Vorstellung der republikanischen Präsidentschaftskandidaten

Tee trinken genügt nicht

Die Republikaner sind sich darüber einig, dass Barack Obama auf keinen Fall weiterregieren darf. Doch über die Frage, wer im November 2012 gegen ihn antreten soll, wird heftig gestritten. William Hiscott stellt die Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur vor.

Die Republikaner werden auch als »Grand Old Party« bezeichnet, seit 1860 schicken sie einen Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus. Der Auserkorene hat gute Chancen, 23 Mal gewann ein Republikaner und lediglich 14 Mal ein Demokrat die Präsidentschaftswahl. Doch wer hat die besten Chancen gegen Barack Obama? In dieser Frage sind sich die diversen republikanischen Fraktionen nicht einig. Die Ansprüche sind unterschiedlich, denn einserseits sind die Republikaner traditionell wirtschafts-, d. h. unternehmerfreundlich. Andererseits hat sich mit der Tea-Party-Bewegung eine einflussreiche Fraktion gebildet, die sich zumindest rhetorisch gegen das Establishment wendet.
Der amtierende Präsident hat keine Gegenkandidaten bei den Vorwahlen, seine Nominierung für die Demokraten gilt als sicher. Nicht dass Obama in seiner eigenen Partei besonders beliebt wäre. Insbesondere linke Demokraten sind von seiner bislang ausgesprochen konzilianten Politik enttäuscht. Vor allem wegen der schlechten Wirt­schaftslage fallen die Umfragen derzeit nicht gut für Obama aus, auch die Wechselwähler wollen ihm mehrheitlich keine zweite Amtszeit gönnen. Die Aussichten des Gewinners – oder der Gewinnerin – der republikanischen Vorwahlen sind also besser als bei den letzten Wahlen.

Doch zunächst darf der Präsident zusehen, wie die republikanischen Kandidaten sich gegenseitig zerfleischen. Die Anhänger der Tea-Party-Bewegung, die etwa ein Drittel der republikanischen Wählerschaft ausmachen, erwarten kämpferische Reden, deshalb wird auch die innerparteiliche Auseinandersetzung polemisch und rabiat geführt. Wer eine moderate Ansicht äußert, muss damit rechnen, dass er von den Mitbewerbern als Schwächling und heimlicher Liberaler gebrandmarkt wird. Denn um die Gunst der Tea-Party-Bewegung zu gewinnen, muss der Kandidat vor allem eines: hassen, sei es Obama, die föderale Regierung, den Sozialstaat, die Steuersätze, illegale Einwanderer oder sogar das Recht auf Notbehandlung unversicherter Menschen in Krankenhäusern. Optimal für die Tea-Party-Bewegung wäre ein Anarchokapitalist mit Hasskappe.
Fromm muss der Kandidat allerdings auch sein, für ein weiteres Drittel der republikanischen Wählerschaft ist der religiöse Eifer besonders wichtig. Dieser Eifer muss dem richtigen Gott gelten. Wenn ein Bewerber einen Gott anbetet, der keinen Sohn hat, kann er die Kandidatur vergessen. Problematisch ist es aber auch, wenn das Oberhaupt der Religion im Ausland, etwa in einem Zwergstaat auf italienischem Boden, residiert. Oder wenn die Kirche zwar amerikanisch und protestantisch ist, ihre Geistlichen aber den gebührenden Hass auf die liberals vermissen lassen oder gar selbst welche sind. Der Kandidat soll klar und deutlich sagen, dass Gott die liberals und die staatliche Krankenversicherung hasst.
Doch es gibt auch noch das republikanische Establishment, hinter dem ebenfalls etwa ein Drittel der Wähler der Partei steht. Dieses Establishment ist an der West- und Ostküste urbaner und liberaler im Habitus als in den Südstaaten, dennoch gibt es eine gemeinsame Präferenz. Der Kandidat soll alles tun, was die reichen Geschäfts­leute des Landes zum Wohle des Kapitals und der Industrie verlangen. Das erfordert absolute Verlässlichkeit und die Fähigkeit, in einem Maßanzug eine gute Figur zu machen. Man muss aber auch korrekt vom Teleprompter ablesen und sogar frei sprechen können, ohne dass alle hinterher fragen: »Hat er das wirklich gesagt?« Nein, einen zweiten George W. Bush möchte das Establishment nicht im Weißen Haus sehen.

Die »unsichtbaren« Vorwahlen, bei denen um die Gunst der diversen Wählergruppen geworben wird, sind fast abgeschlossen. Es steht nun fest, wer die Bewerber sein werden. Im Januar 2012 geht es dann wirklich los, die ersten Vorwahlen finden in den Bundesstaaten Iowa, New Hampshire, South Carolina und Florida statt. Die Kandidaten sammeln Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im August 2012. Es könnte zwar in der Vorwahlsaison, wie bei den Demo­kraten im Jahr 2008, lange dauern, bis der Gewinner feststeht, doch traditionell sammeln sich die Republikaner frühzeitig hinter einem Kandidaten.

Sarah Palin»Niemand ist besser qualifiziert, all die Aufgaben eines Präsidenten gleichzeitig zu bewältigen, als eine Frau und Mutter.«
Alle Satiriker der Welt dürften bedauern, dass ausgerechnet Sarah Palin, die im Ausland als Repräsentantin der neuen Rechten der USA gilt und auch im Land selbst den Umfragen zufolge nach wie vor recht populär ist, nicht kandidieren will. In der vergangenen Woche verkündete die Vizepräsidentschaftskandidatin des Jahres 2008 ihren Rückzug. Das Establishment hatte ihr damals nahegelegt, ihre Wissenslücken bezüglich der Wirtschafts- und Außenpolitik zu schließen und sodann eine professionelle Wahlkampagne zu organisieren. Doch Palin entschied sich dafür, politische Agitatorin und inoffizielle Sprecherin der Tea-Party-Bewegung zu bleiben. Das ist ein einträgliches Geschäft, seit sie das Amt der Gouverneurin Alaskas aufgab, hat sie ihr Einkommen verhundertfacht. Palin hat eine treue Anhängerschaft bei der republikanischen Basis, vor allem in der Tea-Party-Bewegung, obwohl sie hier inzwischen Konkurrenten hat. Aber auch bei den christlich-konservativen Wählern ist sie beliebt. Sie kann entscheidenden Einfluss auf die Vorwahlen nehmen, hat sich aber bislang noch nicht für einen Kandidaten ausgesprochen. Fest steht, dass sie Mitt Romney nicht unterstützen wird. Die nach ihren Aussagen eigentlich besonders qualifizierte Frau und Mutter Michele Bachmann mag sie aber offenbar auch nicht. Insider berichten über anhaltende Rivalität, geschürt durch den Vorwurf Palins, Bachmann versuche sie als Heldin der Tea Party zu verdrängen. Dennoch scheint Palins Erfolg republikanischen Politikerinnen neue Chancen eröffnet zu haben. Nikki Haley, die Gouverneurin von South Carolina, wird bereits jetzt als potentielle Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen im Jahr 2016 betrachtet. Doch der gesellschaftliche Fortschritt setzt sich bei den Konservativen nur langsam durch. Und Margaret Thatcher musste nur so stark wie Churchill erscheinen, nun wird nach den Vorgaben von Rupert Murdochs Fox News erwartet, dass eine iron lady auch Sexappeal haben sollte.

Rick Perry»Es hat einen Sinn, dass wir wirtschaftlich schwierige Zeiten erleben, dies soll uns zurück zu den biblischen Prinzipien bringen.«
In Sachen Zielsicherheit kann es nur Sarah Palin mit Rick Perry aufnehmen, der einst beim Joggen einen Kojoten erlegte – mit einem einzigen Schuss. Als Mitte August die republikanische Wählerschaft noch unzufrieden mit den Bewerbern war, warf er seinen Stetson in den Ring und wurde sofort der beliebteste Kandidat. Der langjährige Gouverneur von Texas und konservative Hardliner ist ein Profi, er gibt sich stählern, aber fromm. Als Methodist ersucht er Gott um Hilfe bei der Bewältigung der Regierungsgeschäfte, im April betete er öffentlich für Regen in Texas. Dass die Dürre sich in den folgenden Monaten verschlimmerte, scheint weder ihm noch Gott zur Last gelegt zu werden. Er schimpft empört genug auf Obama, um Anhänger der Tea-Party-Bewegung für sich zu gewinnen. Aber auch das Establishment zumindest der Südstaaten schien ihn Mitt Romney vorzuziehen. Doch dann verpatzte Perry die ersten Debatten, er stammelte wie ein Greenhorn. Auch seine politischen Ansichten wurden kritisiert: Er wende sich nicht scharf genug gegen die Einwanderung von Latinos, er sei zu offen gegenüber den Muslimen, und von Außenpolitik verstehe er auch nichts. Romney versäumte es nicht, darauf hinzuweisen, dass Perry am Anfang seiner Karriere Demokrat war und 1988 sogar den bei den Republikanern besonders verhassten Al Gore unterstützte. Perry hat an Popularität verloren, aber er ist weiterhin sehr erfolgreich beim Eintreiben von Wahlkampfspenden. Er kann eine lange Kampagne durchhalten und ist zwar nicht der Lieblingskandidat einer Fraktion, aber für alle Republikaner akzeptabel.
Größte Stärke: Wenn man ihn sieht, fühlt man sich an Ronald Reagan erinnert.Größte Schwäche: Wenn man ihn reden hört, fühlt man sich an George W. Bush erinnert.

Ron Paul»Die Wahrheit ist Verrat im Imperium der Lügen.«
Seit mehr als 40 Jahren predigt Ron Paul das Zurückdrängen des Staates zugunsten einer rabiat kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Der langjährige Abgeordnete im Repräsentantenhaus ist der elder statesman der rechtslibertären Bewegung. Keiner anderer Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur war stärker am Aufstieg der Tea-Party-Bewegung beteiligt als dieser Anhänger des österreichischen Nationalökonomen Friedrich Hayek. Unermüdlich ist Paul auch in seinem Streben nach der Präsidentschaft, er versucht es bereits zum dritten Mal. Im Jahr 2008 wählten ihn seine treuen Anhänger noch, als er bereits den Verzicht auf die Kandidatur erklärt hatte. Doch außerhalb der Tea-Party-Bewegung ist Paul weniger beliebt. Er behauptet gerne, dass seine Ideologie mit christlichen Werten übereinstimme, doch enthält er sich öffentlicher Frömmelei. Das Establishment nimmt es ihm übel, dass er in der rechten Antikriegsbewegung gegen Präsident George W. Bushs Irak-Invasion eine führende Position einnahm. Sein verwegener Plan, den Goldstandard wiedereinzuführen, weist ihn als ökonomischen Abenteurer und, schlimmer noch, als am Wohlergehen der Wall Street desinteressiert aus. Überdies ist er mit seinen am Wahltag 77 Jahren höchstens noch für die Führung des Vatikans jung genug. Doch was den Anschein eines halsstarrigen Egotrips erweckt, könnte der Vorbereitung seiner Nachfolge dienen. Sein Sohn Rand Paul wurde im vorigen Jahr Senator in Kentucky und könnte 2016 bereit sein, den Kampf seines Vaters gegen das Imperium der Lügen und der Steuern fortzusetzen.
Größte Stärke: Seine Anhänger lieben ihn, obwohl er ständig verliert.Größte Schwäche: Er erweckt den Eindruck, wirklich gegen das Establishment zu sein.

Michele Bachmann»Ich bin meinem Glauben und meiner Familie verpflichtet, am meisten jedoch bin ich den Idealen verpflichtet, die unsere Nation schufen.«
Da Michele Bachmann in Iowa geboren wurde und das benachbarte Minnesota im Repräsentantenhaus vertritt, hat sie gute Chancen, die erste Vorwahl zu gewinnen. Aber nicht nur wegen ihrer Herkunft. Die christlich-konservative Wählerschaft ist in Iowa verhältnismäßig stark vertreten, und in ihrer Gunst steht Bachmann hoch. Die evangelikale Christin bewegt sich seit Jahrzehnten in dieser Szene, sie studierte Jura an einer christlichen Universität, ist zusammen mit ihrem Ehemann Marcus in der christlichen Lebensberatung aktiv und gilt als Befürworterin einer »Reorientierungstherapie« für Homosexuelle. Bachmann hat fünf Kinder, das Ehepaar betreute zudem fast zwei Dutzend Pflegekinder. Sie gründete im vergangenen Jahr den Tea Party Caucus im Abgeordnetenhaus und ist eifrig bemüht, die Wähler über »ruchlose Aktivitäten« in Washington und die »antiamerikanischen Ansichten« Obamas aufzuklären. Doch ihr fehlt das Flair Sarah Palins, sie hat die Unterstützung einflussreicher Anführer der Tea Party gewinnen, nicht aber die Basis der Bewegung für sich begeistern können. Nicht nur Sarah Palin missfällt, dass sie sich als Sprecherin der Bewegung präsentiert. Auch das republikanische Establishment ist misstrauisch, da Bachmann nichts von »Rettungspaketen« für die Wall Street hält. Bislang hat sie nicht ausreichend Spenden für einen langen Wahlkampf gesammelt. Sofern sie die Vorwahlen in Iowa nicht gewinnt, wird sie daher wohl ihre Kandidatur aufgeben müssen. Vielleicht gesteht sie ihr Scheitern dann in ihrem Geburtsort Waterloo ein.
Größte Stärke: Sie zitiert die Bibel mit Quellen­angabe.Größte Schwäche: Gott spendet nicht für die Wahlkampfkasse.

Mitt Romney»Die unsichtbare Hand des Marktes bewegt sich stets schneller und besser als die schwere Hand des Staates.«
Als ehemaliger Manager eines Hedgefonds und Multimillionär dürfte Mitt Romney der Traumkandidat des Establishments sein. Reden kann er auch, er kassierte im vorigen Jahr für eine einzige Ansprache 68 000 Dollar. Und er ist ein Profi, der es fast schon einmal geschafft hätte. Bei den Vorwahlen im Jahr 2008 war Romney der Zweitplatzierte, und bei den Republikanern gewinnt dieser traditionell die Nominierung bei der nächsten Wahl. Tatsächlich führt er seit Monaten in den Umfragen. Der Vorsprung ist allerdings klein. Sein Sinn für Pragmatismus macht ihn zum Kandidaten der gemäßigten Republikaner, doch Anhänger der Tea-Party-Bewegung zeihen ihn mangelnder Prinzipientreue. Als Gouverneur von Massachusetts hat Romney nämlich eine Gesundheitsreform durchgesetzt, die der verhassten »Obamacare« ähnelt. Doch Romney hat seit 2008 fleißig an seiner Kampagne gearbeitet und die Unterstützung des Establishments vor allem im Nordosten und im Westen des Landes gewinnen können. In der Vorwahl im nordöstlichen New Hamp­shire gilt sein Sieg als sicher, doch bei den christlich-konservativen Wählern in Iowa und South Carolina hat er es schwer. Denn Romney ist Mormone, und den »Heiligen der letzten Tage«, die ihren eigenen Propheten haben, Ganzkörperunterwäsche tragen, sogar Tote missionieren wollen und früher Polygamisten waren, trauen viele Protestanten nicht. Doch während 18 Prozent der Wähler glauben, Obama sei Muslim, wissen nur 40 Prozent, dass Romney Mormone ist. Überdies kann Romney darauf verweisen, dass er als einziger Bewerber den Umfragen zufolge Obama schlagen könnte. Und dieses Ziel einigt alle republikanischen Milieus.
Größte Stärke: Seine Wahlkampforganisation ist so perfekt wie sein Haarschnitt.Größte Schwäche: Seine Bibel hat drei Testamente.

Herman Cain»Gib nicht der Wall Street die Schuld, gib nicht den großen Banken die Schuld – wenn du keinen Job hast und nicht reich bist, dann gib dir selbst die Schuld.«
Der relative große Erfolg Herman Cains ist bislang die größte Überraschung. Noch vor wenigen Monaten fand man den Namen des Politikers aus Georgia auf der Liste der chancenlosen Bewerber. Doch die Enttäuschung über die prominenteren Kandidaten verschaffte ihm Popularität. In einigen Umfrage liegt er an zweiter Stelle hinter Mitt Romney, Ende September gewann er sogar eine Testwahl in Florida. Cain war wie Romney ein erfolgreicher Geschäftsmann. Als CEO des großen Pizzaservices Godfathers hat er nicht nur ein beachtliches Vermögen angesammelt, sondern auch Kenntnisse im Endverbrauchermarketing. Das dürfte im Wahlkampf von Vorteil sein. Als zeitweiliger Vorstand der regionalen Notenbank in Kansas City gilt er überdies als jemand, der etwas von Finanzpolitik versteht. Im Jahr 2000 kandidierte er kurzzeitig bei den Vorwahlen, und 2004 kam er bei den Senatsvorwahlen in Georgia auf den zweiten Platz. Der Baptist ist nebenberuflich als Pfarrer tätig – und sein Gospelgesang hört sich nicht übel an. Als gelernter Ballistiker weiß Cain allerdings, dass dem Höhenflug ein Niedergang folgt. Mit einer pointierten Klassenkampfstrategie versucht er, vor allem die Wohlstandschauvinisten in der Tea-Party-Bewegung und im Establishment zu gewinnen. Ob die Republikaner jedoch bereit sind, sich, wie Cain es formuliert, für die Eissorte »black walnut« zu entscheiden, erscheint fraglich. Er hofft auf einen Sieg in Florida, wo die Pizzen des Paten gerne gegessen werden und die republikanische Wählerschaft die Hautfarbe des Kandidaten weniger wichtig nimmt.
Größte Stärke: Er ist so reich, dass es für die Wahlkampffinanzierung reicht.Größte Schwäche: Vielleicht werden die rechten Republikaner irgendwann ihren Rassismus überwinden. Aber sicher nicht bis zum Januar 2012.