem, mittlerweile sind etliche im politischen Mainstream angekommen. Doch während die Themen von Legida und anderen völkischen Gruppen in den vergangenen Jahren auch außerhalb des Milieus aufgegriffen wurden, blieb den »Leipzigern gegen die Islamisierung des Abendlandes«, so die ursprüngliche Selbstbezeichnung, ein relevanter Erfolg in ihrer eigenen Stadt verwehrt.
Neben der offensichtlichen Herkunft der Protagonisten aus der extremen Rechten war auch die inhaltliche Beliebigkeit der Demonstration ausschlaggebend für den Misserfolg. Bei mehrfachen Wechseln in der Führung verlagerten sich jeweils auch die thematischen Schwerpunkte. Wurde am Anfang vor allem gegen Flüchtlinge und Muslime gehetzt, nahmen später Antiamerikanismus, Verschwörungstheorien und Querfrontbestrebungen einen größeren Raum ein. Mit Markus Johnke hatte vorübergehend eine der Führungsfiguren der örtlichen »Montagsmahnwachen« großen Einfluss. Als er sich Anfang 2016 wieder von Legida verabschiedete, war überhaupt kein inhaltliches Konzept mehr zu erkennen.

Neben der offensichtlichen Herkunft der Protagonisten aus der extremen Rechten war auch die inhaltliche Beliebigkeit ausschlaggebend für den Misserfolg von Legida.

Entscheidend für den raschen Rückzug zahlreicher Teilnehmer dürften aber nicht nur die organisatorischen Fehler gewesen sein. Der Protest der Zivilgesellschaft und linksradikaler Gruppen hat ebenfalls Wirkung gezeigt. Während in Dresden allenfalls kostenlose und staatlich verordnete Antirassismuskonzerte das Bürgertum auf die Straße locken konnten, brachten in Leipzig ganz unterschiedliche Gruppen – darunter Kirchen, Studenten, Antifaschisten und ein Blockadebündnis – mehr als 30 000 Menschen auf die Straße. Insbesondere in den ersten Monaten gerieten An- und Abreise für Legida-Teilnehmer zu einem Spießrutenlauf, den viele nicht unbeschadet überstanden.
Doch auch jene, die Legida mit Sitzblockaden aufhalten wollten, wurden mit Gewalt und Repression überzogen. Von Anfang an zeigte die Polizei große Präsenz und ließ keinen Zweifel daran, dass der Schutz der Legida-Demonstrationen ihr oberstes Ziel war. Nach einigen Monaten blieb ein großer Teil der zu Blockaden und radikaleren Protestformen bereiten Leipziger dem Demonstrationsgeschehen deshalb fern.
Das Verhältnis radikaler Linker zum Blockadebündnis »Leipzig nimmt Platz« verschlechterte sich zudem, weil dieses sich nach Steinwürfen auf eine Demonstration eines Legida-Ablegers von einem solchen Vorgehen distanziert hatte. Seit April 2016 demonstrierte neben »Leipzig nimmt Platz« die antifaschistische Kampagne »A Monday with­out you«. Ihr ging es weniger um die direkte Konfrontation mit Legida, sondern vielmehr darum, rechtsextreme Personen und Organisationen in der Stadt sichtbar zu machen: Anwälte, Bekleidungsmarken, Sicherheitsfirmen, Kampfsportler. Immerhin kam es am Montag voriger Woche zu einem halbwegs versöhnlichen Abschluss: Nach dem Ende der Demonstration von »A Monday without you« schlossen sich deren Teilnehmer mehrheitlich »Leipzig nimmt Platz« an, um gemeinsam zur Kundgebung von Legida zu ziehen.
Die Bündnispolitik und die Gewaltfrage dürften auch nach dem Ende von Legida weiterhin zur Debatte stehen. Für den 18. März plant die neonazistische Kleinpartei »Die Rechte« eine Kundgebung im Leipziger Süden – genau dort, wo es am 12. Dezember 2015 wegen eines Naziaufmarsches zu heftigen Ausschreitungen zwischen Linksradikalen und der Polizei gekommen war.